Im Abstiegskampf wollen Trainer immer "positiv bleiben". Klingt gut, aber wie? Mit welchen Inhalten? Hochleistungssportler brauchen Hilfe, um den Perspektivwechsel zu schaffen,...
. Der Abstiegskampf und die Psychologie. Seit Jahrzehnten wird im Fußball darüber gerätselt, wo der Schüssel vergraben liegt in dieser Extremsituation. Wir erleben immer wieder, dass Mannschaften sich am Tabellenende noch aus nahezu hoffnungslosen Lagen befreien. Und wir erleben, dass lange Zeit besser positionierte Mannschaften plötzlich haltlos wegbrechen und absaufen. In beiden Fällen heißt es dann: Der Kopf ist entscheidend. Wenn dem so ist, und einiges spricht dafür, dann sind wir bei den psychologischen Aspekten angelangt.
Erfolg und Misserfolg, sagt der bekannte österreichische Sportpsychologe Alois Kogler (Buch: „Die Kunst der Höchstleistung“), haben zu tun mit dem psychologischen Quadrat: Denken, Fühlen, Körper und Handeln. Alle vier Elemente beeinflussen sich gegenseitig. Beispiel Misserfolg: Wer nach einigen Niederlagen nur noch negativ denkt, weil er auf sein Belohnungskonto zu wenig eingezahlt hat, der fühlt sich schlecht, das hat Auswirkungen auf den Körper, am Ende steht ein gestörter Zugriff auf das eigene Leistungsvermögen (das Handeln). Und das manövriert den Fußballer in einen negativen Kreislauf: Die negativen Bilder des jüngsten Misserfolgs haben umgehend wieder Auswirkungen auf das Denken, Fühlen… Dieser Kreislauf überlagert irgendwann jede Vorstellungskraft vom Besseren. Das kann die Widerstandskraft ab einem bestimmten Zeitpunkt zerstören.
Die Kunst besteht in diesem Fall also darin, das psychologische Quadrat wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Viele Trainer versuchen es mit der Formel: „Wir müssen positiv denken, wir dürfen nicht nach hinten, sondern nur nach vorne schauen.“ Klar, das ist die Aufgabe. Aber die muss mit Inhalten gefüllt werden. Denn Hochleistungssportler reagieren allergisch auf einen die Realität ausblendenden Optimismus-Terror - wenn ihnen keine Hilfen angeboten werden, wie sie in der konkreten Situation den Perspektivwechsel schaffen können.
Aufzeigen lässt sich die entstandene Problematik mit Hilfe von Bildern. Wer fünf Spieltage vor Saisonende in einem Negativkreislauf steckt, der hat das Gefühl in einer schon kräftig schnaufenden Lokomotive zu sitzen, die 29 schwer beladene Waggons zu ziehen hat. Worin besteht die Befreiung? Einen Schnitt machen, die 29 Waggons abhängen, die komplette Energie freimachen für die hindernisreiche Fahrt auf der Zielgeraden. Wenn mich das bis dahin Geschehene massiv daran hindert, Kraft zu mobilisieren in der Gegenwart, dann sollte man sich resolut abkoppeln von der Vergangenheit. Ein Neustart. Ohne Ballast.
Viele Fußballer berichten, dass sie in einem Negativkreislauf meist das Gefühl haben, in jedem nächsten Spiel mit einem schwer beladenen Rucksack aufs Feld zu laufen. Für jedes missglückte Spiel hat sich ein Stein im Rucksack abgelagert. Wer diese Steine mitschleppt, der ist nicht frei. Hängende Schultern, eine wenig spannungsgeladene Körpersprache künden von dieser Last. Auf der Zielgeraden einer Saison fühlt sich das an, als ginge es nur noch steil bergauf. Während Konkurrenten, die womöglich weniger Punkte, aber gerade Rückstand aufgeholt haben, das Gefühl antreibt, es ginge auf der Zielgeraden leicht und flüssig nach vorne auf ebener Strecke.
Es ergibt Sinn, Ballast abzuwerfen. Steine raus aus dem Rucksack. Der neue Inhalt: Federleichte Zettel, auf denen Schlüsselbegriffe stehen, die Inhalte beschreiben, die ich für den Erfolg auf der Zielgeraden lebensnotwendig brauche. Denn nur damit kann ein Sportler wachsen in der Stresssituation, er kann wieder die Herausforderung und die Lösungswege sehen, er kann mit weniger Last auf den Schultern Zugang finden zu dem, was er am besten kann in seinem Leben. Und dann entstehen im Kopf auch wieder nach-vorn-gewandte, positive Bilder. Dann können die eigenen Stärken, die da sind, aber von einer Geröllhalde (negative Gedanken und Gefühle) überlagert werden, wieder freigeschaufelt werden und Konturen bekommen. Gute Leistungen, Kampf, Widerstandselan, Ergebnisorientierung, Erfolg – all das muss man sich lebendig vorstellen können. Das schafft eine veränderte Perspektive.
Die Grundpfeiler der Widerstandskraft sind der Glaube an die eigenen Stärken und das Miteinander in der Gruppe. Letzteres lässt sich noch deutlicher sagen: Dass man im Training und im Wettkampf etwas miteinander macht im Mannschaftssport, das ist normal – der Unterschied besteht darin, ob man das in der Gruppe auch und vor allem füreinander macht. Ob das in einer Stresssituation der Fall ist (oder auch nicht), das sieht man einer Mannschaft an.