Während Wladimir Putin und seine Streitkräfte die Ukraine angreifen, feiert Russland am Montag den Sieg über Hitler-Deutschland. In seiner Rede attackierte Putin erneut die Nato.
Moskau. Überschattet vom Krieg gegen die Ukraine feiert Russland an diesem Montag den Sieg über Hitler-Deutschland vor 77 Jahren. Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei der großen Militärparade in Moskau den Einmarsch in die Ukraine mit der Erweiterung der Nato begründet. "Russland hat präventiv die Aggression abgewehrt, das war die einzig richtige Entscheidung", sagte Putin am Montag auf dem Roten Platz bei der Parade zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Er warf dem Westen auch einmal mehr vor, "Neonazis" in der Ukraine bewaffnet zu haben.
Moskau habe immer wieder versucht, ein Abkommen für eine internationale Sicherheitslösung zu erzielen, sagte Putin. Die Nato habe aber Russlands Argumente ignoriert und damit begonnen, das ukrainische Territorium militärisch zu erschließen.
Der 69-Jährige betonte, dass der Sieg im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit den westlichen Alliierten errungen wurde, beklagte aber zugleich die dort herrschende "Russophobie" bei den politischen Eliten. "Uns ist bekannt, dass den amerikanischen Veteranen, die zur Moskauer Parade anreisen wollten, das faktisch verboten wurde", behauptete Putin.
Warnung vor neuen Weltkrieg
Zugleich warnte Putin vor einem neuen Weltkrieg. Der damalige Kampf bedeute nicht nur die Verpflichtung, das Andenken derer zu erhalten, die den Nazismus besiegt hätten. Aufgabe sei es, "wachsam zu sein und alles zu tun, damit sich die Schrecken eines globalen Krieges nicht wiederholen", sagte Putin.
Die russische Führung hat die Luftshow bei der Militärparade abgesagt. "Der Luftteil findet wegen des Wetters nicht statt", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass am Montag. Ursprünglich sollten 77 Flugzeuge und Hubschrauber an der Militärparade teilnehmen. Medienberichten zufolge war geplant, dass die Kampfflugzeuge ein "Z" am Himmel bilden.
Auf der fernöstlichen Halbinsel Kamtschatka, auf der Insel Sachalin, in der Großstadt Wladiwostok am Pazifik und in weiteren Orten beteiligten sich Hunderte Soldaten an den Paraden zur Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg. Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte dazu am Montag zahlreiche Fotos – in Wladiwostok fuhren auch die Weltkriegspanzer vom T-34 in der Kolonne mit.
Über den Roten Platz und durch die Metropole rollen bei der Parade Panzer und andere Kampftechnik sowie mit Atomsprengköpfen bestückbare Raketen. An dem Angriffskrieg beteiligte Soldaten gratulierten in einem vom Verteidigungsministerium am Morgen veröffentlichten Video zum "Tag des Sieges".
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Neue Sanktionen der USA und der G7
Das Weiße Haus teilte mit, alle G7-Staaten hätten sich am Sonntag dazu verpflichtet, die Einfuhr von russischem Öl auslaufen zu lassen oder zu verbieten - die USA haben bereits ein entsprechendes Importverbot verhängt. Zur Siebenergruppe führender demokratischer Industrienationen gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland sowie Japan.
Ein US-Regierungsvertreter kündigte ein Verbot für unternehmerische Dienstleistungen für Firmen oder Personen in Russland an. Die USA würden darüber hinaus Sanktionen gegen drei wichtige Fernsehsender verhängen, die direkt oder indirekt von der Regierung von Präsident Wladimir Putin kontrolliert würden: Perwy Kanal, Rossija-1 und NTW. Außerdem würden Exportkontrollmaßnahmen verschärft und gegen mehrere Manager russischer Banken Sanktionen verhängt.
Zahlreiche Tote bei Angriff auf Schule befürchtet
Bei einem Luftangriff auf eine Schule im Gebiet Luhansk kamen laut ukrainischen Behörden möglicherweise bis zu 60 Menschen ums Leben. In dem Schulgebäude hatten den Angaben zufolge 90 Personen Schutz gesucht. Durch den Bombenabwurf brach ein Feuer in der Schule aus und das Gebäude stürzte zusammen. 30 Menschen konnten die Einsatzkräfte retten - 7 davon waren verletzt, teilte der Gouverneur der Region Serhij Hajdaj am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Er sprach am Sonntagmorgen dabei zunächst von zwei geborgenen Leichen.
Moskau mit Geländegewinnen vor dem 9. Mai
Nach mehreren Tagen ohne nennenswerte Fortschritte haben die russischen Truppen bei ihren Angriffen im Donbass-Gebiet nach ukrainischen Angaben Geländegewinne erzielt. "In Richtung Liman hat der Feind durch Angriffe den Nordrand von Schandrigolowe erobert", teilte der ukrainische Generalstab am Sonntag in seinem Lagebericht mit. Schandrigolowe liegt rund 20 Kilometer nördlich der Großstadt Slowjansk, die Teilziel der russischen Operation im Donbass ist. Darüber hinaus fahren die russischen Truppen auch weiterhin Angriffe Richtung Sjewjerodonezk, Popasna, und Awdijiwka.
Putin gratuliert ostukrainischen Separatisten zum "Tag des Sieges"
Überschattet von Russlands Krieg gegen die Ukraine gratulierte Putin den Führungen mehrerer Ex-Sowjetrepubliken sowie der ostukrainischen Separatistengebiete zum 77. Jahrestag des Weltkriegsendes. Die westlichen Alliierten der damaligen Anti-Hitler-Koalition sowie die Regierungen der Ukraine und Georgiens ignorierte er. "Heute ist es gemeinschaftliche Pflicht, die Wiedergeburt des Nazismus zu verhindern, der so viel Leid über die Menschen verschiedener Länder gebracht hat", heißt es in der am Sonntag auf der Kreml-Webseite veröffentlichten Grußbotschaft.
Russland hatte am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen und ihn mit einer angeblichen "Entnazifizierung" des Nachbarlandes begründet. Beobachter halten das jedoch für einen Vorwand, um die Kampfhandlungen zu rechtfertigen. Selenskyj wiederum verglich in einer Videobotschaft den russischen Angriff auf sein Land mit dem Überfall der Wehrmacht 1941 auf die Sowjetunion.
Kanzler Scholz: "Nie wieder Krieg"
Kanzler Scholz sagte bei seiner Ansprache am Sonntag: "Aus der katastrophalen Geschichte unseres Landes zwischen 1933 und 1945 haben wir eine zentrale Lehre gezogen." Sie laute: "Nie wieder Krieg. Nie wieder Völkermord. Nie wieder Gewaltherrschaft." In der gegenwärtigen Lage könne dies nur bedeuten: "Wir verteidigen Recht und Freiheit – an der Seite der Angegriffenen. Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor." Der SPD-Politiker betonte: "Freiheit und Sicherheit werden siegen – so wie Freiheit und Sicherheit vor 77 Jahren über Unfreiheit, Gewalt und Diktatur triumphiert haben."
Von dpa