Rekord in Ober-Ramstadt: 20 000 Autogramme von...

Rund um die Olympischen Winterspiele hat sich Christian Brücher zwei Wochen Urlaub genommen, um Autogramme von allen neuen Medaillengewinnern zu ergattern. Foto: Guido Schiek  Foto: Guido Schiek

Wenn am Sonntag die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang enden, geht für Christian Brücher aus dem südhessischen Ober-Ramstadt die Arbeit erst so richtig...

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. Wenn am Sonntag die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang enden, geht für Christian Brücher aus dem südhessischen Ober-Ramstadt die Arbeit erst so richtig los. Denn der 41-Jährige ist Autogrammsammler – und hat sich auf Olympia-Medaillengewinner spezialisiert.

Zu Beginn der Spiele umfasste seine Sammlung 16 106 Sportler aus aller Welt. „Da ich von einigen auch mehrere Autogramme habe, komme ich grob geschätzt wohl auf weit über 20 000 Unterschriften“, sagt Brücher. Von den deutschen Athleten fehlen ihm lediglich neun Sommer-Sportler, die Riege der winterlichen Medaillengewinner aus Deutschland – Ost und West – ist komplett.

Brüchers Sammlung beginnt mit den Spielen von 1948 in St. Moritz (Winter) und London (Sommer), „ältester“ Olympionike in seiner Sammlung ist der schwedische Schütze Jonas Jonsson (1903 bis 1996/Bronze 1948 in London). Besonders stolz ist er auf Legenden wie den US-Rekordweitspringer Bob Beamon oder den Äthiopier Abebe Bikila, der 1960 die Marathonstrecke in Weltrekordzeit lief – barfuß.

Bundesweit sammeln etwa 10 000 Menschen Unterschriften von Prominenten, schätzt Christian Bach, Vorsitzender des Clubs deutscher Autogrammsammler (CdA). „Wenn man jeden, der mal eine Autogrammkarte von Roland Kaiser, Boris Becker und Co eingesammelt hat, mitzählt, dürften es mehr als 20 000 sein“.

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Extra zwei Wochen Urlaub für die Wettkämpfe

Nicht alle bewahren die Autogramme so sorgfältig auf wie Brücher: Seine alphabetisch geordnete Sammlung lagert in mehr als 80 Ordnern im Regal, darüber prangt die Flagge mit den fünf Olympischen Ringen. Nun soll sein Schatz wieder Zuwachs bekommen: In Südkorea werden 98 Wettbewerbe in sieben Sportarten und 15 Disziplinen ausgetragen und demnach mindestens 294 Medaillen vergeben. Die Zahl der Gewinner ist viel höher, da sich in den Staffeln und Mannschaftswettbewerben mehrere Sportler über Edelmetall freuen. Und sie alle fallen ins Beuteschema des Sammlers. Einzig „Wiederholungstäter“ wie die Rodlerin Natalie Geisenberger oder der Nordische Kombinierer Eric Frenzel erleichtern Brücher die Arbeit. Denn: „Wer bei vorangegangenen Spielen schon mal eine Medaille geholt hat, muss nicht mehr kontaktiert werden.“

So oder so ist der Aufwand immens. Brücher hat extra zwei Wochen „Olympia-Urlaub“ genommen, um die Wettbewerbe im Fernsehen zu verfolgen und sogleich die ersten Briefe einzutüten. Die Musterschreiben hat der Diplom-Geograph, der in der Darmstädter Deutschland-Zentrale eines internationalen Ingenieurbüros tätig ist, in mehreren Sprachen auf seinem PC gespeichert. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Briefmarken-Bögen aus aller Herren Länder. Überhaupt geht Brücher seinem Hobby pragmatisch nach. „Vieles läuft heute über die Verbände oder PR-Agenturen. Manchmal kommt es mir schon eher wie eine Pflichtaufgabe vor, die aktuellen Medaillengewinner zu kontaktieren“, sagt der gebürtige Darmstädter.

Spannender sei es, in den olympischen Annalen zu stöbern und Autogramme von Helden der Vergangenheit zu ergattern. Und schwerer, da viele „Zielobjekte“ bereits gestorben sind. Gute Quellen sind Tauschbörsen wie sie der CdA zweimal im Jahr in Berlin und im hessischen Herborn ausrichtet oder aber das Internet. Wie nützlich die sozialen Medien dabei sein können, erlebte Brücher im Dezember. Zufälligerweise bekam er auf Facebook mit, dass die ehemalige rumänische Ruderin Herta Anitasș (Silber und Bronze 1988 in Seoul) just zu diesem Zeitpunkt in Darmstadt weilte. Mit einem Klick war die „Freundschaftsanfrage“ versendet, schon kurz darauf folgte der persönliche Kontakt, der in einer privaten Autogrammstunde in einem Darmstädter Café gipfelte.

Derartige Treffen gelten in Sammlerkreisen als das Nonplusultra, sagt der CdA-Vorsitzende Christian Bach. „Nur bei einem persönlich geholten Autogramm kann man sich hundertprozentig sicher sein, dass es echt ist. Bei Autogrammen auf dem Postweg bleibt leider ein ,Geschmäckle‘ in Bezug auf mögliche Drucke oder Sekretärs-Unterschriften“, so Bach. Es gebe nichts Schöneres als „in Person“ zu sammeln. „Dort kann man auch kurz mit dem Prominenten sprechen und gegebenenfalls noch ein gemeinsames Foto machen.“ Bei Brücher sind Treffen mit den „Objekten der Begierde“ allerdings eher die Seltenheit. „Ich bin schon des Öfteren von Sportlern eingeladen worden, doch einfach mal bei ihnen vorbeizuschauen, wenn ich zufällig in den USA oder sonst wo sein sollte. Geklappt hat das aber aus den verschiedensten Gründen noch nie.“ Ohnehin findet er: „Ich bin Autogrammsammler und kein Autogrammjäger. Ich muss keinem hinterherrennen. Egal, ob bei Olympischen Spielen oder sonstigen Ereignissen.“

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So schreibt der Südhesse lieber seine Briefe und freut sich über jede positive Rückmeldung. Und auch die bieten Stoff für so manches abendfüllende Gespräch. „Zweimal habe ich ein Antwortschreiben bekommen, in dem mich die Sportler fragten, ob ich ihnen als Gegenleistung für ein Autogramm nicht ein paar deutsche Briefmarken schicken könnte. Sie sind bekennende Briefmarken-Sammler.“

Niederländer signieren besonders kunstvoll

Auch diese Briefe hat Brücher feinsäuberlich abgeheftet. Viele sind handschriftlich verfasst. Apropos Schrift: Sie ist für einen Autogrammsammler das Salz in der Suppe. Brücher: „Viktoria Rebensburg hat in jungen Jahren beispielsweise ein kindliches ,Vicky‘ auf die Karten gemalt. So etwas lässt ein Sammler eigentlich nur bei brasilianischen Fußballern mit Künstlernamen durchgehen.“ Außerdem ist ihm aufgefallen, dass „Autogramme von Niederländern schon fast Kunstwerke sind, während sich fast alle Kanadier oder US-Amerikaner bemühen, ihren Namen leserlich zu schreiben.“

Wann Brücher alle Gewinner 2018 zusammen hat, weiß er nicht. „Ich hoffe, dass ich vier bis sechs Wochen nach Ende der Spiele alle Anfragen mit den dazugehörigen Fotos – bestenfalls eines mit Medaille und eines in Aktion – und den frankierten Rückumschlägen verschickt habe. Wie lange es dann dauert, bis die Sportler antworten, ist schwer zu sagen.“ Eines steht aber jetzt schon fest: Für die Zeit vom 24. Juli bis 9. August 2020 wird Brücher wieder Urlaub beantragen. Dann werden in Tokio die Sommerspiele ausgetragen.