Corona ist das Thema dieser Tage: Die Empfehlungen der Regierung sind klar. Auch in Ingelheim halten sich zu wenige daran. Oberbürgermeister Claus appelliert an die Bürger.
. IngelheimAuch in Ingelheim ist Corona das beherrschende Thema dieser Tage. Oberbürgermeister Ralf Claus richtet einen eindringlichen Appell an die Ingelheimer.
Herr Claus, das Corona-Virus bestimmt die aktuelle Debatte. Wie ist Ihre Gefühlslage dieser Tage?
Eine gute Frage - mir geht es so wie vermutlich den meisten Menschen: Niemand hat eine solche Krise jemals erlebt - und kaum jemand hat dies wohl auch in diesem Ausmaß je für möglich erachtet. Das hat zunächst auch bei mir ein Wechselbad der Gefühle hervorgerufen.
Dabei ist es wichtig, dass wir jetzt alle in den richtigen Modus kommen, der weder durch Verharmlosung oder Gleichgültigkeit noch durch Angst oder gar Panik bestimmt werden darf, sondern vor allem durch rationales Handeln.
Für mich - und ich kann dies auch für meine beiden Kolleginnen im Stadtvorstand, Bürgermeisterin Breyer und Beigeordnete Dr. Döll, und alle weiteren Verantwortlichen in unserer Verwaltung bestätigen - trifft dies so zu.
Wir sind im Krisenmodus und werden unseren erforderlichen Beitrag leisten, um diese Krise gemeinsam zu meistern.
Trotz eindringlicher Ansprache der Kanzlerin: Die Menschen sind viel unterwegs, auch in Ingelheim. Was erwarten Sie von den Ingelheimern?
Ja, in der Tat, ich finde, die Kanzlerin hat in ihrer Ansprache Klartext gesprochen und unmissverständlich klargemacht, um was es jetzt geht. Verstanden haben das offenbar immer noch nicht alle. Ich erwarte, dass der Ernst der Lage jetzt endlich von ausnahmslos allen erkannt und vor allem auch danach gehandelt wird. Es ist anscheinend immer noch nicht jedem klar geworden, dass es nicht nur um die eigene Gefährdung, sondern vor allem um die Gesundheit der anderen, insbesondere unserer risikobehafteten Mitmenschen geht: Es geht um Menschenleben.
Ich kann nur erneut an alle Bürgerinnen und Bürger appellieren, den jetzt geltenden Verhaltensregeln ohne Wenn und Aber Folge zu leisten. Nur so wird es gelingen, die Infektionsausbreitung zu verlangsamen. Dies ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass unser Gesundheitssystem nicht kollabiert. Was das nämlich bedeuten würde, erleben wir gerade in Italien. Dies muss nicht so kommen, wenn sich alle jetzt entsprechend beschränken. Deshalb auch von mir der eindringliche Appell: Bleiben Sie möglichst zuhause, halten Sie bei der Arbeit oder beim Einkaufen Abstand zu anderen und beherzigen die einschlägigen Hygieneregeln wie das regelmäßige Händewaschen. Dies nicht zu tun ist ein zutiefst unsolidarisches Verhalten.
Reichen die aktuellen Empfehlungen und Maßnahmen oder brauchen wir eine Ausgangssperre?
Ich bin normalerweise gegen Ausgangssperren und sie wären ja auch eigentlich gar nicht nötig, wenn sich alle an die bisher aufgestellten Regeln halten würden, auch wenn dies nachvollziehbar schwerfällt. Insofern liegt es an den Menschen selbst, welchen Grad der Einschränkung der persönlichen Freiheit sie nun notwendigerweise ertragen müssen. Wenn die milderen Regeln nun einmal nicht den gewünschten Effekt erzielen, weil sich einige dem verweigern, dann ist eben auch eine Ausgangssperre gerechtfertigt. Ich glaube, dass dies auch eine große Mehrheit so sieht, gerade weil sie zu Recht auch selbst geschützt werden will. Ausnahmen muss es dabei selbstverständlich geben - die Menschen müssen zur Arbeit, sich versorgen und gegebenenfalls zum Arzt.
Was beobachten Ihre Mitarbeiter vom Ordnungsamt auf ihren Gängen/Fahrten durch die Stadt?
Leider trifft der Außendienst doch immer noch viele Gruppen an, die sich nicht an die nötigen Abstandsregeln und sonstigen Gebote halten. Das sind übrigens nicht nur junge Menschen, sondern nicht selten auch Menschen, die den sogenannten Risikogruppen zuzurechnen sind - also gerade auch Ältere. Die Kommunikation mit den Gewerbetreibenden läuft gut, die allermeisten haben für die Maßnahmen großes Verständnis.
Was ist für Sie die positive Nachricht dieser Tage?
Schön ist es zu erleben, dass sich viele Menschen jetzt anbieten zu helfen, Nachbarschaftshilfen organisiert werden und vieles andere mehr auf den Weg gebracht wird, um gerade diejenigen zu unterstützen, die beispielsweise alleine leben, in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder aus sonstigen Gründen Hilfe und Unterstützung benötigen. In einer solchen Krise ist mehr denn je der Zusammenhalt der Gesellschaft und ein Höchstmaß an Solidarität gefragt. Mein Eindruck ist, dass dies in unserer Stadt gut funktioniert, herzlichen Dank an alle, die sich hier engagieren.
Langfristig habe ich den Wunsch, dass diese Krise uns zum Nachdenken über unser bisheriges Handeln und unsere Lebensführung zwingt. Müssen wir immer neue Superlative anstreben, ist es richtig, dass ein immer mehr, immer weiter, immer höher oder immer schriller unser Leben scheinbar stärker bestimmt als alles andere. Vielleicht - und das wäre meine Hoffnung - führt der erzwungene gesellschaftliche Stillstand ja dazu, sich wieder mehr auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist und wirklich zählt im Leben.
Das Interview führte Anita Pleic.