Bei der Debatte um eine Taskforce und einen Wertekatalog für den Profifußball sollte es um mehr gehen, als nur eine gewiefte PR-Maßnahme - betont Kolumnist Reinhard Rehberg....
. Christian Seifert hat die Diskussion angestoßen. Der DFL-Chef will eine „Taskforce Zukunft Profifußball“ ins Leben rufen. Die Mitglieder der Taskforce sollen sich Gedanken machen über einen zeitgemäßen Werte-Katalog. Sollte diese Initiative nicht mehr sein als das demütige Ringen um gesellschaftliche Akzeptanz für Geisterspiele im deutschen Profifußball, dann braucht es diese Arbeitsgruppe nicht. Sollte es sich nur um eine gewiefte PR-Maßnahme im Kampf um das wirtschaftliche Überleben vieler Klubs in der Corona-Krise handeln, dann wird das Gefühl für einen nötigen „wind of change“ spätestens in einem Jahr verflogen sein.
System ist aus den Fugen geraten - unabhängig von Corona
Gut ist in jedem Fall, dass dieses Thema nun öffentlich platziert ist. Medien, Fans, Interessierte haben jetzt die Möglichkeit, die Verantwortlichen im Profifußball an der Idee und an der dahinterstehenden Überzeugung, Kreativität und Umsetzungsbereitschaft zu messen. Wenn jetzt ein Bundesligafunktionär sagt, Transferoffensiven, extrem hohe Ablösesummen, Gehälter und Beraterhonorare seien den sich in der Corona-Krise sorgenden Menschen nicht zumutbar, dann greift das zu kurz. Das System ist aus den Fugen geraten. Unabhängig von der Epidemie.
Wichtig ist, dass die Taskforce-Idee zügig mit Inhalten gefüllt wird. Dazu gehört die Haltung zum Geld, klar. Aber nicht nur. Die Regulierung von Ablösesummen, Gehältern und Beraterhonoraren wird Jahre dauern. Das müsste auch auf internationaler Ebene ausgefochten werden. Die Aussicht auf Erfolg ist aus heutiger Sicht eher trübe. Und man muss sich auch nicht zu sehr darauf konzentrieren, dass es in diesem Geschäft junge Männer gibt, die mit ihrem Reichtum prahlen. Spieler werden auch in Zukunft fette Konten haben. Viele Spieler werden auch in Zukunft teure Autos fahren. Und einige wenige Spieler werden auch in Zukunft mal in einem Edelrestaurant Unfug treiben.
Entscheidender ist, dass sich der Fußball wieder spürbar in der Mitte der Gesellschaft positioniert. Nicht nur als das Ergebnis einer Geschäftsidee mit PR- und Marketingstrategie plus Umsatzmaximierungsbestrebungen ohne Nachhaltigkeit. Sondern als eine Erlebniswelt, in der der Fußball, der Wettkampf, das Stadionspektakel sowie soziale, ökologische und gesamtgesellschaftliche Verantwortung in den Vordergrund rücken. Da braucht es Leitplanken.
Und diese Leitplanken bestehen nicht aus immer neuen Wettbewerben. Auch nicht aus EM- und WM-Turnieren mit immer größeren Teilnehmerfeldern. Auch nicht aus einer Nationalmannschaft, die präsentiert wird wie ein hochglanzvermarktetes Luxusprodukt. Auch nicht aus der beliebigen Zerstückelung von Spieltagen mit immer abstruseren Anstoßzeiten. Auch nicht aus Mannschaften, in denen sich immer mehr Spieler aus aller Herren Länder maximal zwei Jahre wohlfühlen, bevor sie den berühmten nächsten Schritt zu noch mehr Zaster anpeilen.
Zentrale Frage: Für wen betreibt der Fußball dieses Geschäft?
Die zentrale Frage wird zu beantworten sein: Für wen betreibt der Fußball dieses Geschäft? Als Selbstzweck zur Vermögens-, Popularitäts- und Vermarktungsoptimierung einiger weniger? Oder als Unterhaltungs- und Spaßveranstaltung für Millionen von begeisterungsfähigen Menschen? Ist der Fußball eine Ware, ein Produkt für zahlungswillige Stadion- und Privatfernseh-Kunden? Ja, das ist es längst. Aber ist der Fußball auch wieder in der Lage, sich als die Sportart zu präsentieren, die eine nachvollziehbare Nähe schafft zu den Menschen, die in erster Linie das Geschehen auf dem Rasen lieben und leben?
Da mag es Antworten geben, die dem Geschäftsmodell Fußball weniger dienlich sind. Und die Arbeitsgruppe sollte auch den - schon lange tobenden - Wettstreit der Klubs mit den Medien diskutieren. Die Bestrebungen, dass sich die Klubs mit ihren eigenen Medien-, sprich PR-Abteilungen komplett unabhängig machen wollen von der veröffentlichten Meinung, tendieren in Teilen zu Kontrolle, Abschottung, Selbstzweck.