Boris Rhein zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt

Der bisherige Ministerpräsident Volker Bouffier (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Boris Rhein nach dessen Wahl zum neuen Ministerpräsidenten Hessens.  Foto: Arne Dedert/dpa
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Der Landtag in Wiesbaden wählt den 50-Jährigen zum Nachfolger von Volker Bouffier und Astrid Wallmann zur neuen Landtagspräsidentin.

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WIESBADEN. Hessen hat einen neuen Ministerpräsidenten: Boris Rhein (CDU) ist am Dienstagmittag im Landtag in Wiesbaden zum Nachfolger von Volker Bouffier (70) gewählt worden. Gleich im ersten Wahlgang und in geheimer Abstimmung bekam Rhein 74 von 137 abgegebenen Stimmen. Er hat damit fünf Stimmen mehr erhalten, als die Regierungskoalition von CDU und Grünen Sitze hat. „Ich bedanke mich für das überwältigende Vertrauen“, sagte Rhein nach seiner Wahl. „Es ist mir eine Ehre, dem Bundesland Hessen und den Bürgerinnen und Bürgern dienen zu dürfen.“ Schwarz-Grün hat in Hessen eine parlamentarische Mehrheit von nur einem Mandat, auch deshalb war die Wahl mit Spannung erwartet worden.

Nachfolger des dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands

Der bisherige Landtagspräsident Rhein ist damit der Nachfolger von Volker Bouffier (70), der nach fast zwölf Jahren an der Spitze der hessischen Landesregierung zu Beginn der Landtagssitzung formal seinen Rücktritt erklärt hatte. Bouffier war zuletzt der dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands, am Vorabend wurde er bei einer feierlichen Serenade im Schloss Biebrich verabschiedet. In Hessen findet im Herbst kommenden Jahres die Landtagswahl statt. Die Landes-CDU hatte sich auch mit Blick darauf für den Personalwechsel an der Spitze der Landesregierung entschieden, Bouffier hatte seinen Rückzug im Februar angekündigt. Rhein bezeichnete Bouffier in der ersten Rede nach seiner Vereidigung als eine „Ausnahmepersönlichkeit in der deutschen Politik“. Bouffier habe Hessen „geprägt wie wenige andere“. Seine eigenen Vorstellungen von der Zukunft des Bundeslandes will Rhein bei einer Landtagsrede in der kommenden Woche skizzieren.

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Neben der Wahl des neuen Ministerpräsidenten stand die Wahl der neuen Landtagspräsidentin auf dem Programm. CDU und Grüne hatten schon im Vorfeld die Vize-Chefin der CDU-Fraktion und Wiesbadener Landtagsabgeordnete Astrid Wallmann (42) für das Amt vorgeschlagen. Auch sie wurde – bei offener Abstimmung – im ersten Wahlgang gewählt, bei sechs Gegenstimmen und 16 Enthaltungen aus den Reihen von Linken und AfD. Rhein war bei seiner eigenen Wahl als Landtagspräsident noch einstimmig gewählt worden. Wallmann ist die erste Frau und bislang jüngste Person an der Spitze des hessischen Landesparlaments. Auch sie bedankte sich nach ihrer Wahl bei den Abgeordneten für das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Zugleich würdigte sie die Verdienste ihres Amtsvorgängers: „Boris Rhein hat in den vergangenen Jahren den Landtag erfolgreich und mit großem Engagement geleitet, er hat dem Haus neue Impulse gegeben und es in die Zukunft geführt. Diesen vorgegebenen Weg möchte ich überparteilich und zum Wohle unseres Landes gemeinsam mit den Abgeordneten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtags fortführen.“

Boris Rhein (CDU) wird nach seiner Wahl zum hessischen Ministerpräsidenten von seinen Kollegen bejubelt. Foto: Arne Dedert/dpa
Boris Rhein (CDU) wird nach seiner Wahl zum hessischen Ministerpräsidenten von seinen Kollegen bejubelt.
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Später am Nachmittag war die offizielle Amtsübergabe des Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei vorgesehen. Zuvor ernannte Rhein im „Blauen Salon“ des Landtags sein neues Kabinett, für den Dienstagabend ist eine erste Sitzung geplant. Bereits im Vorfeld hatte Rhein einen Wechsel bei den CDU-geführten Ministerien angekündigt. Für Eva Kühne-Hörmann wird , Roman Poseck , bislang Präsident des hessischen Staatsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt, neuer Justizminister. Es war schon länger über eine mögliche Kabinettsumbildung auf CDU-Seite spekuliert worden. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2023 galt es als wahrscheinlich, dass Rhein sich mit frischem Wind in seinem Regierungsteam profilieren möchte. Rhein verabschiedete Kühne-Hörmann und dankte ihr für engagierte Arbeit. Die CDU-Politikerin will künftig als Nachrückerin in der Landtagsfraktion ihrer Partei mitarbeiten, wenn der bisherige Ministerpräsident Volker Bouffier sein Mandat abgibt. Zudem wird die Juristin Tanja Eichner neue Staatssekretärin im Justizministerium. Neuer Regierungssprecher und Nachfolger von Michael Bußer wird der bisherige Landtagssprecher Tobias Rösmann.

Stehender Applaus nach Bouffiers Abschiedsworten

In seiner letzten Rede als Ministerpräsident verzichtete Bouffier auf einen Rückblick auf seine Amtszeit. „Mit dem heutigen Tag schließt sich für mich ein Kreis“, sagte der 70-Jährige. Und: „Es war mir eine große Ehre“, er habe stets mit großer Freude in seinem Amt als Ministerpräsident gearbeitet. Einen besonderen Dank richtete er an seine Familie. „Sie hat mich getragen, manchmal sicherlich auch ertragen“, sagte er, den Blick auf seine auf der Besuchertribüne versammelte Familie gerichtet. Unter den Gästen auf der Tribüne waren zudem auch der frühere Ministerpräsident Roland Koch, der frühere Kultus- und Justizminister Christean Wagner, Ex-Sozialminister Stefan Grüttner, Ex-Bundesverteidigungs- und Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung, Horst Klee, langjähriger Abgeordneter (Wiesbaden) und mehrmaliger Alterspräsident des Landtags, sowie die frühere Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Bouffier nannte in seinem Dank auch die Fraktionen - auch der Opposition -, ebenso die Mitglieder der Regierung, die Mitarbeiter des Parlaments und der Landesverwaltung. „Erst kommen die Menschen, dann kommt das Land, dann die Partei“ sagte Bouffier zu seinen jahrzehntelangen Arbeit als aktiver Politiker. Der hessische Landtag habe lange als härtestes Parlament in Deutschland gegolten. „Ich habe mich bemüht, nicht das trennende, sondern das gemeinsame hervorzuheben“, sagte er nun. Die Abgeordneten reagierten mit stehendem Applaus auf die kurze Rede.

Opposition gratuliert und übt Kritik

Die Opposition gratulierte Rhein, reagierte aber ansonsten kritisch. SPD-Fraktionschef Günter Rudolph erklärte, von Aufbruchstimmung gebe es keine Spur. Rhein habe versprochen, die Regierung jünger und weiblicher aufzustellen, was nicht stattfinde. Bis auf den überfälligen Wechsel im Justizministerium habe sich der Ministerpräsident entschieden, „mit den alten Problemfällen am Kabinettstisch weiterzumachen“.

Die FDP forderte, Rhein müsse Hessen aus dem Mittelmaß führen. „Bouffier hat Rhein einige Baustellen hinterlassen, die nicht warten können – von der fehlenden Klimaschutz-Strategie über eine vernachlässigte Wirtschaft bis zu Digitalisierung“, erklärte Fraktionschef René Rock. Die AfD gab Rhein 100 Tage, bis sie ein erstes Urteil fällen will. Die Linke forderte einen sozialökologischen Aufbruch für Hessen und einen echten Politikwechsel. 23 Jahre CDU-Regierung seien genug.