Der Frankfurter Architekt Alfred Jacoby hat zahlreiche Synagogen in Deutschland entworfen, darunter die in Darmstadt
Von Neli Mihaylova
Elf Synagogen in Deutschland wurden nach den Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacoby errichtet, darunter die in Darmstadt (oben und Mitte unten). Zwei weitere – in Dessau (rechts) und Baden-Baden (links) – werden in den kommenden Jahren gebaut. Fotos: dpa, Büro Engel & Hähnel, Montage: vrm
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Er war noch ein Junge, eines von drei Kindern in der jüdischen Gemeinde Offenbachs. Mit seinen Eltern ging Alfred Jacoby jede Woche in die Synagoge. Er mochte das düstere, enge Gebäude nicht. Es hat ihn bedrückt. Es fühlte sich nicht richtig an.
Viele Jahre später, Jacoby war inzwischen Architekt, erinnerte er sich immer noch an die dunkle Atmosphäre bei seinem ersten Synagogenbesuch. Gotteshäuser zu bauen ist zu Alfred Jacobys Spezialität geworden. Keiner hat nach dem Zweiten Weltkrieg so viele Synagogen in Deutschland entworfen wie er. Elf Gebäude sind bereits fertig, zwei weitere – in Dessau und Baden-Baden – werden in den kommenden Jahren errichtet. Auch eine Synagoge in Utah, USA, wurde nach seinen Plänen gebaut.
Jacoby wurde 1950 in Offenbach geboren. Seine Familie zog später nach Frankfurt um, wo er aufwuchs. Mit 15 Jahren wechselte er in eine jüdische Schule nach England. Danach studierte er Architektur an der Cambridge University sowie an der ETH Zürich und arbeitete zunächst in Österreich.
Elf Synagogen in Deutschland wurden nach den Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacoby errichtet, darunter die in Darmstadt (oben und Mitte unten). Zwei weitere – in Dessau (rechts) und Baden-Baden (links) – werden in den kommenden Jahren gebaut. Fotos: dpa, Büro Engel & Hähnel, Montage: vrm Foto:
Der Architekt Alfred Jacoby auf der Terrasse seines Büros in der Frankfurter Falkensteiner Straße. Foto: Sascha Kopp Foto: Sascha Kopp
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Der Architekturberuf hat Jacoby fasziniert, vor allem weil er „ein umfassendes Verständnis vom Zusammenleben der Menschen erfordert“. Die erste Synagoge nach seinen Plänen wurde 1988 in Darmstadt errichtet, 50 Jahre nach der Reichspogromnacht. Die Idee dahinter: eine Geste der Wiedergutmachung der Stadt für alle Synagogen in Darmstadt, die zerstört wurden. Ein Leitmotiv eint all seine Sakralbauten: „Sie konzentrieren sich immer auf die Idee, wie man jüdische Kultur ausdrücken kann.“
Im 19. Jahrhundert hatten die Synagogen in Deutschland meist eine Fassade mit Doppeltürmen sowie einer Kuppel in der Mitte, erzählt der Architekt. Vieles sei damals im maurischen oder assyrischen Stil gestaltet worden, „was überhaupt nicht hier ins Land gehörte“.
Das Alte wieder aufzubauen, erschien ihm nicht richtig
Er konnte und wollte keine Synagogen bauen, die sich an diesem alten Stil orientierten. Das Alte, so wie es war, wieder aufzubauen, erschien ihm nicht richtig. Nicht nach der bewussten Zerstörung mehrerer Tausend deutscher Synagogen, nicht nach jenem „erdbebenhaften Katastrophenfall“, dem Holocaust, bei dem versucht wurde, „ein Stück Identität völlig wegzuradieren und auszulöschen“.
Jacoby suchte deswegen nach anderen Symbolen, um die jüdische Identität darzustellen. Die Synagoge in Dessau zum Beispiel wurde von der Form der Thora inspiriert: Das Gebäude erinnert an eine Papierrolle, die ein Schild und eine Krone trägt. Horizontale Linien umfassen den Bau – wie ein Tallit, der jüdische Gebetsschal: „So hat man als Besucher das Gefühl im Raum von einem Gebetsmantel umschlossen zu werden.“
Jacobys Gotteshäuser sind hell und geräumig – durchdrungen vom Licht. Wichtig ist ihm „zusammen mit den Nachbarn“ zu bauen, Bauten zu gestalten, die zur umliegenden Architektur passen. Aber man soll sie trotzdem als jüdische Gotteshäuser erkennen können: „Sie dürfen sich nicht verstecken.“ Die Synagogen sollen das jüdische Leben sichtbar machen.
Denn Juden seien hierzulande immer noch mit Antisemitismus konfrontiert: „Man darf das nicht schönreden. Es passieren immer noch Dinge, die schrecklich sind: Mobbing an Schulen oder das, was dem Rabbiner in Offenbach, Mendel Gurewitz, vor einigen Jahren widerfahren ist, als er von Jugendlichen beleidigt und angegriffen wurde.“ Juden sollen sich gegen solche Angriffe wehren, sich nicht verstecken und offen darüber sprechen, meint der Architekt.
Zusammenleben der Kulturen und Religionen
Seit 1998 ist Jacoby Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Offenbach. Eine Gemeinde, die seit dem Krieg schnell gewachsen ist und heute rund 1000 Mitglieder hat. „Wir haben wie andere Religionen in Deutschland damit zu kämpfen, dass die Menschen die Synagoge nicht so oft besuchen. Aber das Kulturprogramm, das in den jüdischen Gemeindezentren angeboten wird, wird sehr gut angenommen“, erzählt er. Diese Zentren seien ein starker Identifikationspunkt für die Mitglieder, weil man dort „das jüdische Leben in seiner Fülle erleben kann“.
Das Zusammenleben der Kulturen und Religionen funktioniere gut in Offenbach, der Stadt mit einem der höchsten Ausländeranteile Deutschlands. „Hier wird eine sehr gute Integrationsarbeit gemacht“, sagt er. Natürlich gebe es auch Probleme, weil viele Menschen zusammenleben, die aus unterschiedlichen Ländern kommen und sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen und -weisen mitbringen. „Aber das findet Gehör in der Stadt.“ Und auch seine Gemeinde habe sehr positive Erfahrungen gemacht: „Wir werden wahrgenommen und haben ein sehr gutes Verhältnis zur Stadtverwaltung.“
Professor für Architektur an der Hochschule Anhalt
Neben seiner Tätigkeit als Architekt lehrte Jacoby jahrzehntelang als Professor für Architektur an der Hochschule Anhalt. Dort gründete er die „Dessau International Architecture Graduate School“, die er bis zu seiner Emeritierung vergangen Jahres fast 20 Jahre lang leitete. Die Arbeit mit Studenten aus der ganzen Welt werde er vermissen, sagt er: „Am Institut studierten in den vergangenen Jahren um die 200 Menschen aus 50 Ländern. Diese Erfahrung ist toll, weil man selber was lernt. Das ist der beste Integrationskurs der Welt“, schwärmt er.
Sich komplett zurückzuziehen, möchte der 67-jährige Jacoby aber nicht: „Alles dichtmachen und angeln gehen, das wäre nichts für mich. Da bin ich nicht der Typ für.“ Aber Neues entwerfen, planen und bauen, das will er immer noch: „Ich habe immer noch mein Büro in Frankfurt und noch viele Ideen.“