Der hessische Verfassungsschutz hat 2022 eine Zunahme bei Personen, Straf- und Gewalttaten in der rechten Szene beobachtet. Auch andere Extremisten hat man weiterhin im Auge.
Wiesbaden. Straftaten und Gewaltdelikte aus der rechtsextremistischen Szene haben in Hessen im Jahr 2022 weiter zugenommen, der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre setzt sich damit fort. „Der Rechtsextremismus mit seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist weiterhin die größte Bedrohung für die freiheitliche Demokratie und die öffentliche Sicherheit“, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung des hessischen Verfassungsschutzberichts in Wiesbaden.
Auch wenn die Gesamtzahl der Gewalttaten gesunken sei (siehe Infobox), sei gerade im Bereich Rechtsextremismus die zunehmende Zahl an Gewaltbereiten erschreckend, betonte Beuth. Das beständige Wachsen des Personenpotenzials bei „Reichsbürgern“ (von 19.000 im Jahr 2018 auf 23.000 im Jahr 2022) müsse ebenfalls hellhörig machen, weil hier eine hohe Waffen-Affinität bestehe. Bei aller „kruden und rational aberwitzigen“ Ideologie, so der Minister, gehe von dieser Szene eine große Gefahr aus, das hätten die aufgedeckten Staatsstreich-Pläne im vergangenen Jahr gezeigt.
Warnung vor einem Kampf zwischen Linken und Rechten
Anders als noch vor Jahresfrist spielte die AfD keine Rolle bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. 2022 hatte der damalige Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Robert Schäfer, angekündigt, den hessischen AfD-Landesverband beobachten zu lassen – das Wiesbadener Verwaltungsgericht schob dem Ansinnen, wenn auch vorläufig, einen Riegel vor, momentan wartet man auf ein Urteil. „Es gehört zur Demokratie, dass Maßnahmen, auch von uns, überprüft werden“, ordnete Bernd Neumann, Schäfers Nachfolger als LfV-Präsident, das Prozedere ein. Zumindest die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative taucht im aktuellen Bericht auf – ihr bescheinigen die Verfassungsschützer ein „festes Eingebundensein in rechtsextremistische Strukturen“.
Im Bereich des Linksextremismus beobachte man eine Zunahme von gewaltbereiten Autonomen und Anarchisten, die im antifaschistischen Kampf eine Anschlussfähigkeit an andere gesellschaftliche Schichten sähen, aber letztlich auch staatliche Institutionen wie die Polizei als „faschistisch“ bezeichneten. Neumann mahnte, Demokraten sollten sich „sehr genau überlegen“, mit wem sie sich für die vermeintlich gute Sache engagierten. Gewalttäter wie die kürzlich verurteilte Studentin Lina E. griffen wahllos politische Gegner an und schreckten dabei vor Gewalt nicht zurück. „Es besteht die Gefahr, dass sich Linke und Rechte mit Straftaten wechselseitig befeuern“, warnte Beuth.
Radikalisierung und Instrumentalisierung von Klimaaktivisten
Klimaaktivisten wie die Letzte Generation stünden nicht im Fokus, man beobachte aber eine Radikalisierung innerhalb der Szene und eine Instrumentalisierung von außen, etwa bei der Brandstiftung an zwei Baumaschinen im Fechenheimer Wald im Februar 2022, als Klimaschützer gegen die Rodung protestierten.
Weiterhin bestehe auch große Gefahr durch Islamisten und Salafisten, vor allem aber durch die Einflussnahme autoritärer Staaten wie Russland, die mit Cyberangriffen und Desinformationskampagnen für Destabilisierung sorgten. Dazu gehörte auch der Bereich der (Wirtschafts-)Spionage.
Neumann warnte, die Demokratie benötige „aktuell mehr denn je Schutzschilde“, weil Extremisten den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen versuchten, mit Falschnachrichten Ängste schürten und sich als Problemlöser inszenierten – mit dem Ziel, die staatlichen Strukturen zu destabilisieren und letztlich zu überwinden. Verfassungsschutz sei daher nicht nur die Aufgabe der zuständigen Behörde, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.
Beuth, der bei der Landtagswahl am 8. Oktober für kein Regierungsamt oder Landtagsmandat mehr antritt, nutzte den Termin seiner letzten Verfassungsschutzbericht-Vorstellung für ein Lob des Verfassungsschutzes, der seit seinem Amtsantritt im Jahr 2014 kontinuierlich modernisiert und weiterentwickelt wurde, in der politischen Diskussion aber „nicht immer gerecht beurteilt“ werde. Auch den obligatorischen Seitenhieb auf die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in Hessen bekanntlich SPD-Spitzenkandidatin, vergaß der CDU-Politiker nicht: Ein hessischer Innenminister müsse etwa beim Waffenrecht an Grenzen stoßen, wenn die Kollegin im Bund sich auf „vollmundige Ankündigungen“ konzentriere, Gesetzentwürfe zur Regelversagung bei Waffenerlaubnissen für Extremisten aber so lange liegen blieben, bis sie „ranzig“ würden.
Kritik kommt von den hessischen Linken, die den Verfassungsschutz abschaffen wollen: