Kritiker erklären die Ziele und Vereinbarungen des Klimagipfels in Glasgow für unzureichend. Umweltministerin Schulze zeigt sich dennoch zuversichtlich und appelliert an die USA.
GLASGOW. Zur Halbzeit der Weltklimakonferenz in Glasgow hatten Verhandler ermutigende Signale im Kampf gegen die Erderwärmung hervorgehoben. Der US-Klimabeauftragte John Kerry erklärte am Freitag, er habe in der ersten Woche eines solchen Gipfels noch nie so viele Ankündigungen und Finanzzusagen erlebt wie dieses Mal. Der deutsche Staatssekretär Jochen Flasbarth sprach von einem "Feuerwerk" von Initiativen, räumte aber zugleich ein, dass es bei den technischen Verhandlungen strittige Punkte gebe. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 setzt das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bisherige Prognosen gingen von einem Anstieg um 2,7 Grad aus, wenn alle Klimaschutz-Ankündigungen umgesetzt werden.
Während Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD das 1,5 Grad-Ziel, das im Pariser Klimaabkommen angefixt wurde, noch für erreichbar hält, üben die Aktivistin Luisa Neubauer und der Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU Kritik an den Zielen und Gesprächen des aktuellen Klimagipfels.
USA sollen ihren Beitrag liefern
"So viel, wie sich in den letzten Jahren beim Thema Klimaschutz bewegt hat, können wir es schaffen, die 1,5 Grad in Reichweite zu halten", sagte die geschäftsführende Bundesumweltministerin Schulze, die in der kommenden Woche selbst nach Glasgow reist. Es komme darauf an, dass die USA liefern, was sie versprochen haben, und dass China sich mehr zutraue als bisher zugesagt.
Der geschäftsführende Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat die bisherigen Verhandlungsergebnisse auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow, hingegen kritisiert. "Die sich abzeichnenden Beschlüsse reichen nicht aus, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen", sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). "Auch die Unterstützungsangebote für die Entwicklungsländer, selbst wenn sie voll umgesetzt werden, sind absolut unzureichend zur Anpassung an den bereits stattfindenden Klimawandel."
"Die Entwicklungsländer und der afrikanische Kontinent dürfen nicht die Verlierer des Klimawandels sein", sagte Müller. Während die Industrie- und Schwellenländer historisch und aktuell die Hauptemittenten von CO2 seien, trügen die Entwicklungsländer und besonders Afrika die Hauptlast der Erderwärmung und ihrer Konsequenzen. Hier hätten bereits Millionen Menschen durch den Klimawandel ihre Lebensgrundlagen verloren. "Notwendig ist ein Klimalastenausgleich von Reich zu Arm", sagte Müller. Dazu sei ein Investitionsprogramm sowohl privater als auch öffentlicher Institutionen nötig, um in eine globale Energiewende, den Aufbau der erneuerbaren Energien und eine nachhaltige Industrialisierung gerade in den Entwicklungsländern zu erreichen.
Zu viele leere Gespräche
Auch die Haupt-Organisatorin der aktivistischen Bewegung Fridays for Future, Luisa Neubauer kritisiert die Gespräche beim Klimagipfel. "Wie erwartet, dreht sich sehr viel um mehr oder weniger leere Reden", sagte Neubauer der Neuen Osnabrücker Zeitung am Samstag. "Das Abkommen zum Schutz der Regenwälder symbolisiert eher, was hier schiefläuft: dass man sich auf Abkommen einigt, deren Ziele viel zu weit in der Zukunft liegen, und ohne konkreten Plan, wie sie eingehalten werden." Das sei "die Klimadiplomatie der vergangenen 40 Jahre", so die 25-Jährige. Weitere neun Jahre Rodungen abzunicken sei "lächerlich, denn die Entwaldung muss natürlich sofort gestoppt werden". Sie setze keine Hoffnung in die Regierungen, so Neubauer. "Solange sie zu Hause nicht ihre Hausaufgaben machen, das Vereinbarte nicht umsetzen, so lange bleiben die ganzen Versprechen nutzlos." Die Klimaaktivistin kritisierte weiter: "Der Trend, sich für Ziele feiern zu lassen, die nicht ausreichen, und die Ziele dann nicht einzuhalten und davon abzulenken, indem man wieder neue Ziele vereinbart, der zieht sich seit Jahrzehnten durch die Klimadiplomatie."
Von dpa