Im Schiersteiner Hafen haben sich wegen des Sturmtiefs „Ylenia“ Sportboote losgerissen. Es gab Zugausfälle und Unfälle wegen umgestürzter Bäume.
HESSEN. Auf der A5 bei Friedrichsdorf ist am frühen Donnerstagmorgen ein mit Styroporplatten beladener Lkw umgekippt. Der Unfall in Fahrtrichtung Frankfurt ereignete sich gegen 5 Uhr zwischen den Anschlussstellen Friedberg und dem Bad Homburger Kreuz. Da der Lastwagen mit Anhänger die gesamte Richtungsfahrbahn blockiert, ist die Fahrbahn laut Mitteilung der Polizei bis auf Weiteres voll gesperrt. Der Kraftfahrer wurde bei dem Alleinunfall nach bisherigen Erkenntnissen nur leicht verletzt. Er kam vorsorglich in ein Krankenhaus. Angrenzende Ausweichrouten sind ebenfalls stark ausgelastet. Wann die Aufräumarbeiten abgeschlossen sein werden, ist momentan noch nicht bekannt.
Der Sturm hat in vielen Regionen Hessens am Donnerstagmorgen zudem etliche Bäume umstürzen lassen. Dabei kam es auch zu mehreren Unfällen, die aber glimpflich und lediglich mit Blechschäden verliefen, verletzt wurde zunächst niemand. Das Polizeipräsidium Wiesbaden sprach von gut zwei Dutzend Einsätzen im Raum Limburg und Weilburg, im Hochtaunreis sowie im Rheingau-Taunus-Kreis.
Das Sturmtief Ylenia hat besonders den westlichen Untertaunus getroffen. In Heidenrod, Bad Schwalbach, Taunusstein und Schlangenbad waren die Feuerwehren im Dauereinsatz, um Bäume von den Straßen zu räumen. Der schwerste Unfall ereignete sich am Morgen auf der B260: Dort fiel ein Baum auf ein Auto; die Fahrerin wurde eingeklemmt und musste von der Feuerwehr befreit werden. Dabei hatte die Frau großes Glück: Sie kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus. An ihrem Auto entstand jedoch ein Totalschaden. Die B260 war für eine Stunde lang komplett gesperrt. Mehrere umgefallene Bäume blockierten zudem die Wisperstraße von der B260 in Richtung Ramschied. Weil es für die Feuerwehr zu gefährlich war, die Hindernisse zu beseitigen, blieb die Straße rund drei Stunden lang gesperrt. In allen Gemeinden wurden zudem erstmals die kommunalen Unwetterzentralen besetzt, um die Leitstelle in Bad Schwalbach zu entlasten. Ihre Aufgabe ist es, die Einsätze vor Ort zu koordinieren.
Insgesamt fünf Feuerwehrleute wurden allein in Heidenrod dafür abgestellt, berichtet Gemeindebrandinspektor Stephan Rausch. Zwischen 5 und 9 Uhr seien alle Wehren draußen gewesen, etwa 35 Einsätze wurden registriert. In einem Fall blockierten zwei Bäume in der Nähe des Egenrother Stocks einen Rettungswagen auf dem Weg zu einem Notfall.
Insgesamt 20 Einsätze registrierte die Feuerwehr in Taunusstein. Ab etwa vier Uhr seien Meldungen von blockierten Straßen eingegangen, erklärt Stadtbrandinspektor Martin Zywitza. In den meisten Fällen war der Schaden mit dem Entfernen der Bäume behoben. Anders in der Bernsbacher Straße im Stadtteil Bleidenstadt: Dort begrub ein umgefallener Baum gleich vier geparkte Fahrzeuge unter sich. Auch in Schlangenbad rückte die Feuerwehr zu zahlreichen Einsätzen aus. Schwerpunkte waren nach Angaben von Gemeindebrandinspektor Markus Faust die Ortsteile Niedergladbach, Wambach, Bärstadt und Hausen.
In Hohenstein, Hünstetten und Idstein hielten sich die Alarmierungen hingegen in Grenzen. Die Hohensteiner rückten zu einer Handvoll Einsätze aus, auch in Hünstetten und Idstein verlief der Sturm glimpflich. Lediglich in der Escher Straße wurde ein Bauzaun umgeweht.
In drei Fällen seien Bäume auf Autos gestürzt. An der Bundesstraße 8 nahe Bad Camberg (Landkreis Limburg-Weilburg) fiel die Straßenbeleuchtung aus, vermutlich auch dies sturmbedingt.
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Auch beim Polizeipräsidium Gießen gingen am Morgen zahlreiche Meldungen zu umgestürzten Bäumen ein, in einem Fall sei ein Wohnhaus betroffen gewesen, nähere Einzelheiten stünden noch nicht fest, sagte ein Polizeisprecher. Verletzte habe es zunächst keine gegeben.
Bäume an mehreren Stellen auf Straßen gestürzt
Auch in Südhessen waren bereits vor Mitternacht an mehreren Stellen Bäume auf Straßen gestürzt, so bei Ober-Ramstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg) und Astheim (Landkreis Groß-Gerau). In Babenhausen fiel ein Bauzaun auf einer Länge von rund 150 Metern um. Am Morgen waren auch mehrere Straßen in den Landkreisen Bergstraße, Groß-Gerau und im Odenwaldkreis von umgestürzten Bäumen betroffen. Der Ort Bullau war kurzzeitig von der Außenwelt abgeschnitten. Nahe Rüsselsheim fuhr nach Polizeiangaben ein Lastwagen in einen auf einer Kreisstraße liegenden Baum, der Fahrer sei unverletzt geblieben, teilte die Polizei mit.
Im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist in Münchhausen der Strom ausgefallen, weil ein Baum auf eine Oberleitung gestürzt war. Laut Polizei stieß in Gladenbach in der Nacht ein LKW gegen eine umgefallene Ampel.
Im Lahn-Dill-Kreis gab es in der Nacht rund 30 Notrufe im Zusammenhang mit Sturmschäden und Behinderungen. Ab 3.20 Uhr wurden der Polizei laut Mitteilung umgekippte Bäume, umherfliegende Baustellenbeschilderungen und andere Gefahrenstellen gemeldet. Feuerwehren und Straßenmeistereien hätten diejenigen Fälle übernommen, bei denen die Polizeistreifen die Hindernisse nicht selbst beiseite räumen konnten. Die Einsätze und Meldungen verteilten sich über den gesamten Lahn-Dill-Kreis.
Chaos am Morgen im Schiersteiner Hafen
Im Hafen von Wiesbaden-Schierstein drohte am Vormittag ein Boot zu kentern. Die Feuerwehr habe dies aber sichern können. Und auch ein weiteres Boot, das sich losgerissen hatte, wieder festgemacht. Wegen des Sturms sind die Wiesbadener Friedhöfe aus Sicherheitsgründen geschlossen und nur für Beisetzungen geöffnet. Das berichtet Gabriele Wolter, Leiterin des Grünflächenamtes, auf Anfrage dieser Zeitung. Aufgrund der Sturmwarnung bleibt heute auch der Tier- und Pflanzenpark Fasanerie geschlossen. Beim Grünflächenamt seien bisher sechs Meldungen über Baumstürze im Stadtbereich eingegangen. Betroffen seien überwiegend Hochlagen Richtung Neroberg und Bierstadt sowie Kastel und Kostheim. Um die Schäden im Wald zu prüfen, werde am Montag eine Begehung erfolgen. Die städtischen Baumkontrolleure seien im Stadtgebiet unterwegs und „kontrollieren alle relevanten Baumstandorte“, so Wolter.
Nach den nächtlichen Sturmböen ist die Lage in Wiesbaden am Donnerstagvormittag entspannt. Aktuell laufen noch Einsätze. Insgesamt seien es rund 20 gewesen, so die Wehr. Mit Blick auf die „starke Vorwarnung“ könne man die Lage in Wiesbaden aber als sehr entspannt bezeichnen. Auch von größeren Schäden oder massiven Verkehrsbehinderungen habe man keine Kenntnis. Die Freiwilligen Feuerwehren von Medenbach, Auringen, Kostheim, Schierstein, Biebrich, Stadtmitte, Nordenstadt, Bierstadt und Sonnenberg seien zeitweise im Einsatz gewesen.
Die Rheingauer Polizei hatte am Donnerstagvormittag, Stand 10 Uhr, so gut wie nichts zu berichten. Die Weinregion scheint bislang glimpflich durch den Sturm gekommen zu sein. Bis auf "ein, zwei Bauzäune auf der Straße" sei nichts gewesen, hieß es bei der Polizei Rüdesheim. Offenbar sei alles "niet- und nagelfest" gewesen, berichtete die Polizeistation in Eltville. Im Idsteiner Land gab es laut Polizei keine „größeren“ Vorkommnisse.
Hessen Mobil warnt vor Straßen im Wald
Hessen Mobil warnt derweil zur Vorsicht entlang der hessischen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Aufgrund der teils heftigen Sturmböen könnten gerade in waldreichen Gebieten Äste brechen und Bäume umstürzen. Seit den frühen Morgenstunden seien Mitarbeitende der Straßenmeistereien in Hessen im Einsatz, kontrollieren das gesamte Streckennetz und räumen, wo es nötig ist, gemeinsam mit örtlichen Feuerwehren umgestürzte Bäume und Äste von den Straßen. Man bitte um Verständnis, falls es dabei zu kurzzeitigen Verkehrsbeeinträchtigungen komme.
Bereits gestern hatte die Stadt Wiesbaden Bürgern geraten, von Spaziergängen beziehungsweise Besuchen im Stadtwald sowie in Parks, Grünanlagen, Friedhöfen und dem Bestattungswald „Terra Levis“ abzusehen, da mit Astbrüchen oder Baumumstürzen gerechnet werden muss. Dies gelte auch für Straßenzüge mit Stadtbäumen.
Auch Bahnverkehr ist betroffen
Sturmtief "Ylenia" wirkt sich auch auf den Bahnverkehr aus und hat in Teilen Hessens für Verspätungen und Zugausfälle gesorgt. Wie die Deutsche Bahn auf ihrer Website mitteilte, musste wegen eines umgestürzten Baums die Strecke zwischen Dreieich-Buchschlag und Langen (Landkreis Offenbach) gesperrt werden. Betroffen davon waren die S-Bahn-Linien 3 und 4 sowie die Regionalbahnen 67 und 68. Es komme zu Verspätungen und Teilausfällen, ein Busnotverkehr sei eingerichtet.
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Auch zwischen Neustadt und Stadtallendorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf sowie zwischen Langgöns (Landkreis Gießen) und Butzbach (Wetteraukreis) müsse wegen des Unwetters mit Verspätungen und Teilausfällen gerechnet werden. Hier waren der Regionalexpress 30 sowie die Regionalbahnlinien 40, 41 und 49 betroffen. Weitere Beeinträchtigungen meldete die Deutsche Bahn zudem für die Regionalbahn-Linie 61 zwischen Neu-Isenburg und Langen-Flugsicherung (Landkreis Offenbach) sowie für die S-Bahn-Linie 2 in Lorsbach (Main-Taunus-Kreis).
Windböen mit bis zu 120 Stundenkilometern
Die höchste Windgeschwindigkeit in Hessen wurde mit 120,6 Kilometern pro Stunde an der Wasserkuppe gemessen. In Eschwege-Eltmannshausen wurden 113 km/h erreicht, am Hoherodskopf im Vogelsberg 112,3 Stundenkilometer.
Die Landesbehörde Hessen Mobil warnt wegen Sturmböen vor herumliegenden Ästen und umgestürzten Bäumen auf und entlang von Straßen. Die Mitarbeiter der Straßenmeistereien seien seit den frühen Morgenstunden unterwegs, um Bundes-, Landes- und Kreisstraßen von Hindernissen zu befreien, teilte Hessen Mobil am Donnerstag mit. Alle Verkehrsteilnehmer sollten aber auch in den kommenden Tagen noch besonders vorsichtig unterwegs sein, gerade in waldreichen Gebieten.
Sturmtoter bei Bad Bevensen: Autofahrer von Baum erschlagen
Ein 37 Jahre alter Mann ist in seinem Auto Opfer des Orkantiefs "Ylenia" geworden. Er war am Donnerstagmorgen gegen 9.00 Uhr auf der L252 zwischen Bad Bevensen und Seedorf im Landkreis Uelzen unterwegs, als ein Baum auf seinen Pkw stürzte und ihn erschlug. Wie ein Sprecher der Feuerwehr bestätigte, war der Fahrer sofort tot. Für die Dauer der Bergungsarbeiten wurde die Landstraße gesperrt.
Die Serie von Sturmtiefs könnte sich nach Einschätzungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auch zu Beginn der kommenden Woche fortsetzen. Tendenziell müsse weiter mit einer solchen Entwicklung gerechnet werden, sagte Meteorolge Jens Oehmichen vom Deutschen Wetterdienst am Donnerstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur.
Der aktuelle Sturm "Ylenia" wird sich nach Erwartungen des DWD voraussichtlich am späteren Donnerstagnachmittag abschwächen.
Von dpa und unseren Reportern