Immer mehr Nichtschwimmer in Hessen: Immer weniger Kinder lernen den Sport in der Schule
Nach DLRG-Angaben sind nur vier von zehn Kindern nach dem Verlassen der Grundschule sichere Schwimmer. Das kann gerade in heißen Sommern wie diesen zu einer tödlichen Gefahr werden.
Von Christian Stang
Reporter Politikredaktion Wiesbaden
Foto: dpa
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WIESBADEN - In diesem Rekordsommer, der gerade kurz pausiert hat, sind bei Temperaturen jenseits der 30 Grad Schwimmbäder, Badeseen und auch fließende Gewässer gesuchte Orte für eine Abkühlung. Das ist nur zu verständlich. Für die Statistik über Todesfälle durch Ertrinken lässt die Hitzewelle allerdings nichts Gutes erwarten, wie erste Zahlen bereits zeigen. 2017 sind in Hessen nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 19 Menschen ertrunken, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als 36 Menschen den Tod fanden. Allerdings, so die DLRG, war dieser deutliche Rückgang in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Sommer im vergangenen Jahr kühl und regnerisch war und daher viele Menschen davon abgehalten hat, zum Schwimmen zu gehen. 2017 hat gewissermaßen der Wettergott den organisierten Lebensrettern in die Karten gespielt. Für 2018, so lautet die Befürchtung, ist ein Anstieg der Zahl der Ertrunkenen praktisch programmiert.
Zu den Ursachen hat im vergangenen Jahr eine Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG erschreckende Zahlen zutage gefördert. Danach sind nur vier von zehn Kindern nach dem Verlassen der Grundschule sichere Schwimmer. Als sicherer Schwimmer gilt nach DLRG-Kriterien, wer die Disziplinen des Jugendschwimmabzeichens in Bronze (Freischwimmer) erfüllt, also 200 Meter in 15 Minuten schwimmen kann. Unisono warnen Experten vor dem Irrglauben, mit dem „Seepferdchen“ könnten Kinder als sichere Schwimmer eingestuft werden. Denn es handelt sich lediglich um eine Bescheinigung dafür, dass sich das Kind auf einer Strecke von 25 Metern über Wasser halten kann.
Badeseen sind nichts für ungeübte Schwimmer
Überwiegend sind es aber ältere Menschen, die ertrinken. Seit einigen Jahren findet sich fast die Hälfte der Toten in der Altersgruppe 50 Jahre und älter. Besonders gefährlich sei das Baden in Flüssen, warnt die DLRG. Strömung und Strudel in der Nähe von Brücken könnten zur tödlichen Falle werden. Aber auch Badeseen ohne den rettenden Beckenrand und Bodensicht seien für ungeübte Schwimmer nicht unbedingt zu empfehlen.
FÖRDERPROGRAMME DES LANDES
Die hessische Landesregierung unterstützt Erhalt und Sanierung von Schwimmbädern mit zwei Programmen und Mitteln von insgesamt 100 Millionen Euro. Von 2007 bis 2012 wurden Hallenbäder mit einer Summe von 50 Millionen Euro gefördert. 105 Bäder wurden damals mit durchschnittlich 430 000 Euro bezuschusst. Für 2019 hat das Land ein weiteres Programm zur Förderung von Schwimmstätten aufgelegt. Nochmals 50 Millionen Euro fließen in das Schwimmbad-Investitions- und Modernisierungsprogramm (SWIM) zum Erhalt und zur Sanierung der hessischen Hallen- und Freibäder. 25 Anmeldungen von Schwimmbadbetreibern liegen derzeit vor. Ein Kriterium für die Förderung ist, dass Schulschwimmen oder Schwimmkurse angeboten werden.
Die Abnahme der Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen nennt die DLRG alarmierend. Laut der Umfrage gaben nur 27 Prozent der Eltern an, dass ihre Kinder das Schwimmen in der Schule erlernt hätten. Eine kaum überraschende Erkenntnis, da 20 bis 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang mehr zu einem Bad haben. Der Grund: Immer mehr Kommunen schließen aus Kostengründen ihre Bäder. Nach DLRG-Angaben wurden im Jahr 2016 bundesweit fast 100 Bäder geschlossen, aber nur zwei neu eröffnet.
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Bei den über 60-Jährigen waren es laut der Umfrage noch 56 Prozent, die in der Grundschulzeit Schwimmen gelernt haben, 52 Prozent bei den 45- bis 59-Jährigen und nur noch 49 Prozent bei den 30- bis 44-Jährigen. Erschreckend nennt die DLRG die Zahl bei den jetzt 14- bis 29-Jährigen. Nur noch 36 Prozent lernten das Schwimmen in der Grundschule. Wenn diese Entwicklung anhalte, sei es nur noch eine Frage der Zeit, wann Deutschland zu einem Land der Nichtschwimmer werde, heißt es bei der DLRG.
Dieser Entwicklung versucht Hessen entgegenzusteuern. In den Jahren 2007 bis 2012 wurden Hallenbäder mit einer Summe von 50 Millionen Euro im Rahmen des Hallenbad-Investitionsprogramms (HAI) gefördert. Damit habe das Land nachhaltig in die Infrastruktur der hessischen Schwimmbäder investiert, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage. Seinerzeit seien insgesamt 105 Bäder saniert worden. Im Durchschnitt erhielt damit jedes Projekt etwa 430 000 Euro.
Für das kommende Jahr hat die Landesregierung ein neues Programm zur Förderung von Schwimmbädern aufgelegt. Mit dem 50 Millionen Euro schweren Schwimmbad-Investitions- und Modernisierungsprogramm (SWIM) fördert die Landesregierung den Erhalt und die Modernisierung der hessischen Hallen- und Freibäder. Die Landesregierung unterstreiche mit diesem Programm, dass sie die Bedeutung der Bäder sowohl für den ländlichen Raum als auch für den Schwimmsport würdige und deren Erhalt und Modernisierung gezielt fördere, so der Ministeriumssprecher.
Jährlich Fördermittel von zehn Millionen Euro
Seit Mai dieses Jahres könnten Kommunen, gemeinnützige Vereine und öffentliche Schwimmbadbetreiber eine Förderung beantragen und ihre Maßnahmen planen. Aus dem SWIM mit einer Laufzeit über fünf Jahre stehen jährlich Mittel in Höhe von insgesamt zehn Millionen Euro zur Verfügung. Aktuell seien bereits 25 Anmeldungen von Schwimmbadbetreibern eingereicht worden. „Das reicht vom Schwalm-Eder-Kreis bis zur Bergstraße, von Breuna bis nach Rüdesheim oder von Twistetal bis nach Bebra“, sagte der Sprecher. Für das kommende Jahr rechne das Innenministerium aufgrund der bestehenden Voranfragen noch mit wesentlich mehr Anträgen.
Die Landesregierung nehme mit der Verwirklichung des Bäderprogramms die Anregungen des Landessportbundes Hessen, des hessischen Schwimm-Verbandes, der DLRG und der Kommunen auf. Hessen greife den Kommunen und Vereinen unter die Arme, damit die Menschen in Hessen weiterhin überall schwimmen könnten, heißt es im Innenministerium. „Der Erhalt unserer Bäderlandschaft ist wichtig, damit Kinder schwimmen lernen können und der Schwimmsport in der Fläche ausgeübt werden kann“, so Sportminister Peter Beuth. Besonderes Augenmerk liege bei SWIM auf Maßnahmen, die die Betriebskosten und insbesondere den Energieverbrauch senkten. Ein Kriterium sei auch, dass die Schwimmbäder Schulschwimmen oder Schwimmkurse anbieten.