Weniger Scheidungen in Deutschland - auch wegen Corona?

Zerrissenes Hochzeitsfoto, abgelegter Ring. In der Corona-Pandemie haben sich etwas weniger Menschen in Deutschland scheiden lassen, also noch in den Vorjahren. Symbolfoto: dpa
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In Deutschland gibt es wieder weniger Scheidungen. Zudem kommt das Ehe-Aus im Schnitt später. Das sagen Paartherapeuten und Statistiker zur aktuellen Entwicklung.

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WIESBADEN. In Deutschland lassen sich wieder etwas weniger Menschen scheiden. So wurden im vergangenen Jahr rund 143.800 Paare richterlich getrennt. Damit sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um knapp 5200 oder 3,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Abgesehen von einer leichten Zunahme 2019 ist die Anzahl der Ehescheidungen seit 2012 stetig gesunken.

Konkrete Angaben über einen Corona-Effekt können die Statistiker für das Jahr 2020 noch nicht machen: "Das wird sich vermutlich erst in den nächsten Jahren zeigen, da einer Scheidung in der Regel eine Trennungszeit von mindestens einem Jahr vorausgeht", hieß es.

Lockdown als Belastungsprobe

Nachfrage bei der Familienanwältin Alicia von Rosenberg aus Berlin, die - wie sie sagt - während der Pandemie mehr Anfragen bekommen hat: "Ich habe auch mehr Verfahren eingeleitet, die sind aber noch nicht alle abgeschlossen", erklärt sie. So könne es etwa nach wie vor coronabedingte Verzögerungen bei den Gerichten geben. Manch ein Paar habe sich in der Pandemie vielleicht auch übereilt zu einer Scheidung entschlossen und merke nun, dass es sich gar nicht trennen wolle. "Dafür gibt es ja auch das Trennungsjahr", so die Juristin.

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Auch Paartherapeut Bernd Böttger verzeichnete in der Corona-Zeit eine höhere Nachfrage. "Einige Paare konnten das erzwungene Zusammensein mit Lockdown, Home-Office und Home-Schooling nicht aushalten, da ist eine toxische Nähe entstanden." Andererseits habe es Paare gegeben, die schon vor der Pandemie zu ihm gekommen seien und dann durch Corona eine neue Nähe entwickelt hätten. "Sie haben von der Ausnahmesituation profitiert", sagt Böttger, der seit über 20 Jahren das Institut für Paartherapie in Frankfurt leitet.

"Die Lebenszeit hat sich nach hinten verlängert", sagt der Bielefelder Paartherapeut Detlef Vetter. Somit stelle sich die Frage: Will ich mit meinem Partner oder meiner Partnerin auch noch 20 Jahre nach der Rente zusammenleben? Seine Praxis würden auch zunehmend ältere Menschen aufsuchen. Sein Kollege Böttger ergänzt: Heutzutage hätten mehr Paare den Mut, sich später trennen. Früher seien viele auch aus wirtschaftlichen Gründen zusammengeblieben.

119.000 Minderjährige betroffen

Der Statistik zufolge endet in vielen Fällen nicht nur die Ehe, sondern es werden auch Familien entzweit: Etwa die Hälfte der Paare hatte noch nicht erwachsende Kinder. Insgesamt waren etwa 119.00 Minderjährige betroffen.

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Unter den geschiedenen Ehen gab es 2020 auch etwa 900 gleichgeschlechtliche Paare. Ein Jahr zuvor waren es nur 100 gewesen. Die "Ehe für alle" war im Herbst 2017 eingeführt worden.

Dass die Zahl der Scheidungen seit Jahren - mit kleiner Ausnahme - stetig zurückgeht, ist für Therapeut Böttger "erstmal eine gute Nachricht". Diese Entwicklung hänge auch damit zusammen, dass sich immer mehr Paare professionelle Hilfe suchten. "Die Paartherapie ist hoffähig geworden."

Von dpa