Geht den hessischen Kommunen das Personal aus?

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Der Hessische Rechnungshof in Darmstadt mahnt: auch in Krisenzeiten Finanzen unter Kontrolle halten.
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Der Landesrechnungshof schlägt Alarm: Im kommenden Jahrzehnt geht bald jeder zweite Beschäftigte in den Ruhestand. Auch die Freiwilligen Feuerwehren haben ein Problem.

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Wiesbaden. Eigentlich hat Walter Wallmann gute Nachrichten im Gepäck: Die 422 hessischen Kommunen haben das Haushaltsjahr 2021 mit einem Überschuss von 412 Millionen Euro abgeschlossen, berichtet der Präsident des Landesrechnungshofs am Freitag in Wiesbaden. Das waren noch einmal 136 Millionen Euro mehr als im Corona-Jahr 2020, das von großen Zuschüssen der Bundes- und Landesebene geprägt war. Und dennoch ist Wallmann in Sorge. Mit Energiekrise, Corona-Pandemie, Klimakrise, einer möglichen neuen Finanzkrise und nicht zuletzt mit der demografischen Entwicklung zeichne sich für die Kommunen „ein recht bedrohliches Szenario für die Zukunft ab”.

Vor allem das drohende Ausbluten der Kommunalverwaltungen treibt den Behördenchef um. 2021 seien 127.000 Frauen und Männer bei den Kommunen beschäftigt gewesen, 45 Prozent von ihnen seien 45 Jahre oder älter gewesen, erläutert Wallmann. „Das bedeutet, dass in den nächsten zehn bis 15 Jahren fast die Hälfte der kommunalen Beschäftigten altersbedingt ausscheiden werden.” Wegen des heute schon akuten Fachkräftemangels werde es vielen Kommunen sehr schwer fallen, die Stellen nachzubesetzen. Mit den Älteren gehe auch ein großer Teil des Prozesswissens verloren. Diese Herausforderung werde besonders kleine Gemeinden treffen, glaubt Wallmann. Als Beispiel führt er Berkatal im Werra-Meißner-Kreis (1442 Einwohner) an. Dort waren 2021 ausnahmsweise alle Mitarbeiter in der Verwaltung 50 Jahre oder älter.

Wie reagieren? Ulrich Keilmann, Abteilungsleiter im Landesrechnungshof, empfiehlt mehr interkommunale Zusammenarbeit, die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle. Nicht mehr jede Kommune werde „die klassischen Backoffice-Bereiche” vorhalten können, das sei auch gar nicht nötig. Es biete sich an, solche Aufgaben in Zweckverbände auszulagern, wo dann aufgrund höherer Spezialisierung attraktive Arbeitsplätze entstünden.

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Auch den Feuerwehren mangelt es an Nachwuchs

Auch die ehrenamtlich organisierte Daseinsvorsorge habe zu kämpfen, sagt Wallmann. Als Beispiel führt er die freiwilligen Feuerwehren an. 2020 gab es in den hessischen Städten und Gemeinden knapp 2500 freiwillige Orts- und Stadtteilfeuerwehren mit 69.000 aktiven Brandbekämpfern. Eine Überprüfung der Wehren in kleinen Gemeinden habe ergeben, „dass bei der Mehrzahl die Alarmbereitschaft nicht zu allen Zeiten gegeben war”, berichtet Wallmann. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass die Wehren binnen zehn Minuten nach Alarmierung am Einsatzort sein müssen. Das sei zwar in 85 Prozent der Fälle gelungen, in 15 Prozent der Fälle aber nicht.

Auch hat sich der Rechnungshof in 18 kleineren Kommunen angeschaut, ob die Wehren mittelfristig genügend Nachwuchs rekrutieren. Die Prüfung ergab, dass es voraussichtlich nur in fünf der 18 Gemeinden gelingen werde, die Lücken mit Nachwuchs aus den Jugendfeuerwehren zu schließen. Auch hier könne interkommunale Zusammenarbeit eine Lösung sein, sagt Wallmann. Auf jeden Fall aber müssten die Kommunen „alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Ehrenamt attraktiv zu halten”. Dies könne durch Anreize wie den kostenlosen Eintritt in kommunale Einrichtungen oder die Förderung des LKW-Führerscheins erfolgen.

Mit Windrädern im Wald Geld verdienen

Die dramatische Krise des hessischen Waldes, eine Folge des Klimawandels, treibt den Landesrechnungshof ebenfalls um. Die Bewirtschaftung des Waldes sei in der Vergangenheit für viele Kommunen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor gewesen. Mittlerweile sei das anders. So mussten riesige Mengen Schadholz abgeräumt werden, das auf dem Markt dann mit Verlust verkauft wurde, weil die Preise in den Keller gerauscht waren. Wallmann wirbt für alternative Walderträge. Als Beispiel nennt er die Gemeinde Schöffengrund im Lahn-Dill-Kreis, die ihr Restholz inzwischen in einer eigenen Anlage zu Hackschnitzeln verarbeite. Die Anlage versorge 46 Einfamilienhäuser, Rathaus, Bürgerhaus, Bauhof, Sporthalle und eine Kita mit Wärme, lobt Wallmann.

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Einen anderen Weg geht Bad Endbach im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Dort produzieren im kommunalen Wald fünf Windräder nicht nur Strom für 10.000 Haushalte, sondern spülen über Konzessionsabgaben pro Jahr 900.000 Euro in den Gemeindehaushalt. Aus der klassischen Forstwirtschaft kamen derweil nur noch 21.000 Euro. Durch die aktuelle Klimakrise „rückt eine alternative Nutzung des Waldes als möglicher Standort für Windkraftanlagen in den Fokus”, sagt Wallmann.