300 000 Programmstunden lagern im Archiv des ZDF. Um diese zu erhalten und besser nutzbar zu machen, digitalisiert das Haus sein Archiv. Zur Hälfte ist es fertig.
Von Mario Thurnes
Digitaler Massenspeicher: Innenleben der sogenannten Tapelibrary des Digitalen Archivsystems.
(Foto: ZDF / Ulrike Lenz)
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MAINZ - Eine Wand mit 24 Monitoren. In Thrillern würde so die Schaltzentrale eines genialen Bösewichts aussehen. Auf den Monitoren sind der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel zu sehen, eine Inszenierung der Verdi-Oper Falstaff oder Besucher des Aktuellen Sportstudios, die deutlich aus der Mode gekommene Pullis tragen.
Die Szene spielt nicht im Versteck eines Oberschurken – sondern an einem Arbeitsplatz im Archiv des ZDF. Dort werden derzeit 400 000 Bänder digitalisiert. Das bedeutet rund 300 000 Programmstunden, die übertragen werden müssen. Ein Mammutprojekt. Vor drei Jahren hat das Archiv-Team angefangen – noch etwa drei Jahre stehen an. Der Sender feiert also „Bergfest“.
„Für die Aktualität ist es ein echter Wettbewerbsvorteil, dass das ZDF-Archivmaterial überall schnell und digital verfügbar ist“, sagt der stellvertretende Chefredakteur des Hauses, Elmar Theveßen. Die Sendungen und Beiträge aus jahrzehntelanger Berichterstattung seien „unser größter Schatz“, wie Theveßen sagt.
Einsatz bei schlecht zu bebildernden Ereignissen
Der Sender digitalisiert sein Programm nicht nur, um es zu erhalten. Sondern, um es für die aktuelle Berichterstattung zu nutzen: „Unser Ziel ist es, Material so einfach und hindernislos wie möglich dem Programm zur Verfügung zu stellen“, sagt Beate Scherer. Sie leitet beim ZDF den Geschäftsbereich „Archive, Bibliothek und Dokumentation“.
Das Material kommt zum Einsatz, wenn das ZDF an historische Vorfälle erinnert: etwa den Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001. Oder wenn es zu aktuellen Themen kein frisches Bildmaterial gibt. Oder aus anderen Gründen nicht gezeigt werden soll.
Aktuelles Beispiel: Der Sänger Daniel Küblböck wählt auf einer Kreuzfahrt mutmaßlich den Freitod. Davon gibt es keine Bilder und selbst wenn es die gäbe, würde das ZDF diese aus Pietät nicht zeigen. Also kann die Berichterstattung mit Archivmaterial bereichert werden: „Wir stellen einen großen Fundus für die Bebilderung bestimmter Themen“, sagt Scherer. Der zuständige Redakteur soll das Material digital auch ohne die Hilfe des Archivs finden.
Der Umgang mit dem Archivmaterial wird buchstäblich immer leichter: Um die alten Bandrollen zu tragen, brauchten die Mitarbeiter durchaus Kraft. Eine 2-Zoll-MAZ-Rolle zieht die Arme ganz schön nach unten.
Material auf einen neuen Datenträger zu spielen, ist für den Sender kein neues Unterfangen: Von 1983 bis 1994 überspielte das ZDF sein Material von 2-Zoll- auf 1-Zoll-MAZ-Bänder. Von 1995 bis 2002 wurde das Material dann auf Betacam- oder DigiBeta-Kassetten übertragen, danach auf das System DCVPro.
„Jetzt gehen wir den letzten Schritt zum digitalen Massenspeicher“, sagt Kerstin Eberhard. Sie leitet das Projekt „Massenumcodierung“, wie das ZDF den Vorgang der Digitalisierung des Materials nennt. Die bisherigen Erfahrungen vereinfachten die Digitalisierung: „Wir konnten so immer aufräumen, das zahlt sich jetzt aus: Denn wir haben viele Doubletten bereits aussortiert.“
Um das Projekt durchziehen zu können, musste das ZDF vorausschauend sein. Denn nicht nur die Videobänder verschwinden allmählich aus der Geschichte – sondern auch die Abspielgeräte. Im Juli 2011 erwarb das Haus daher die letzten auf dem Weltmarkt verfügbaren, neuwertigen Abspielgeräte für das Format DCVPro. Diese werden dauernd am Laufen gehalten, damit sich die Laufwerke nicht festsetzen. Dafür hat der Sender einen eigenen Serverraum eingerichtet, den „Hot Spare“.