Physikerin lässt in Darmstadt die Elemente aufeinander los
Die Physikerin Kathrin Göbel spürt im Teilchenbeschleuniger beim GSI Helmholtzzentrum in Darmstadt der Entstehung des Lebens nach.
Von Sabine Schiner
Lokalredakteurin Darmstadt
Kathrin Göbel bei einer Messung für das Sauerstoff-Experiment am "R3B" beim GSI Helmholtzzentrum. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT - Vor kurzem twitterte Kathrin Göbel im Rahmen des "Real Scientists DE"-Projekts eine Woche lang über den Bau eines Detektors auf dem Campus des GSI Helmholtzzentrums in Darmstadt - und erklärte dazu in einem Youtube-Video, ganz schlicht mit Stift auf Papier, worum es bei dem Experiment geht. Komplizierte Sachverhalte so erklären, dass auch Menschen, die selbst keine Astrophysiker sind, sie verstehen - das kann die Wissenschaftlerin ziemlich gut. "Ich will Leute begeistern", sagt Kathrin Göbel. Und fundierte Grundlagen vermitteln - gegen Fake News zum Beispiel.
Mit den Mint-Fächern hatte sie nie Probleme. Kathrin Göbel hatte Mathe-Leistungskurs belegt, und hatte bis zum Abitur im Jahr 2004 auch Physik und Chemie auf dem Stundenplan. Dann entschied sie sich für ein Maschinenbaustudium an der FH Frankfurt. "Vier von 100 Studenten im Hörsaal waren Frauen", erinnert sie sich. Als Gleichstellungsrätin an der Goethe-Uni in Frankfurt, versucht sie heute, Frauen den Weg in die Naturwissenschaften zu erleichtern. Sie selbst hatte sich nach zwei Semestern Maschinenbau umorientiert. Ein Physikprofessor hatte sie für sein Fach begeistert - daraufhin wechselte sie an die Uni, studierte Kernphysik, optimierte Teilchendetektoren an der GSI in Darmstadt, promovierte in der Arbeitsgruppe Experimentelle Astrophysik.
Auf die Frage, was an ihrer Forschungsarbeit für Laien so interessant ist, sagt Kathrin Göbel im "Real Scientists DE"-Blog: "Wir alle bestehen aus einer Vielzahl von Elementen: Unser Körper enthält etwa 65 Prozent Wasser, also Wasserstoff und Sauerstoff, Kohlenstoff in vielen Verbindungen, etwa im Zucker, sowie zahlreiche Spurenelemente wie Eisen, Iod, Fluor und Zink. Doch wo kommen all diese Elemente her? Unsere Einzelteile waren schon in einigen Dutzend Sternen und haben sich zwischendurch mit den Resten anderer Sterne vermischt, bis aus einer Gas- und Staubwolke unser Sonnensystem und schließlich wir entstanden sind. Aber es gibt noch viele Fragen und mit jedem Experiment verstehen wir mehr Details vom großen Bild." Bei dem Experiment namens "R3B" ("Reactions with relativistic radioactive Beams") an der GSI gehe es darum, herauszufinden, wo die Bausteine des Lebens - Kohlenstoff und Sauerstoff - herkommen. "Es geht um den Heiligen Gral der nuklearen Astrophysik", sagt Kathrin Göbel.
ARBEIT IM LABOR UND AUF DER BÜHNE
Die Frankfurterin Kathrin Göbel ist 33 Jahre alt, sie studierte nach dem Abitur zunächst zwei Semester Maschinenbau, dann Physik. Sie arbeitete bereits während ihres Studiums beim "Hades"-Experiment an der GSI mit. "Hades" steht für High-Acceptance Di-Electron Spectrometer".
Kathrin Göbel forscht seit 2011 auf dem Gebiet der Nuklearen Astrophysik2009 fing sie damit an, wissenschaftliche Themen zu kommunizieren und auch Laien zu vermitteln.
Sie ist unter anderem im Physikalischen Verein in Frankfurt aktiv und versucht als Wissenschaftskommunikatorin bei den "Science Birds" mit Experimenten, Shows und Vorträgen andere für Wissenschaft zu begeistern.
Ihr Traum: Leiterin eines Planetariums zu werden, am liebsten in Frankfurt. Die Pläne für eine solche Einrichtung gibt es in der Mainmetropole seit einigen Jahren: "Ich würde für diesen Job alles stehen und liegen lassen". (ine)
Im Youtube-Video erklärt die Wissenschaftlerin die Reaktion (Kohlenstoff plus Helium ergibt Sauerstoff). Diese Gleichung bestimmt, wie viele Kohlenstoff- und Sauerstoffatome letztlich vorhanden sind: Um Sauerstoffatome herzustellen, könnte das Wissenschaftlerteam am GSI-Beschleuniger Kohlenstoff- auf Heliumatome schießen und dann die Sauerstoffatome im Ausgangskanal messen. "Aber das ist schwierig, weil diese Reaktionswahrscheinlichkeit sehr, sehr klein ist. An den GSI-Beschleunigern lässt sich das nicht messen", erklärt Kathrin Göbel. Möglich sei dies etwa in den unterirdischen Versuchslaboren im italienischen Gran Sasso: Dort sind die Beschleunigeranlagen durch eine 1400 Meter dicke Felsschicht von der störenden kosmischen Höhenstrahlung abgeschirmt. Doch auch dort würde eine solche Messung lange dauern. "Wir wollen es hier mal andersherum versuchen", sagt die Wissenschaftlerin. Und zwar, indem Sauerstoff in Kohlenstoff und Helium aufgebrochen wird. Die GSI stellt dazu die Beschleunigeranlage und liefert den Sauerstoffstrahl. Der wird, in hohen Intensitäten, auf ein Target geschossen, die Atome werden aufgebrochen, mehrere Detektoren sollen die freigesetzten Kohlenstoff- und Heliumatome nachweisen.
Was die Arbeit im Beschleunigerlabor mit Sternen und dem Universum zu tun hat? Auch in Sternen sind Kohlenstoff, Sauerstoff und Helium vorhanden. Dort fusionieren beispielsweise die leichten Atomkerne und gewinnen daraus Energie. Die Sonne leuchtet, weil dort Wasserstoff fusioniert. Und Sterne, die schon älter sind, können auch Sauerstoff bauen.
"Wenn wir diese Phase in den Sternen verstehen wollen, dann müssen wir Kern- und Astrophysik kombinieren, im Labor experimentieren, Computersimulationen machen und schauen, welcher Stern wie viel von welchem Element produziert, und ob das alles so passt", erklärt die Wissenschaftlerin. Denn wenn man die Wahrscheinlichkeiten weiß, kann man Rückschlüsse ziehen, wie die Bausteine des Lebens entstanden sind.