Wie gefährlich sind die neuen Omikron-Varianten?

aus Coronavirus-Pandemie

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Neue Coronavirus-Varianten bereiten den Experten Sorgen: Insbesondere die Variante BA.2.75.2, da sie den Immunschutz umgehen kann. Was das bedeutet.

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BERLIN. Mit Beginn der kalten Jahreszeit steigt die Inzidenz in mehreren europäischen Ländern. Aktuell dominiert weltweit, also auch in Deutschland, noch immer die Omikron-Variante BA.5. Der Anteil von BA.4 ist hierzulande etwas gesunken und liegt bei drei Prozent. Andere Varianten, wie Delta oder Alpha, wurden vollständig verdrängt. Immer wieder tauchen aber auch neue Coronavirus-Varianten auf.

Eine davon ist die Omikron-Variante BA.2.75, eine Untervariante von BA.2, die erstmals im Mai in Indien identifiziert wurde, wo sie eine kleinere Infektionswelle verursacht hat. Weltweit breitet sich die Variante, die bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als sogenannte Variant of Interest (VOI) unter Beobachtung steht, vermehrt seit Juni aus. In Deutschland wurde BA.2.75 laut Robert-Koch-Institut bisher insgesamt 114-mal identifiziert. Der Anteil der Nachweise inklusive der Unterlinien von BA.2.75 liegt bei weniger als einem Prozent (Stand 29.9.).

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Eine weitere Unterlinie von BA.2 ist die Variante BJ.1, die sich ebenfalls in Indien ausbreitet. In Europa wurde BJ.1 kürzlich erstmals in Österreich nachgewiesen. Da BJ.1 eine Vielzahl von Mutationen am sogenannten Spike-Protein aufweist, wird vermutet, dass die Variante den Immunschutz umgehen kann. Und das könnte zu einer höheren Ansteckungsfähigkeit führen.

BA.2.75.2 weist nie zuvor gesehene Immunflucht auf

„Die Immunflucht scheint wirklich erschreckend effizient zu sein, fast jede Woche tauchen neue hochmutierte Varianten auf“, schreibt der Wiener Molekularbiologe Ulrich Elling auf Twitter. Während viele Länder die Sequenzierung des Coronavirus-Erbguts zuletzt etwas zurückgefahren haben, hat der am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätige Forscher laut einem Bericht in der „Wiener Zeitung“ einen guten Überblick über die Mutationen.

Eine nie zuvor gesehene Immunflucht weist auch BA.2.75.2 auf, ein neuer Subtyp von BA.2.75, der sich in einigen Teilen der Welt schnell ausbreitet – vor allem in Indien und den USA. Schwedische Forscher fanden heraus, dass die Variante mehr als jede andere bisherige Variante resistent gegenüber Antikörpern ist. Laut den Wissenschaftlern ist zudem das Medikament Evusheld, ein monoklonaler Antikörper, der zur Covid-Therapie von immungeschwächten Krebspatienten eingesetzt wird, gegen BA.2.75.2 nahezu wirkungslos.

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Wir sehen jetzt einige Varianten, die eine sehr vollständige Immunflucht haben, sagte auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Berlin. Das bedeute, dass wir dort mit Impfungen möglicherweise nicht so viel erreichen können, wie jetzt bei BA.5.

Ansteckungen werden wieder wahrscheinlicher

Laut dem Molekularbiologen Elling könnten die neuen Varianten im Winter dominieren. Es sei allerdings schwer vorherzusagen, welche sich am Ende bei uns oder weltweit durchsetzen werde, sagte der Virologe Björn Meyer von der Universität Magdeburg gegenüber dem „Spiegel“. Der Londoner Virologe Tom Peacock hält es am wahrscheinlichsten, dass BA.2.75.2 die nächste dominierende Variante wird.

Und damit könnte es die nächste Krankheitswelle geben, da eine Ansteckung aufgrund der Immunflucht wieder wahrscheinlicher wird, auch wenn inzwischen durch Impfungen und durchgemachten Infektionen eine hohe Basis-Immunität in der Bevölkerung besteht.

Schutz vor schweren Verläufen noch gegeben

Wie schwer die neuen Varianten krank machen, ist bisher allerdings noch nicht bekannt. Solange sich weitere Varianten aus Omikron heraus entwickeln, sei eher damit zu rechnen, dass die Gefährlichkeit keine großen Sprünge macht, sagte Elling gegenüber der „Wiener Zeitung“. Der Schutz vor schweren Verläufen sei immer noch gegeben. Es wäre für das Virus auch überhaupt kein evolutionärer Vorteil, uns schwer krank zu machen, denn es ginge ihm ja, salopp formuliert, bloß darum, Leute zu infizieren.

Auch der Infektiologe Christoph Spinner, Pandemiebeauftragter am Klinikum rechts der Isar in München, sieht derzeit keinen Anlass zur Besorgnis. Im Allgemeinen sei die Immunkompetenz in der Bevölkerung durch Impfung und Genesung merklich gestiegen. Praktisch gebe es fast keinen Einwohner Deutschlands mehr, der noch nie Kontakt mit dem Corona-Virus hatte, so Spinner gegenüber „BR24“. Unser Immunsystem könne trotz Immunflucht schwere Verläufe offenbar wirksam verhindern.

Und laut der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) schützt nach vorläufigen Daten zumindest der neue an die Omikron-Variante angepasste BA.1-Impfstoff, der Anfang September zugelassen wurde, auch vor anderen Omikron-Untervarianten wie BA.2, BA.2.75 und BA.5.