Die Niederlage gegen Paderborn hat bei Eintracht Frankfurt die Weihnachtsstimmung komplett verhagelt. AZ-Blogger Reinhard Rehberg analysiert die Krise bei den Hessen.
. Der Eintracht geht es nicht gut. Diese Hinrunde ist schlecht gelaufen. So schlecht, wie es sich in der Bankenstadt gar niemand mehr vorstellen wollte und konnte. Die Leute in Frankfurt dachten, der erfolgreiche Trend mit Europaliga-Halbfinale, Europapokal-Platzierung in der Bundesliga und zwei Teilnahmen am DFB-Pokalfinale in Berlin ließe sich halten. Vielleicht sogar noch ausbauen.
Die Realität sieht ganz anders aus. International benötigte die Eintracht sehr viel Glück für den Einzug in die K.o.-Runde der EL. In der Bundesliga-Tabelle sieht es ganz mau aus: Zehn Punkte Rückstand auf das Europapokal-Gelände, nur drei Punkte Vorsprung vor dem Abstiegsrelegationsrang. Die Niederlage beim Aufsteiger SC Paderborn hat dem Klub die Weihnachtsstimmung komplett verhagelt. Vorstandsboss Fredi Bobic, zuständig für die Kaderbildung auf der Basis wirtschaftlicher Vernunft, muss erkennen: Der Verlust der drei Topstürmer im Sommer hat sich trotz der prächtigen Ablöse-Einnahmen nicht kompensieren lassen.
Stressprogramm schon zur Halbsaison
Im Moment wird die schwache Hinrunde noch erklärt mit dem Kräfteverschleiß. Die EL-Qualifikationsrunde, die mitten in der Sommer-Vorbereitung begonnen hatte, ist eine Belastung gewesen. Als die Eintracht in der vergangenen Saison in einem ähnlichen Stressprogramm von Erfolg zu Erfolg geeilt ist, da war von nachlassender Physis und schwindender geistiger Spannkraft erst ganz am Ende die Rede. Jetzt ist das Thema schon nach einer Halbsaison aufgebrochen.
Warum? Schlechte Ergebnisse fragen nach Gründen. Die einfachste Antwort lautet immer: Zu viele Spiele, Überanstrengung, physische und mentale Überforderung. Wir wissen: Nachlassende Kräfte spürt man dann, wenn man diese zersetzenden Gedanken zulässt. Und wann beginnt man damit, negativ zu denken: Wenn auf das Anstrengungs- und Belohnungskonto zu wenig eingezahlt wird über Ergebnisse.
Qualität der Büffelherde fehlt
Der Hauptgrund für die aktuelle Schwäche liegt aber woanders. Adi Hütter kann seine Spielweise nicht mehr durchziehen. Der Trainer verfolgt das RB-Konzept. Hoher läuferischer Aufwand, hoch aggressives Angriffspressing, viele Balleroberungen in des Gegners Hälfte, offensive Umschaltüberfälle auf kurzen Wegen im Sprinttempo, sehr direkte Torabschlüsse. Das Sturmtrio mit Ante Rebic, Sebastién Haller und Luca Jovic setzte diese Idee ideal um. Wenn die Büffelherde gegen den Ball und mit Ball antrat und Staub aufwirbelte, dann geriet der Gegner in Dauerstress. Rebic war der schnelle und torgefährliche Tempodribbler. Haller war der torgefährliche Mittelstürmer, der auch mit dem Rücken zum Tor hoch und flach anspielbar war. Jovic war das Kraftpaket mit Abschlussqualität im Strafraum. Das ergab Dynamik, Tempo. Und Angriffswucht. Auf geradlinigen Bahnen Richtung Strafraum, vorzugsweise über die gegnerischen Lücken zwischen Innen- und Außenverteidiger.
Das ist Vergangenheit. Die aktuellen Angreifer Bas Dost, Goncalo Pacencia und André Silva haben diese Qualitäten nicht. Hütter kann mit dieser Sturmreihe weder ein aggressives Offensivpressing organisieren noch eine Tiefensprintstruktur. Da fehlt es an Geschwindigkeit, da fehlt es an Tempodribblings, da fehlt es an Torgefährlichkeit nach flach angelegten Angriffen. Die Eintracht arbeitet jetzt mit Positionsangriffen, mit Flügelspiel und mit vielen hohen Flanken. Nichts im Fußball ist berechenbarer als hohe Hereingaben.
Adi Hütter hat in seinem zweiten Jahr bei der Eintracht einige der RB-Prinzipien, die Ralf Rangnick in die Welt gesetzt hat, zu den Akten legen müssen. Die jetzige „Flanken-Eintracht“ hat an tempogeladener Pressing- und Offensivwucht massiv eingebüßt. Das hat eine besondere Mannschaft zu einer normalen Mannschaft werden lassen. Gesellt sich dazu noch eine Problematik mit vielen verletzten Leistungsträgern, dann kann das in eine normale Saison münden. Und das kann im schlechtesten Fall auch Abstiegskampf bedeuten.