Monatelang drohte sie, nun macht die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ernst: Der Streik läuft. Auch S-Bahnen und Regionalzüge sind betroffen.
BERLIN/FRANKFURT. Für Bahnreisende und Pendler haben zwei harte Tage begonnen. Ein Streik der Lokführergewerkschaft GDL hat offenkundig begonnen und legt den Personenverkehr der Deutschen Bahn weitgehend lahm. Auch im Rhein-Main-Gebiet hat der Streik am Mittwochfrüh zu massiven Einschränkungen im Bahnverkehr geführt. "Pendler müssen sich auf massive Wartezeiten einstellen", sagte eine Bahn-Sprecherin in Frankfurt. Der Ersatzfahrplan sei angelaufen, aber der Zugverkehr sei sehr, sehr stark beeinträchtigt.
Im Regionalverkehr solle es stündliche bis zweistündliche Angebote geben. Durch den Streik würden aber nirgends Züge auf den Strecken stehen. Bestreikt werde die Deutsche Bahn. Andere Anbieter wie Vias, Vlexx und die Hessische Landesbahn sind nicht betroffen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Streik auch auf die Betriebsabläufe dort auswirkt. "Nach aktuellem Stand sind die Bahnen voller, aber nicht so, dass sie überfüllt sind oder Fahrgäste nicht mitgenommen werden können", sagte ein Unternehmenssprecher von Vlexx. Die Ferienzeit in Hessen spiele positiv mit hinein. Denn somit gebe es keine Schüler, die mit der Bahn zur Schule fahren müssten.
Dass Reisende ihre Flüge verpassten, weil sie nicht mit der Bahn anreisen konnten, ist dem Frankfurter Flughafen nach eigenen Angaben nicht bekannt. Der Betriebsablauf und der Flugverkehr seien durch den Streik nicht beeinträchtigt, teilte ein Sprecher mit. Auch bei der Lufthansa hieß es, es sei nicht bekannt, dass Fluggäste vermehrt Flüge verpasst hätten.
Reisende werden dazu aufgerufen, sich unbedingt vor Fahrtantritt zu informieren. Betroffen sind auch die S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet, die nach Angaben des RMV entweder nur im Stundentakt verkehren (S1, S2, S3, S4, S5, S6, S8) oder ausfallen (S7, S9). Ebenso trifft der Streik eine Reihe von Regionalexpress- und Regionalbahnverbindungen rund um Frankfurt. U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse sollen nach Angaben des RMV hingegen planmäßig fahren; ebenso Regionalzüge wie die Verbindungen RE2 und 3 (Frankfurt - Mainz), RE 9 und 10 (Frankfurt - Wiesbaden-Biebrich), RB 45 (Limburg - Gießen), RB 58 und 59 (Rüsselsheim/Flughafen - Aschaffenburg), RB 75 (Mainz - Darmstadt - Aschaffenburg), RB 82 (Frankfurt - Darmstadt) sowie RE 98 und 99 (Frankfurt - Gießen - Kassel). In Frankfurt selbst verlängern die Nahverkehrsgesellschaften VGF und traffiQ nach eigenen Angaben die U-Bahnzüge an beiden Streiktagen, um die Auswirkungen für die Fahrgäste in Frankfurt zu minimieren und bei derzeit wieder steigenden Fahrgastzahlen weiterhin möglichst viel Platz bieten zu können.
Leere Bahnsteige
Obwohl die GDL in der Nacht für Auskünfte nicht erreichbar war, standen am Mittwochmorgen die Personenzüge in vielen Bahnhöfen still, Bahnsteige waren leer, wie Fotos zeigten. "Zug fällt aus", war vielfach an den Anzeigetafeln zu verschiedenen Reisezielen zu sehen. Der Ausstand soll bereits um 2.00 Uhr begonnen haben. Schon seit Dienstagabend bestreikt die Gewerkschaft den Güterverkehr.
Tausende Fahrgäste betroffen
Tausende Fahrgäste müssen improvisieren, es gelten Ersatzfahrpläne. Im Fernverkehr soll noch etwa jeder vierte Zug fahren. Auch im Regionalverkehr und bei den S-Bahnen dürfte es teils erhebliche Ausfälle geben. Der Streik soll in der Nacht zu Freitag enden.
Die Bahn bat Fahrgäste, nicht zwingend notwendige Reisen zu verschieben. Wegen des Coronavirus rief sie auch zu Rücksichtnahme in den Zügen auf. Der Ausstand trifft die Fahrgäste mitten in der reisestarken Urlaubszeit: In 11 der 16 Bundesländer sind Schulferien. Betroffen sind auch grenzüberschreitende Verbindungen und der Nachreiseverkehr.
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler bezeichnete den Streik als "völlig unangemessen und überzogen". GDL-Chef Claus Weselsky verwies auf den ungelösten Tarifkonflikt. "Mit diesem ersten Signal muss dem Management klar werden, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist."
Der Fahrgastverband Pro Bahn mahnte eine verlässliche Information der Bahnkunden an. "Nichts ist ärgerlicher als bei einem Streik auf einen Zug zu warten, der dann nicht verkehrt." Der Verein rief die Bahn und die GDL dazu auf, in einer Schlichtung eine Lösung für ihren Konflikt zu finden.
Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL auch bei den Mitarbeitern im Machtkampf mit der EVG punkten. Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. Sie haben im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen möglich, wenn sich auch Fahrdienstleiter dem GDL-Streik anschließen. Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Die GDL legte zuletzt vor sechs Jahren die Arbeit nieder.
Lohnerhöhung von rund 3,2 Prozent
Sie fordert unter anderem Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine deutliche Corona-Prämie im laufenden Jahr. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsrenten wird gerungen.
Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
Hier informiert der RMV über die aktuellen Einschränkungen im Regionalverkehr.
Zu den Streik-Infos der Deutschen Bahn geht es hier.