Unfälle und schwere Schäden durch Orkantief "Emmelinde"

Ein Gewitter entlädt sich über dem Rhein-Main-Gebiet. Foto: Andreas Lerg

Kaputte Dächer, Fensterscheiben und Autos, Dutzende Verletzte: Vor allem NRW wurde vom Unwetter massiv getroffen. Doch auch andere Bundesländer blieben nicht verschont.

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DEUTSCHLAND. Gewitter, Starkregen und Orkanböen haben in Teilen Deutschlands schwere Schäden verursacht. Betroffen war zunächst vor allem Nordrhein-Westfalen: Im Raum Paderborn wurden bei heftigem Unwetter nach Polizeiangaben 43 Menschen verletzt, 13 davon schwer. Sie wurden unter anderem von Dachziegeln getroffen und durch umstürzende Bäume verletzt.

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) traten im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen Tornados in Paderborn, Lippstadt und in Lütmarsen, einem Ortsteil der ostwestfälischen Stadt Höxter, auf. Diese drei bestätigten Tornados hätten sich in Zusammenhang mit besonders kräftigen Gewittern gebildet, erläuterte ein DWD-Sprecher. Es habe noch weitere Tornado-Verdachtsmeldungen für Ratingen bei Düsseldorf und aus dem Sauerland gegeben, die aber noch geprüft werden müssten.

Tornado verwüstet Paderborn

Im besonders betroffenen Paderborn standen nach Angaben der Polizei umfangreiche Aufräumarbeiten an. Auch das Hauptdienstgebäude der Polizei in Paderborn wurde schwer beschädigt. Bürgermeister Michael Dreier (CDU) sagte am Samstag, im Herzen der Stadt, wo der neue zentrale Busbahnhof entstehe, seien Ampeln wie Streichhölzer umgeknickt. Leitplanken seien wie Papierschnipsel durch die Luft geflogen. Aufgewirbelte Dachziegel hätten sich in die Fassaden benachbarter Häuser "gefressen".

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Der Tornado verursachte nach Angaben der Behörden in einem Korridor, der ungefähr 300 Meter breit war und sich über fünf Kilometer Länge mitten durch die Stadt zog, große Zerstörungen. Der Polizeidirektor von Paderborn, Ulrich Ettler, lobte die Hilfsbereitschaft vieler Bürger, beklagte aber auch die Schaulust mancher Menschen: "Es gab leider auch einige Bürger, die so dreist waren, Absperrbänder zu missachten und die Arbeit der Rettungskräfte zu behindern."

In Lippstadt gab es bei dem schweren Unwetter nach Informationen der Polizeibehörden des Kreises Soest wohl keine Verletzten. In der Innenstadt blieben Bereiche aber zunächst sicherheitshalber abgesperrt. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: "Das Ausmaß der Zerstörung, das die Tornados in Lippstadt und Paderborn hinterlassen haben, macht mich traurig."

Nach seinen Angaben rückten landesweit mehr als 7500 Einsatzkräfte aus, um Menschen zu retten oder aus einer Notlage zu befreien und um Schäden zu beseitigen. Ein Polizist wurde verletzt, als er mit Kollegen zwei Menschen aus einem eingeklemmten Fahrzeug retten wollte.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte nach dem Besuch von Lippstadt und Paderborn am Samstag an, dass die Landesregierung in den nächsten Tagen Hilfen prüfen werde. Sehr vieles werde versichert sein. "Und da wo Bedarf ist, werden wir genau prüfen, wie wir helfen können", sagte er. Es gebe auch an der öffentlichen Infrastruktur Schäden. Die Arbeiten würden sicher noch Tage und Wochen dauern.

Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker erklärte am Samstag: "Über das Ausmaß des schweren Unwetters am gestrigen Nachmittag und Abend, das neben der Kernstadt von Paderborn viele weitere Gebiete im Erzbistum betraf, bin ich tief bestürzt."

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In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben größere Schäden trotz massiver Gewitter aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten nur vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Ein 38-jähriger Mann starb in Rheinland-Pfalz, als er beim Betreten eines unter Wasser stehenden Kellers einen Stromschlag erlitt, dadurch zu Fall kam und vermutlich mit dem Kopf aufschlug, wie die Polizei mitteilte. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich wurden bei einem Autounfall auf regennasser Landstraße fünf Menschen verletzt, darunter ein dreijähriges Kind.

Die Koblenzer Polizei teilte mit, innerhalb kurzer Zeit hätten zwei Gewitterzellen das Gebiet des Polizeipräsidiums durchquert. In der ersten Gewitterfront habe es Hagelkörner mit einem Durchmesser von rund fünf Zentimetern gegeben. Mindestens mehrere Dutzend Pkw seien dadurch erheblich beschädigt worden. Teilweise wurden demnach während der Fahrt Auto-Scheiben vom Hagel zertrümmert. Die B9 im Bereich Andernach Süd sei vorübergehend wegen der vielen Hagelkörner nicht mehr befahrbar gewesen.

Auch eine Vielzahl von Dachfenstern sei beschädigt, teils gebe es deshalb Wasserschäden in den Gebäuden. Dutzende Bäume hätten Straßen blockiert, die teils über Stunden gesperrt waren - etwa die B9 zwischen Lahnstein und Montabaur. Im Zusammenhang mit der zweiten Gewitterzelle seien mehrere Pkw in herausgehobenen Gullyschächten oder überschwemmten Unterführungen liegengeblieben. In Hillscheid (Kreis Westerwald) stürzte ein Baum auf das Dach eines Hauses - verletzt wurde niemand.

In Hessen fiel im Landkreis Südliche Weinstraße ein Baum auf die Bahnstrecke zwischen Schweighofen und Kapsweyer, wie die Deutsche Bahn per Twitter mitteilte. Dort könnten daher keine Züge fahren, es werde Ersatzverkehr mit Taxis eingerichtet.

Im Mittelfranken in Bayern wurden während des dortigen Unwetters 14 Menschen beim Einsturz einer Holzhütte verletzt, darunter mehrere Kinder. Das Unglück ereignete sich am Freitagabend in Spalt (Landkreis Roth) nahe dem Großen Brombachsee. Eine 37-Jährige wurde schwer verletzt in eine Klinik gebracht, ein Kind mit einem Hubschrauber ebenfalls ins Krankenhaus geflogen. Der Polizeisprecherin zufolge hatten angesichts des Unwetters offenbar mehrere Urlauber in der rund 105 Quadratmeter großen Hütte Schutz gesucht. Aus ungeklärter Ursache sei diese dann zur Seite gekippt und in sich zusammengefallen. Insgesamt löste das Unwetter in Mittelfranken knapp 400 Feuerwehreinsätze aus - vor allem wegen vollgelaufener Keller, entwurzelter Bäume und beschädigter Hausdächer. Zwischen Neuhaus und Hersbruck wurde die Bahnstrecke wegen Bäumen auf den Gleise gesperrt.

In Thüringen kam am späten Freitagabend ein Autofahrer bei Dittersdorf im Saale-Orla-Kreis aufgrund von Aquaplaning mit seinem Fahrzeug von der Straße ab und krachte gegen eine Betonwand, wie die Polizei mitteilte. Er und drei Mitfahrer wurden leicht verletzt. Auch andernorts in Thüringen mussten die Einsatzkräfte ausrücken - hauptsächlich wegen entwurzelter Bäume, die Straßen blockierten.

In Sachsen musste wegen eines Gewitters über Leipzig die Band Rammstein ihr Konzert am Freitagabend für eine halbe Stunde unterbrechen. 45 Minuten nach Beginn der Show wurden die Menschen in der Red-Bull-Arena aufgefordert, den Innenraum des Stadions zu verlassen und Schutz zu suchen. Nach 15 Minuten wurden die Fans dann zurück in den Innenraum gelassen.

Am Montag könnte es wieder gewittern

Nach den heftigen Unwettern in Teilen Deutschlands sind Hagel, Blitz und Donner für den Rest des Wochenendes nun erstmal vorbei. "In die Bresche springt das neue Hoch 'Zeus', das aber nicht mit Blitzen um sich wirft", sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Samstag in Offenbach. Für erneute Gewitter zu Beginn der neuen Woche könnte aber demnach schon am Montag das nächste Tief sorgen.

Bevor es so weit ist, können sich die Menschen in Deutschland erst einmal auf ein ruhiges Wochenende einstellen. Nach Angaben des DWD wird es am Sonntag vielfach heiter bis wolkig, im Westen, Süden und in der Mitte zeigt sich auch länger die Sonne.

Lediglich in den Alpen und am Schwarzwald könne vereinzelt noch etwas herunterkommen. Ganz so heiß wie in den vergangenen Tagen wird es aber auch nicht mehr. Die Temperaturen erstrecken sich von 16 bis 24 Grad in der Nordhälfte, im Rest des Landes zwischen 22 und 27 Grad.

"Am Montag droht mit dem nächsten Gewittertief neues Ungemach", erklärte der Meteorologe. Dabei schlagen die Gewitterparameter wieder deutlich an, allerdings nicht so stark wie vergangenen Donnerstag und Freitag.

Trotzdem erwartet der DWD abermals im Westen und Südwesten lokale Unwetter mit größerem Hagel, Starkregen und schweren Sturmböen. Auch erneute Tornados seien nicht völlig ausgeschlossen. Im Osten bleibe es dagegen heiter. Die Höchsttemperaturen am Montag liegen zwischen 21 und 27 Grad. In der Nacht zum Dienstag ziehen die Gewitter laut DWD nach Nordosten ab, und die Unwetterlage beruhigt sich wieder.

Von dpa