Sturmflut und Tote durch Orkantief "Zeynep"

Ein Baum liegt auf dem Gehweg an der Warschauer Straße. Sturmtief Zeynep fegte nachts bei Berlin.  Foto: dpa

Das Orkantief wütet über Europa. Deutschland und andere Länder melden mehrere Todesopfer. In der Region bleibt es verhältnismäßig ruhig. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

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REGION. Vor allem in der nördlichen Hälfte Deutschlands ist die Nacht auf Samstag stürmisch. Die Feuerwehren rücken zu vielen Einsätzen aus - und mindestens zwei Menschen sterben. Ein Autofahrer kracht mit seinem Wagen gegen einen umgestürzten Baum und wird tödlich verletzt, ein Mann stürzt bei Reparaturarbeiten vom Dach und stirbt. In Europa werden insgesamt mindestens neun Tote gemeldet. Hamburg erlebt am Morgen erstmals seit Jahren eine sehr schwere Sturmflut.

Die Entwicklungen lesen Sie hier im Liveblog:

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Umgestürzte Bäume, umherfliegende Baustellenschilder, abgedeckte Häuser und Stromausfälle: Das Orkantief „Zeynep“ hat auch in Rheinland-Pfalz und Hessen die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr beschäftigt.

Samstag, 19. Februar

Die Lage in Rheinland-Pfalz

(kss). Im Vergleich zu Norddeutschland ist die Region Rheinhessen und Nahe vom Sturmtief „Zeynep“ weitgehend verschont geblieben, wie Polizei und Feuerwehr mitteilen. Im gesamten Dienstgebiet des Polizeipräsidiums Mainz entstand durch den Orkan ein Sachschaden von 12.000 Euro, verletzt wurde niemand. Zum Dienstgebiet des Polizeipräsidiums Mainz zählen die Stadtgebiete Mainz, Bad Kreuznach und Worms, sowie die Landkreise Alzey-Worms, Mainz-Bingen, Teile des Donnersbergkreises und des Landkreises Birkenfeld.

Die Feuerwehrleitstelle Mainz löste am Freitagabend für rund zwei Stunden Unwetteralarm aus, es gab eine Vielzahl von Anfragen wegen herabgefallener Äste, umgestürzter Bäume und loser Dachteile. Für Samstag erwartet die Feuerwehr noch einige sturmbedingte „Nacharbeiten“. Am Morgen fiel zudem ein Baum auf drei parkende Autos in der Agrippastraße.

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Am Abend und in der Nacht kam es im Stadtgebiet Mainz zu 17 Einsätzen, für den Landkreis Mainz-Bingen waren es 26, für Alzey-Worms 16. „Durch das seit Jahren etablierte und vielfach erprobte Unwetterkonzept konnte die Lage problemlos abgearbeitet werden“, hieß es aus der Mainzer Feuerwehrleitstelle. Die Feuerwehr beobachte weiter die Lage.

Die Feuerwehr Bad Kreuznach musste drei größere Bäume zersägen und von Fahrbahnen entfernen, auf die der Orkan sie geweht hatte. Kurz vor 20 Uhr musste eine Lampe am Busdepot in der Ringstraße gesichert werden, die durch den Sturm abgerissen war.

Die Feuerwehr Bad Kreuznach beim Sturmeinsatz.  Foto: FFW
Die Feuerwehr Bad Kreuznach beim Sturmeinsatz. (© FFW)

Sprecher der Polizeiinspektionen Alzey und Worms berichteten von einer verhältnismäßig ruhigen Nacht, und auch in Oppenheim mussten die Beamten nur dreimal ausrücken, zu umgewehten Schildern und Bauzäunen. „In Bodenheim fiel ein Zaun auf einen Pkw, es gab geringen Sachschaden, verletzt wurde niemand“, sagte ein Sprecher. „Es war ruhiger als gedacht“, bestätigte ein Beamter der Binger Polizei, in Ingelheim war es ebenfalls ein umgestürzter Bauzaun, der die Polizisten beschäftigte.

Die Lage in Hessen

(tb). 14 Einsätze verzeichnete die Feuerwehr in der Nacht von Freitag auf Samstag wegen des Orkantiefs Zynep im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Es blieb bei kleineren Schäden. Nur in Mühltal wurden von zwei nebeneinander stehenden Einfamilienhäusern die Dächer zum Teil abgedeckt und Fenster eingedrückt, wie Kreisbrandinspektor Heiko Schecker auf Anfrage erklärt. Die Feuerwehren aus Nieder-Ramstadt und Ober-Ramstadt waren im Einsatz und ebenso das Technische Hilfswerk (THW). Diese THW-Kräfte sicherten das Dach mit Folie und Brettern wieder so weit ab, dass der Schaden sich nicht vergrößern konnte und die Dächer wieder einigermaßen dicht waren. Dazu wurde vor Ort eine kleine Werkstatt auf der Straße eingerichtet. Auch die Fenster wurden laut Schecker wieder abgesichert mit Folie. Die restlichen Sturmschäden waren umgefallene Bauzäune und umgekippte Bäume, die alleine zehn der 14 Feuerwehreinsätze ausmachten. Es handelte sich aber vor allem um kleinere Bäume. Und das auch vor allem im Westen des Kreises, wie Schecker erklärt: „Im Osten ist fast nichts angekommen, der Sturm kam ja auch von Westen.“

Das THW sicherte die abgedeckten Häuser in Mühltal ab. Es blieb bei kleineren Schäden von Freitag auf Samstag.  Foto: 5vision.media
Das THW sicherte die abgedeckten Häuser in Mühltal ab. Es blieb bei kleineren Schäden von Freitag auf Samstag. (© 5vision.media)

Er bewertete die Nacht als „ruhig“, wobei die meisten Vorfälle sich schon am Freitagabend ereigneten, in der Nacht war der Wind schon abgeflaut. Somit sind die zwei Sturmnächte im Landkreis glimpflich verlaufen. Und zumindest in Sachen Wind dürfte jetzt keine Gefahr mehr drohen, so Schecker: „Ich denke, bei uns wird nichts mehr ankommen.“ Dafür könnte aber Hochwasser wieder ein Problem werden. Die Hochwasservorhersagezentrale am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) geht davon aus, dass nach vorübergehender Entspannung der Hochwasserlage in Hessen die Wasserstände in weiten Teilen des Landes ab Sonntagnachmittag erneut stark ansteigen werden. Das Hochwasser wird laut Vorhersage am Montag seinen Höhepunkt erreichen. Am Samstagvormittag waren alle Pegel in Darmstadt-Dieburg noch im grünen Bereich.

Freitag, 18. Februar

Am späten Freitagnachmittag rückten auch Feuerwehr und Polizei in Mainz aus. Die Feuerwehrleitstelle löste Unwetteralarm aus. Kollegen, die eigentlich frei hatten, sprangen ein und halfen mit, die Vielzahl der Meldungen abzuarbeiten. Bis 18.30 hatte die Feuerwehr rund 40 unwetterbedingte Einsätze in der Stadt Mainz sowie im übrigen Rheinhessen zu bewältigen. Über Personenschäden ist bisher nichts bekannt.

Gegen 17.30 Uhr wurden die Einsatzkräfte zur Ecke Wallau-/Kurfürstenstraße gerufen, wo sich Ziegel auf einem Dach gelöst hatten. In der Goethestraße musste die Feuerwehr einen großen Baum, den der Sturm gefällt hatte, zersägen. In der Rheinhessenstraße wurden Verkehrsschilder aus der Verankerung gerissen und flogen umher. Auch in anderen Mainzer Stadtteilen brachen Äste ab und kippten Bäume um. In Ebersheim fiel ein Schornstein vom Dach. Die Heizung des Gebäudes konnte über die Notabschaltung abgedreht werden. Lose Ziegel wurden von einer Drehleiter aus entfernt. Im Einsatz waren bislang neben der Berufsfeuerwehr die Freiwilligen Feuerwehren Ebersheim und Mombach. Die Wehren Bretzenheim, Marienborn und Innenstadt verstärken die Wachen der Berufsfeuerwehr. Die Mainzer Feuerwehr rechnet noch bis Mitternacht mit starken Windböen.

Seit kurz nach 19 Uhr ist die Suderstraße in Mombach wegen eines Feuerwehreinsatzes voll gesperrt. Busse werden über die Haupt- und die Kreuzstraße umgeleitet.

In der Goethestraße in der Mainzer Neustadt zersägen Feuerwehrleute einen großen Baum, den das Orkantief gefällt hat.  Foto: Angelika Berg
In der Goethestraße in der Mainzer Neustadt zersägen Feuerwehrleute einen großen Baum, den das Orkantief gefällt hat. (© Angelika Berg)

Im Landkreis Ahrweiler wurden ein Traktorfahrer (72) und seine Beifahrerin (37) auf der Bundesstraße 267 bei Dernau leicht verletzt, als durch Sturmböen ein zunächst unbekannter Gegenstand gegen die Frontscheibe schlug. Das berichtete die Polizeiinspektion Bad Neuenahr-Ahrweiler. Für das Dienstgebiet des Polizeipräsidiums Trier sagte ein Sprecher, es seien "jede Menge Bäume" umgestürzt. In der Eifel fiel bei Daun ein Baum auf das Auto eines Mannes, der 57 Jahre alte Fahrer blieb unverletzt.

Sturm „Zeynep“ hat am Freitagabend auch im Rheingau gewütet. Ein umgefallener Baum blockierte für eine halbe Stunde, von 17.15 bis 17.45 Uhr, die B42, wie die Polizei Rüdesheim gegen 18.15 Uhr mitteilte. Die Feuerwehr habe den Baum beiseite geräumt. Verletzte waren nicht zu beklagen. Außerdem blies der Orkan viele Schilder, beispielsweise Baustellentafeln, um. Die Polizei Eltville berichtete ebenfalls gegen 18.15 Uhr von sehr vielen umgefallen Bäumen. Dadurch war die Landesstraße Kiedrich – Hausen für etwa zehn Minuten nicht befahrbar. Verletzte gab es nicht.

Wegen des Orkantiefs Zeynep musste die Wiesbadener Feuerwehr am Freitag zu mehreren Einsätzen ausrücken. In 21 Fällen wurde die Feuerwehr wegen umgestürzter Bäume gerufen. Bäume, die eine Gefahr darstellten, wurden von den Einsatzkräften mit Kettensägen entfernt. Drei Mal wurde die Feuerwehr wegen loser Dachteile und abgedeckter Dächer alarmiert. Nach der Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes werden für das Stadtgebiet Wiesbaden bis in die Nacht zum Sonntag schwere Sturmböen erwartet. Auch nach Abklingen des Sturms kann es noch zu Astbrüchen oder Baumumstürzen kommen. Vor diesem Hintergrund hat das Grünflächenamt die Friedhöfe über das Wochenende geschlossen.

In Darmstadt kam es bis 22 Uhr zu 13 wetterbedingten Einsätzen, berichtet die Feuerwehr am Abend. In Eberstadt musste ein Baum mit Hilfe der Drehleiter abgesetzt werden. In der Kastanienallee fiel ein Baum auf drei geparkte Fahrzeuge. Sieben weitere Bäume blockierten im Stadtgebiet Straßen oder Gehwege - diese wurden durch die Feuerwehr entfernt. In der Seeheimer Straße wurden zehn Quadratmeter eines Daches abgedeckt. Durch die Einsatzkräfte wurde eine Notbedachung aufgebracht. Im Bereich der Einsatzstelle musste der Straßenbahnverkehr eingestellt werden. In einem Haus musste Wasser aus einem Keller gepumpt werden. Ein loses Banner wurde gesichert und ein Dach aufgrund herabfallender Betonteile kontrolliert.

Am Frankfurter Flughafen wurden rund 50 ankommende Flüge gestrichen. Dies waren fast ausschließlich Flüge aus Regionen, in denen der Wind bereits am Freitagmittag kräftig blies. Deutschlands größter Flughafen bereitete sich nach Angaben des Betreibers Fraport zudem auf mögliche Umleitungen von Flügen nach Frankfurt vor. Die Stadt Frankfurt riet von Spaziergängen in Parks und im Stadtwald ab. Dort sei mit Astbrüchen oder Baumstürzen zu rechnen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden schloss bis Montag Friedhöfe für Besucher.

Bei zwei Autounfällen wegen umgestürzter Bäume wurden im Lahn-Dill-Kreis vier Menschen verletzt. Das teilte eine Sprecherin des Kreisausschusses mit. Der erste Unfall ereignete sich demnach bei Braunfels. Hier habe die Feuerwehr die beiden eingeschlossenen Fahrzeuginsassen befreien müssen. Ein weiterer Baum sei zwischen Hüttenberg-Weidenhausen und Wetzlar auf einen Wagen gestürzt. Auch hier wurden demnach zwei Menschen im Auto eingeschlossen.

Schwerpunkt der neuen Sturm- beziehungsweise sogar Orkanlage sei bis Samstagfrüh die Nordhälfte Deutschlands, sagten die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) voraus. Betroffen seien Teile von Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Sachsen. Auch Großbritannien, die Niederlande und Frankreich bereiten sich vor.

Um Schäden und Unfälle zu vermeiden, sollten Bürgerinnen und Bürger auch zu Hause Vorbereitungen treffen. "Alles, was auf der Terrasse ist, was nicht niet- und nagelfest ist, am besten reinholen, in die Garage stellen", sagte Christopher Rehnert, Leiter der Feuerwehr Lüdenscheid, am Freitagmorgen im ARD-"Morgenmagazin". Blumenkästen oder andere Gegenstände sollten von Balkonen entfernt werden.

"Sturmfrei" - Unterricht fällt aus

Auch der Schulunterricht wurde am Freitag mancherorts von der Sturmlage beeinträchtigt oder fiel komplett aus. So teilte der Landkreis Goslar in Niedersachsen mit, dass die Schüler und Schülerinnen nicht überall befördert werden könnten. Deshalb wurde dort der Präsenzunterricht in allen allgemein- und berufsbildenden Schulen abgesagt. Aus Hamburg hieß es, Sorgeberechtigte könnten selbstständig entscheiden, ob ihr Kind zu Hause bleibe. Im Regierungsbezirk Arnsberg in NRW sollte ab Mittag die Schule ausfallen. In Bochum wurden Eltern aufgefordert, ihre Kinder früher abzuholen.

Die Deutsche Bahn riet Fahrgästen, ihre für den späten Freitagnachmittag geplanten Reisen möglichst vorzuziehen. "Es ist ab den Nachmittagsstunden mit erheblichen Beeinträchtigungen des Bahnbetriebs zu rechnen", teilte das Unternehmen in Berlin mit. Fern- und Regionalverkehr sollten am Freitag in Norddeutschland und Teilen Nordrhein-Westfalens nach und nach eingestellt werden. Der Schutz der Reisenden und der Beschäftigten habe Vorrang, hieß es.

Wind bis zu 160 Kilometer schnell

Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben. Bahnreisende erhalten Informationen über die kostenlose Hotline 08000-996633 sowie online auf bahn.de. Die Bahn hat Kulanzregelungen im Fernverkehr angekündigt.

Der für die Nacht zu Samstag vorhergesagte Orkan erreicht nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gegen Mitternacht die Nordseeküste. Dort werden demnach Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern erwartet. In der zweiten Nachthälfte trifft "Zeynep" auf die Ostseeküste und lässt dann allmählich nach. "Damit ist die Unwettergefahr erst einmal gebannt", sagte ein DWD-Meteorologe am Freitag in Offenbach. Trotzdem bleibt es laut DWD mindestens bis zum Montag in Deutschland stürmisch. "Es kehrt einfach keine Ruhe ein", sagte der Meteorologe.

Für die deutsche Nordseeküste wurde für Freitag vor Sturmflutgefahr gewarnt. Sturmfluten an sich seien durchaus normal, in der Häufigkeit wie im Moment jedoch ungewöhnlich, hatte ein Sprecher des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gesagt. An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen. Am frühen Freitagmorgen wurde erneut der Fischmarkt in Hamburg-Altona überspült.

Während des Orkantiefs "Ylenia" waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.

Von unseren Reportern und dpa