Jürgen Klinsmann wollte bei Hertha BSC Berlin als allein verantwortlicher Teammanager in allen Belangen das letzte Wort haben. Warum der TrainerManager nach englischen Vorbild...
. Alle Macht dem Trainer. Mit dieser Idee ist Jürgen Klinsmann nicht durchgedrungen bei Hertha BSC. Der Kurzzeittrainer hat sich daraufhin aus dem Staub gemacht wegen „all der Scheiße“. Damit war gemeint: Klinsmann wollte nicht akzeptieren, dass er in Berlin mit Sportdirektor Michel Preetz und Finanzdirektor Ingo Schiller zwei Vorgesetzte vor der Nase hatte, die ihm Grenzen gesetzt haben. Klinsmann erklärte, er favorisiere das englische Modell, wonach der Cheftrainer als allein verantwortlicher Teammanager in allen Belangen das letzte Wort habe.
Unabhängig davon, dass Klinsmann keinerlei Erfahrung hat in dieser mit allen Kompetenzen ausgestatteten Chefrolle bei einem Klub, hat es einige wenige Kommentatoren gegeben, die darauf hingewiesen haben: Der deutsche Profifußball sei mit seinen verkrusteten Strukturen mal wieder nicht bereit gewesen für den Visionär aus Kalifornien.
Stellt sich die Frage: Könnte es für die Bundesliga einen Mehrwert bedeuten, das englische Modell vom allmächtigen TrainerManager einzuführen? Darin steckt schon im Ansatz ein erster Fehler. Seit die Fußballunternehmen in der englischen Premier League von milliardenschweren Eigentümern geführt werden, hat der Teammanager nicht mehr das alleinige Sagen. Das Kapital entscheidet, ob investiert wird in den Kader, in welchem Umfang, in welche Art von Spielern.
Dass in der Bundesliga ein Cheftrainer auch noch das komplette Transferwesen verantworten sollte, das wäre weder sinnvoll noch wünschenswert. Dafür gibt gute Gründe. Nur zwei Beispiele:
1. Ein Klub besteht im Idealfall ewig. Die Trainer wechseln rein statistisch betrachtet alle 1,6 Jahre. Da ist es offensichtlich, dass es für einen Klub nicht günstig wäre, sich in diesen kurzen Intervallen einem neuen Spielansatz und darüber hinaus einer neuen Transferausrichtung ausliefern zu müssen. Es braucht im Klub ein Kompetenzzentrum, das auch mittel- und langfristig plant. Klinsmann hatte in Berlin im Winter die großen und sündhaft teuren Namen auf dem Zettel: Mario Götze, Julian Draxler, Lukas Podolski, Mesut Özil, Granit Xhaka. Die Sport- und Finanzleitung setzte jüngere Zugänge durch, Spieler mit Wertsteigerungspotenzial.
2. Die Arbeitszeit des Cheftrainers ist ausgefüllt: Situationsanalyse, Aufarbeitung der vergangenen Partie, Vorbereitung der nächsten Partie, Gegneranalyse, Datenanalyse, Trainingseinheiten, Einzel- und Gruppengespräche, Mannschaftssitzungen, Führung des Mitarbeiterstabes, Austausch mit dem Vorstand, mit der medizinischen Abteilung, mit der Scoutingabteilung, sowie dem NLZ, Medientermine und Marketingtermine. Ein tägliches Intensitätsprogramm. Da kann ein Trainer nicht zwangsläufig auch noch potenzielle Zugänge aus aller Herren Länder auf dem Schirm haben; wir sprechen hier von einem Sichtungsprozess, der sich über Monate erstreckt. Unabhängig davon, dass der Cheftrainer als Transfer-Bevollmächtigter auch noch wirtschaftlichen Sachverstand einbringen müsste.
Natürlich kann oder muss man in Deutschland darüber diskutieren, ob sich an manchen Standorten Sportdirektoren, spezielle Kaderplaner und/oder weniger fachkundige Funktionärsgremien zu sehr abgekoppelt haben von den Wünschen des Cheftrainers. Thomas Tuchel zum Beispiel hat mal angemahnt, dass er in seiner Zeit in Dortmund kaum Einfluss gehabt habe auf die Transferpolitik. Das spricht aber nicht für Klinsmanns Allmachtsphantasien. Sondern für eine offenere und substanziellere Kommunikation zwischen Kaderplaner und Cheftrainer.