Nach der Corona-bedingten Abstinenz dürfen die Bundesligavereine jetzt wieder gegeneinander antreten. Apropos Abstinenz: Das Ganze findet unter Ausschluss des Publikums und...
. Was ist hängen geblieben von diesem sonnigen Fußballwochenende? Eine Atmosphäre der Stille in leeren Stadien unter antiseptischen Bedingungen wie in einem Operationssaal. Aber erstaunlich dynamische, technisch und taktisch gute, spannende Spiele. Und ab sofort können wir wieder über die Verschiebungen in der Bundesligatabelle diskutieren - und nicht nur über - zweifellos wichtige - Infizierten-Kurven, R-Zahlen und sonstige Epidemie-Verläufe. Nett.
Jetzt sollten wir nur noch einen anderen Begriff für Geisterspiele finden. Wo sind die Geister? Wer sind die Geister? Geisterspiele, das sind doch eher jene Spiele, auf die weltweit gewettet worden ist, die aber in der Realität nie stattgefunden haben. In den Bundesliga-Arenen sind uns am TV-Schirm vielleicht noch die vereinsamten Ersatzspieler aufgefallen, die mit ihren Masken dem ähneln, was wir uns mit kindlichem Gemüt so unter einer Geisteroptik vorstellen.
Was soll das mit „auf Bewährung“?
Wünschenswert wäre noch, dass der moralische Zeigefinger gesenkt werden würde in den kommenden Liga-Wochen. Manche der bedeutungsschwangeren Beobachtungen und Bewertungen sind schwer verdaulich. Der Fußball spiele weiter auf Bewährung, heißt es. Wieso? Das klingt danach, als sei der Liga-Betrieb wegen vorheriger Verfehlungen von einer politischen oder gesellschaftlichen Instanz zu einer Bewährungsstrafe verdonnert worden. Dabei ist nicht mehr passiert, als dass ein Trainer in der Quarantänezeit gedankenverloren Zahnpasta kaufen gegangen ist. Und ein paar Kicker haben sich nach einem Torerfolg abgebusselt und umarmt. Die überwiegende Mehrheit der unmittelbar Beteiligten? Fast schon soldatische Disziplin.
Die Fußballer seien Vorbilder, deshalb dürften keine Fehler passieren, heißt es. Nein. Fußballprofis und Stars sind Idole, aber keine Vorbilder. Man kann totaler Fan von Rockidolen sein, ohne Drogen zu konsumieren, sexsüchtig zu werden, Gitarren zu zertrümmern und Geld zum Fenster rauszuwerfen. Dieses Gerede von Bewährung und Vorbildfunktion zwingt den Fußball gerade in eine Symbolpolitik. Die manche Maßnahmen ins Extreme treibt.
Das spürt man auch bei manchem Fußballfunktionär, der sich jetzt vor Politikern fast schon in den Staub wirft. Da sitzt der bayrische Corona-General Markus Söder breitbeinig im sonntäglichen Sport1-Stammtisch und lässt sich als Retter der Bundesliga feiern: Wir haben es dem Fußball ermöglicht, dass…, aber der Fußball bleibt auf Bewährung… DFL-Seifert, die Bundesliga-Präsidenten und -Manager verneigen sich jetzt und es sprudelt „Danke, Danke, Danke an die Politik, die uns das ermöglicht hat…“
Rettung des Fußballs als Wahlkampfthema
Der Wirtschaftszweig Fußball ist hervorragend organisiert, er hat in der Corona-Krise mit einer Sprache gesprochen, er ist kreativ gewesen mit seinem Hygiene-Konzept und er ist prominent und medial relevant genug, um öffentlichkeitswirksam auftreten und in politischen Hinterzimmern wirkungsvoll Lobby-Arbeit betreiben zu können. All das ist nachvollziehbar und legitim.
Politiker merken, dass man als vermeintlicher Retter des Profifußballs ob der Millionen Fußballfans möglicherweise leichter Wahlen gewinnen kann, als wenn man sich für die bessere Bezahlung von Pflege- und Reinigungskräften oder für den Schutz von ausgebeuteten ausländischen Zeitarbeitern in der Fleischindustrie einsetzt. Die Fußballfunktionäre merken nicht, dass sie von der Politik mehr und mehr instrumentalisiert werden. Fußballfunktionäre merken nicht, dass sie genau dann die Sonderrolle modellieren, die von ihnen nach eigenen Beteuerungen gar nicht gewünscht ist.
Profisport und Politik. Schluss mit dieser klebrigen Nähe. Dann macht der Bundesligafußball in den kommenden Wochen noch mehr Spaß.