Virtuelles Wasser: So viel verbrauchen wir jeden Tag

Vielen ist nicht bewusst, dass Wasser nicht nur beim Duschen oder im Haushalt benötigt wird. Der Wasserfußabdruck zeigt, wie viel Wasser in unserer Nahrung und Kleidung steckt.

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BERLIN. Über die Hälfte der Deutschen ist angesichts des Klimawandels dazu bereit, den eigenen Wasserverbrauch zu reduzieren. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Bayer AG durchgeführt hat. Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen bereits aktiv Wasser spart. So gaben fast zwei Drittel der Befragten an, zu duschen, anstatt zu baden und rund 62 Prozent stellen beim Zähneputzen das Wasser ab. Knapp 44 Prozent sammeln und nutzen Regenwasser, fast ebenso viele waschen ihr Auto seltener und mehr als ein Drittel gießen seltener ihre Pflanzen und den Rasen.

Wo wir überall Wasser verbrauchen

Den meisten Menschen ist allerdings nicht bewusst, dass sich der Wasserverbrauch nicht nur auf die Körperpflege, den Haushalt und den Garten beschränkt. Nur knapp jeder Zehnte (9,4 Prozent) der Befragten tippt darauf, dass der höchste Wasserverbrauch im Bereich Ernährung anfällt. Dieses indirekt genutzte Wasser wird häufig als virtuelles Wasser bezeichnet.

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Wenn man nur eine einzige Tasse Kaffee (125 ml) am Tag trinkt, entspricht das dem Verbrauch von etwa 132 Litern virtuellem Wasser. Das ist mehr als der tägliche direkte Wasserverbrauch eines Deutschen. Denn bei der Produktion von einem Kilogramm Röstkaffee werden durchschnittlich 18.900 Liter Wasser benötigt. Und während der direkte Wasserverbrauch, also das, was fürs Duschen, Wäschewaschen, die Toilettenspülung und so weiter benötigt wird, bei etwa 128 Litern pro Tag liegt, wird der indirekte Wasserverbrauch auf rund 7200 Liter pro Tag und Kopf geschätzt.

Baumwollproduktion legt Aralsee trocken

Nur 14 Prozent dieses Wassers stammt laut Umweltbundesamt aus Deutschland, 86 Prozent werden im Ausland verwendet. Weltweit werden viele Wasserressourcen übernutzt, wobei das nicht durch den häuslichen Wasserverbrauch der lokalen Bevölkerung geschieht, sondern durch den Wasserverbrauch bei der Produktion von Industrie- und Agrargütern. Und diese werden meist nicht für den inländischen Konsum produziert, sondern für den Export.

Das hat zum Teil dramatische Auswirkungen: So hat beispielsweise die Baumwollbewässerung in Zentralasien dazu geführt, dass durch die Entnahme von Wasser aus den Einzugsgebieten der Flüsse Syrdarja und Amudarja praktisch kein Wasser mehr in den vom Austrocknen bedrohten Aralsee gelangt. Weil Baumwollknospen in niederschlagsreichen Regionen leicht verfaulen würden, wird Baumwolle überwiegend in sehr trockenen Regionen angebaut wird, wo sie künstlich bewässert werden muss. Daher benötigt ein einziges Baumwoll-T-Shirt für seine Herstellung im Schnitt 2700 Liter Wasser. Je nach Verarbeitung und Färbung können es sogar bis zu 15.000 Liter sein.

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Wer Wasser sparen möchte, sollte daher auch den Verzicht auf Fleisch oder Schokolade und den Kauf gebrauchter statt neuer Produkte in Betracht ziehen. Die Zusammenhänge sind allerdings komplex.

Zunächst unterscheidet man zwischen grünem, blauem und grauem virtuellem Wasser. Je nach Region ist der Anteil dieser drei Wassersorten am sogenannten Wasserfußabdruck unterschiedlich hoch. Ein hoher Wasserfußabdruck in einer wasserreichen Region ist weniger problematisch als in wasserarmen Regionen, in denen häufiger „blaues Wasser“ verwendet werden muss.

Das folgende Beispiel verdeutlicht das: Kartoffeln werden in Deutschland zu einem großen Anteil mit grünem Wasser, also Niederschlagswasser, angebaut. Allerdings werden die Feldfrüchte auch tonnenweise aus wasserarmen Ländern wie Ägypten, Tunesien oder Israel eingeführt, wo sie intensiv bewässert werden müssen. Und während ein Kilogramm heimische Kartoffeln hierzulande knapp 120 Liter Wasser benötigt, wird für den Anbau der gleichen Menge in Ägypten fast 3,5-mal so viel Wasser eingesetzt.

Tierische Produkte haben höheren Wasserfußabdruck

In der Regel haben tierische Produkte pro Kilogramm einen höheren Wasserfußabdruck als pflanzliche Erzeugnisse. So wird für die Herstellung von einem Gramm Protein aus Rindfleisch sechsmal mehr Wasser benötigt als bei der entsprechenden Menge Hülsenfrüchte. Insgesamt werden für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch im Schnitt 15.400 Liter Wasser benötigt. Hierbei kommt es allerdings auf die Art der Haltung an und auch darauf, wie das Rinderfutter produziert wird. Aufgrund des größeren Anteils von Kraftfutter in industriellen Produktionssystemen – und der Tatsache, dass Kraftfutter einen größeren Wasserfußabdruck als Raufutter hat – hat industrielles Rindfleisch im Allgemeinen einen größeren Wasserfußabdruck als Rindfleisch aus Misch- oder Weidesystemen.

Sogar Tomaten aus den Niederlanden sind vorteilhaft

Mit dem Kauf von regionalem und saisonalem Obst und Gemüse kann man den Wasserverbrauch deutlich reduzieren und damit zum Schutz der Wasserressourcen in anderen Ländern beitragen. Dabei kann unter Umständen eine heimische Tomate aus konventionellem Anbau aus ökologischer Sicht günstiger sein als eine Bio-Tomate aus Spanien, da in den Mittelmeerländern häufig intensiv bewässert wird.

Aus Sicht der Wasserressourcen sind sogar Tomaten aus den Niederlanden vorteilhaft. Denn während für den Anbau von einem Kilo Tomaten in Spanien etwa 83 Liter Wasser benötigt werden, sind es in Deutschland 35 Liter, in den Niederlanden aber nur neun Liter – und hier fast ausschließlich grünes Regenwasser. Allerdings werden niederländische Tomaten außerhalb der Saison in beheizten Gewächshäusern angebaut, sodass Energieverbrauch und Bodenversiegelung als negative ökologische Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Laut „Water footprint network“, einem Netzwerk von Organisationen und Fachleuten, die sich Sorgen um die zunehmende Wasserknappheit und -verschmutzung machen, muss man nicht unbedingt Vegetarier werden, um seinen Wasserfußabdruck zu reduzieren. Wer allerdings Hähnchen statt Rindfleisch isst, kann bis zu 450.000 Liter Wasser pro Jahr sparen.

Um die negativen Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten, ist es auch sinnvoll darauf zu achten, aus welchem Anbaugebiet ein Produkt kommt. So kommt zum Beispiel Kaffee in den meist niederschlagsreichen Anbauregionen mit grünem Wasser aus. Es gibt aber auch Anbaugebiete, wie im brasilianischen Bundesstaat Bahia, wo Kaffeeplantagen in Gebieten mit Trockenwäldern und Savannen angelegt werden und intensiv bewässert werden. Im Fußabdruck eines solchen Kaffees ist der Anteil von blauem Wasser viel größer als zum Beispiel in dem von Kaffee aus Venezuela, Kolumbien oder Vietnam.

Und wer lieber Tee statt Kaffee trinkt, reduziert den Wasserfußabdruck ebenfalls: Umgerechnet auf eine Standardtasse von 250 ml werden pro Tasse Tee durchschnittlich 27 Liter Wasser beim Anbau benötigt.