Trotz Corona und Krieg: „Man muss sich auch was Gutes tun“

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Entspannung garantiert: Raus in die Natur zu gehen, tut Menschen in jedem Alter gut. Psychotherapeutin Heike Winter rät außerdem, alte Kontakte wieder zu beleben und Freunde zu treffen. Foto: David Pereiras - stock.adobe

Warum man sich gerade jetzt mal wieder um sich selbst kümmern sollte – und was dabei besonders hilft, erklärt Psychotherapeutin Dr. Heike Winter.

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WIESBADEN. Erst die Corona-Pandemie, nun der Ukraine-Krieg – ist das eigentlich die richtige Zeit, um sich selbst mal etwas zu gönnen? Dr. Heike Winter, Präsidentin der hessischen Psychotherapeuten-Kammer, erklärt, warum man in solchen Zeiten sogar besonders auf sich achten sollte.

Frau Winter, was kann man sich trotz Pandemie und Ukraine-Krieg endlich mal wieder Gutes tun? Man kann nicht nur, sondern man muss sich auch tatsächlich etwas Gutes tun – und das eigentlich schon die ganze Zeit. Weil die Belastung, die Bedrohung, die wir haben, doch enorm hoch ist. Sowie der Stress und die Ängste, die damit einhergehen. In solchen Phasen muss man besonders auf sich achten. Bei vielen von uns ist es in der letzten Zeit ein bisschen zu kurz gekommen, sich gut um sich zu kümmern. Das passiert häufig in Krisenzeiten – vor allem bei Frauen –, dass wir zuerst an die anderen denken, und dann für uns selbst nicht mehr viel bleibt. Das geht auch eine Weile so, hat aber seine Grenzen. Auf Phasen der Anspannung sollten immer Phasen der Entspannung folgen, weil man sonst in einen Dauerstress kommt, der sehr auslaugt und schnell gereizt macht.

Muss ich nicht ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich in so angespannten Zeiten um mich selbst kümmere? Auf keinen Fall. Das wäre so, als wenn Sie ein schlechtes Gewissen hätten, weil Sie schlafen oder was essen. Das gehört zu den Grundbedürfnissen. Im Gegenteil: Wer beim Spazieren im Park ein schlechtes Gewissen hat, stresst sich in dem Moment ja nur wieder. Unser Körper braucht einfach den Wechsel von Anspannung und Entspannung. Ist man nur angespannt, wird man krank – körperlich und psychisch. Das sind dann die stressbedingten Erkrankungen wie Herz- und Kreislauferkrankungen. Oder psychisch: Depressionen und Burnout. Entspannt man nur noch, ist das aber auch schädlich, weil man seine Ziele nicht erreicht und Erfolgserlebnisse fehlen, auf die man stolz sein kann.

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Wie kann man im Alltag – ganz einfach – entspannen? Die längste Entspannungsphase ist der Schlaf. Meist schlafen wir zu wenig. Sieben Stunden sollten es schon sein. Das erreichen aber viele nicht und liegen bei sechs Stunden Schlaf unter der Woche. Das merkt man dann körperlich, aber auch geistig, etwa bei der Merkfähigkeit. Mir etwas Gutes tun würde daher bedeuten: Mal früher ins Bett gehen. Aber auch zwischendurch braucht man im Laufe des Tages immer wieder Pausen, etwa alle 90 Minuten. Auch bei der Hausarbeit übrigens. Darüber hinaus gibt es schöne Dinge, über die man sich richtig freuen kann. Und so etwas muss man planen.

Was könnten solche schönen Dinge sein? Wir wissen von ein paar Sachen, die immer gut sind: Bewegung zum Beispiel und da reicht Spazierengehen. Also raus – und wenn ich irgendwie kann, dann raus ins Grüne. Also in den Park, in den Wald oder aufs Feld. Soziale Kontakte sind ebenfalls wichtig oder leckeres, gesundes Essen sowie Entspannungstechniken wie Meditation, Achtsamkeit oder Yoga.

Auch Kinder und Jugendliche bekommen die veränderten Zeiten mit Pandemie und Krieg zu spüren. Was sollte man denen jetzt gönnen? Bewegung, Freunde treffen, genug schlafen – was ich vorhin schon gesagt habe. Und vor allem: Rausgehen, also raus aus dem Kinderzimmer und wieder andere Kinder und Jugendliche treffen. Das ist manchmal ganz schön schwierig, weil während der Pandemie auch Freundschaften zerbrochen und Kontakte völlig eingeschlafen sind. Das wäre daher ein wichtiger Punkt: Als Eltern solche Kontakte wieder aktiv zu fördern, jemanden zu sich einzuladen oder Orte aufzusuchen, wo man andere trifft. Man kann dabei entweder versuchen, an die alten Hobbys anzuknüpfen, oder schauen, was es Neues gibt.

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Müssen wir Leichtigkeit und Freude tatsächlich erst wieder lernen? Ich glaube, manche haben das gar nicht ganz verloren. Andere tatsächlich schon, weil sie sich stark zurückgezogen haben. Und wir brauchen für die Freude andere Menschen, meistens zumindest. Die Rückkehr in die Normalität und die Beendigung des Rückzugs sind wichtige Faktoren für Leichtigkeit und das fällt nicht allen so leicht. Vor allem bei den Älteren, die sich aus Angst vor Ansteckung noch nicht raustrauen, und bei den Kindern und Jugendlichen, wo Beziehungen oft völlig abgebrochen sind. Und das wieder aufzubauen braucht ein bisschen Zeit und Mut wieder rauszugehen.