Berufstätige Mütter üben sich ständig im Spagat. Viele berichten zwar von Überforderung im Alltag. Nachteile im Beruf verschweigen sie aber oft – aus Angst vorm Arbeitgeber.
Von Carola Stadtmüller
Für viele Mütter wird eine Teilzeitbeschäftigung zur Karrierefalle.
(Foto: jesadaphorn – stock.adobe)
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Die bayerische Kabarettistin Martina Schwarzmann ist Mutter von drei Kindern, das älteste ist acht Jahre alt. „Ich bin seit acht Jahren müde“, sagt sie.
So geht es den meisten Müttern, die im Beruf gerne und viel arbeiten, ihre Kinder trotzdem sehr gerne wachsen sehen möchten und einen Partner haben, mit dem sie mehr als Terminpläne besprechen wollen. Diese Mütter sind in der Mehrheit. Im Jahr 2017 arbeiteten mehr als zwei Drittel der beschäftigten Mütter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit. Sie machen das, weil sie es wollen oder weil sie es müssen. Auch das hat sehr viele Gründe, die bereits genannten gehören dazu. Ein weiterer ist, dass Frauen gelernt haben, dass Ehemänner keine Altersvorsorge sind.
Darüber, dass Frauen in Teilzeit arbeiten wollen, mokieren sich erstaunlicherweise alle: Mütter, die Vollzeit arbeiten; Mütter, die ganz zu Hause bleiben; Väter, die Vollzeit arbeiten und es lieber sehen würden, wenn ihre Frauen daheim blieben; Vorgesetzte, die Mütter in Teilzeit beschäftigen. Es allen recht zu machen, ist schwierig, es keinem recht machen zu können, macht krank. Zu Recht heißt dieser Zustand: Teilzeitfalle.
Was auch zu dieser Falle gehört, ist, dass man nicht ohne Weiteres wieder Vollzeit arbeiten kann. Auch wenn die Bundesregierung am 1. Januar 2019 das Gesetz zur Brückenteilzeit einführen will, das Arbeitnehmern ermöglicht, befristet in Teilzeit zu gehen. Zwei Dritteln der berufstätigen Frauen nutzt das Gesetz allerdings nichts, weil sie in Betrieben unter 45 Mitarbeitern arbeiten, und die müssen das Gesetz nicht umsetzen. Ein anderer Punkt: Schon zum Beginn der Teilzeit muss festgelegt werden, ab wann man wieder Vollzeit arbeiten will. Das als realitätsfern zu bezeichnen, ist nett ausgedrückt.
BRÜCKENTEILZEIT
Das neue Gesetz zur Brückenteilzeit, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt, soll es Arbeitnehmern erleichtern, zeitlich befristet in Teilzeit zu gehen. Sie können, sofern sie länger als sechs Monate im Unternehmen arbeiten, zwischen einem und fünf Jahren in Teilzeit gehen. Das Gesetz greift aber nur, wenn die Firma in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt.
Auch sieht der Gesetzentwurf eine besondere Zumutbarkeitsgrenze für Betriebe mit 46 bis 200 Arbeitnehmern vor. Hier muss der Arbeitgeber nur einem von 15 Arbeitnehmern die temporäre Teilzeit gewähren.
Kritik kommt von Gewerkschaften und Frauenvertretungen: Zwei Dritteln der berufstätigen Müttern nütze das Gesetz nichts, weil sie in Betrieben unter 46 Mitarbeitern beschäftigt sind. Ein weiterer Kritikpunkt: Man muss im Voraus festlegen, wie lange die Teilzeit währen soll.
Arbeitgeber bevorzugen junge Männer
Viele Frauen thematisieren ihren vollgestopften Alltag – im Internet und in Büchern. Aber selten wird öffentlich, was im Job passiert. Das bleibt anonym, weil die Frauen es nicht laut sagen – aus Angst vor Repression oder Scham, es nicht gebacken zu kriegen.
Ein Beispiel: Eine Hochschule in Deutschland hat extra eine Art Verbindungsstelle geschaffen, um hoch qualifizierte Absolventinnen in tolle Jobs zu bringen. Zu hören war aber fast überall von männlichen Chefs, dass sie lieber junge Männer einstellen würden. Die brächten ja auch frischen Wind mit, würden nicht schwanger und fielen deswegen nicht länger aus. Ein Beispiel, das zeigt, dass auch Frauen ohne Kinder und solche, die sich gar keinen Nachwuchs wünschen, beruflich benachteiligt werden.
Oder das, was zwei Betriebsräte einer großen Einrichtung aus dem sozialen Sektor schildern. Sie erzählen von einer Kollegin, einer Lehrerin, mit befristetem Vertrag.
Das kommt im sozialen Bereich häufig vor, es gibt oft ganze Ketten von Fristverträgen. Eigentlich ist eine Befristung nur noch mit Sachgründen möglich - aber wer kontrolliert oder erstreitet das? Diese Frau wurde während des vierten Jahresvertrags schwanger. „Wir haben darauf dem dortigen Bereichsleiter freundlich geschrieben, ob man den Vertrag nicht entfristen könne“, sagt der Betriebsrat. Er hörte vom Chef der Lehrerin: nichts. Nochmaliges Schreiben. Wieder: keine Reaktion. Dann fand das Monatstreffen statt. Man redete über den Fall. Der Bereichsleiter hörte zu, äußerte sich aber nicht. Dann kam eine schriftliche Reaktion: „Die Kollegin passt nicht mehr ins Team.“ Der Vertrag werde nicht verlängert. Der Betriebsrat: „Wir hatten davor mehrere Jahre keine einzige negative Bemerkung über sie vernommen, und plötzlich passt sie nicht mehr ins Team?“
In einem anderen Fall ging es auch um eine Lehrerin, die in einer befristeten Maßnahme in der Flüchtlingsarbeit tätig war. Diese Maßnahme lief aus, die Frau meldete sich daher bei der Schulabteilung im selben Haus, sollte dort eigentlich in der Berufsschule als Klassenlehrerin anfangen. Sie musste aber als Mutter immer um 14 Uhr weg. Das wurde ihr nicht ermöglicht. „Diese Frau schickte uns eine Eigenkündigung“, sagt einer der erfahrenen Betriebsräte.
Nie seien die Frauen offen damit konfrontiert worden, dass sie offenbar durch ihre Kinder zu einem Stör- und Kostenfaktor wurden. Frauen würden das bemerken, aber Frauen meckern weniger, folgert die Betriebsrätin, selbst zweifache Mutter: „Viele Frauen legen mehr Wert auf einen sicheren Job - egal, wie sie behandelt werden. Lieber leise sein, lieber den Alltag komplett umgestalten, damit doch alles funktioniert. Die Chefs merken sich doch, wer stört.“
Natürlich kann ein Betriebsrat eine Mitarbeiterin betreuen und unterstützen, auch im Klagefall. Aber wer das durchstehen will, muss entweder ein sehr dickes Fell oder einen Plan B haben, um eine gute Abfindung für einen Neuanfang zu erstreiten.
Gesellschaftlicher Wandel ist überfällig
Dass Mütter überhaupt in solche Situationen kommen, ist der eigentliche Skandal und nur durch Gesetze nicht zu ändern. Erst wenn Väter ganz selbstverständlich gleichberechtigter und gleich betroffener Elternteil sind, wird sich daran grundsätzlich etwas ändern.
Klar ist auch, dass nicht jede Familie die Aufgaben gleichberechtigt verteilen kann und will, oder in Unternehmen wirklich jeder Posten in Teilzeit besetzt werden kann. Manchmal ist es wichtig, dass der Chef halt jeden Tag acht, neun oder auch mal zehn Stunden da ist. Aber eben nicht immer, nicht überall, und nicht dauernd.
Erst dann ist Teilzeit keine Falle mehr, sondern eine Zeit, in der Eltern mehr Zeit für ihre kleinen Kinder haben und trotzdem weder dem Staat auf der Tasche liegen noch die Firmen, für die sie arbeiten, wahlweise in den Bankrott oder den organisatorischen Wahnsinn stürzen.