Rehberg: Tracking als ultimatives Werkzeug?

Mit Fitness-Armbändern oder über das Handy können Menschen "getrackt" werden.  Foto: dpa

Erst gab es gefühlt Millionen Fußball-Bundestrainer in Deutschland - nun sieht sich jeder als Virologe oder Pandemieanalytiker und will es besser wissen. Da das Tracking im...

Anzeige

. Bislang haben wir in Deutschland ungefähr 20 bis 30 Millionen Bundestrainer vermutet. Die Schätzungen schwanken je nach Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft. Hört man sich in diesen Tagen etwas um, dann kommt man zu der Einschätzung: Die vielen Bundestrainer sind jetzt nicht mehr Bundestrainer, sondern Virologen, Epidemiologen, Pandemieanalytiker, wahlweise auch Medizinstatistiker. Der Umschulungsprozess ist unaufhaltbar.

Mit wem auch immer ich am Telefon über Corona diskutiere, die Person am anderen Ende der Leitung weiß es besser. Ein Phänomen. Woran mich das erinnert? An Fußball. Mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in diesem Metier haben mich bis heute nicht davor bewahrt, in Diskussionen mit Freunden und Bekannten irgendwann als Ahnungsloser dazustehen. Da hört man dann Vorwürfe wie: „Ihr Journalisten dreht euch die Spiele ja doch immer so, wie ihr es haben wollt…“, oder: „Wenn euch die Nase des Trainers nicht passt, dann seht ihr eh alles schlecht…“, oder, dieses Argument stammt aus den moderneren Zeiten des Fußballs: „Alles Quatsch, guck dir doch nur mal die Ballbesitzquote und die Anzahl der Torschüsse an…“ Nun, für diesen einseitigen Verlauf von Fußballstreitereien muss man nicht Journalist sein. Sie kennen das.

Tracking als ultimatives Werkzeug?

Leute, die im Familien- oder Bekanntenkreis einen Bundestrainer haben, die werfen auch schon mal die Trackingdaten mit in die Diskussion. Und da wird es jetzt spannend. Tracking. Das soll ja schon bald auch ein Handwerkszeug in der Pandemie-Analyse werden. Oder wahrscheinlich ist es das schon.

Anzeige

Im Fußball geht es da um Laufkilometer, intensive Läufe, Anzahl der Sprints und vieles mehr. Da gibt es nach Spielen schöne Schaubilder, auf denen man, farblich schön abgesetzt, sehr exakt und mit einem Blick sehen kann, auf welchen Quadratzentimetern Rasenfläche sich ein Spieler während der 90 Minuten bewegt hat. Und der technisch top ausgebildete Athletiktrainer kann dazu auch noch Auskunft geben, mit welchem Pulsschlag sich welcher Spieler wo und wann und in welcher Situation abgemüht hat. Normalität.

Im Fußball tragen die Profispieler für die Erfassung der Daten einen Brustgurt mit eingebautem Chip. Es gibt auch schon entsprechend ausgestattete Stollenschuhe. Jetzt, da die Fußballer im Homeoffice arbeiten, funktioniert die Überwachung der häuslichen Belastungskurven über das Handy. Spezielle Apps zeichnen alles auf. Da kann kein Spieler mogeln. Eine Laufeinheit zwischen Küche und Kinderzimmer im Ruhepuls – da bimmelt das iPhone, und der Athletikcoach bellt scharf: „Ich sehe, was du da treibst…, das ist nicht mehr als Seniorensport…“

Orwell grüßt

Tracking. Das ist eine feine Sache im Leistungssport. Gesamtgesellschaftlich betrachtet wird man da doch eher nervös. Pandemie hin oder her. Da sollen die Laufwege von Infizierten nachgezeichnet werden, und wer in diesen Räumen - sagen wir mal im Supermarkt in der Schlange vor der Wursttheke - wie gewohnt eng an Mann/Frau Pressing betrieben hat, der wird umgehend per Handy in Quarantäne gesteckt.

Das fühlt sich an nach Überwachungsstaat. „1984“, wir kennen den Roman von George Orwell, der später auch verfilmt worden ist. Orwell war seiner Zeit weit voraus. „Wenn es hilft gegen die hässliche Corona, dann sollen die das machen mit dem Tracking“, sagt ein Freund von mir. Entgegnung: „Und falls die das immer noch machen, wenn die Corona weg ist…?“