Musiker Gil Ofarim: Antisemitismus-Vorfall in Leipzig

Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in einem Leipziger Hotel geworden. Foto: Tobias Hase/dpa

Der Sänger Gil Ofarim berichtet bei Instagram von einem antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel. Der beschuldigte Mitarbeiter stellt nun Anzeige wegen Verleumdung.

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LEIPZIG. Der Musiker Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls im Leipziger "Westin Hotel" geworden. Dort habe ihn ein Mitarbeiter aufgefordert, seine Kette mit einem Davidstern einzupacken, berichtete Ofarim in einem am Dienstag veröffentlichten Video bei Instagram. Dann dürfe er einchecken.

Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. "Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang", sagte Ofarim im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: "Um die Schlange zu entzerren", dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden.

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Daraufhin habe "irgendeiner aus der Ecke" gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotel-Mitarbeiter habe gesagt: "Packen Sie Ihren Stern ein."

Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma ("Judenstern") aufgezwungen.

Video an Staatsanwaltschaft weitergeleitet

Olaf Hoppe, Sprecher der Leipziger Polizei, sagte, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn "klar antisemitisch" sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht. Wie Hoppe weiter erklärte, war die Polizei bei dem Vorfall nicht vor Ort. Mit Ofarim habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert.

Ofarim selbst wollte sich zu dem Vorfall am Dienstag auf dpa-Anfrage zunächst nicht äußern. Sein Management teilte mit, dass er die Vorkommnisse in Leipzig erst einmal verdauen müsse und sichtlich schockiert sei. "Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben", hieß es. Der Tag sei generell schon schwer genug für ihn. Man bitte um Nachsicht und Verständnis.

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Ein Sprecher des "Westin Leipzig" sagte, dass man besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei. Ziel sei es, alle Gäste und Mitarbeiter unabhängig von ihrer Religion einzubeziehen, zu respektieren und zu unterstützen.

Hotel-Mitarbeiter stellt Anzeige wegen Verleumdung

Der beschuldigte Mitarbeiter hat am Mittwoch Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Der Mann schildere den Vorfall mit dem Künstler Gil Ofarim "deutlich abweichend von den Auslassungen des Musikers", sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Mittwoch. Der Hotelangestellte habe zudem noch eine zweite Anzeige wegen Bedrohung gestellt, weil sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegenüber dem Hotelpersonal geäußert hätten. Außerdem sei bei der Polizei eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung eingegangen. Die Staatsanwaltschaft Leipzig und die Kriminalpolizei hätten sämtliche Ermittlungen aufgenommen, sagte Hoppe. "Nun gilt es abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben und was tatsächlich an dem Tag geschehen ist." Gil Ofarim habe bislang keine Anzeige erstattet.

"Unfassbare Fall von Antisemitismus"

Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien zeigten sich schockiert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schrieb in einem Statement beim Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Anfeindung erschreckend sei. Es sei zu hoffen, dass das Hotel personelle Konsequenzen ziehe. Er hoffe ebenso, "dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden." Der Pianist Igor Levit schrieb an das Hotel gerichtet: "Shame on you".

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem "unfassbaren Fall von Antisemitismus" und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). "Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben", schrieb die Bundesstelle auf Twitter.

Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. "Sachsen ist ein weltoffenes Land", betonte Wöller.

Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. "Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!" Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zeigte sich bei Twitter bestürzt. "Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo."

Das Bündnis "Leipzig nimmt Platz" kündigte für den Abend eine Solidaritätsversammlung vor dem Hotel an. Das Hotel selbst hat mittlerweile eine kurze Stellungnahme zu dem Vorfall auf seiner Facebook-Seite gepostet.

Antisemitismus-Vorwurf: Hunderte solidarisieren sich mit Ofarim

Nach Antisemitismus-Vorwürfen haben sich am Abend Hunderte Menschen vor dem "Westin Hotel" Leipzig versammelt, um Solidarität mit dem Musiker Gil Ofarim und Jüdinnen und Juden in Deutschland zu zeigen. Aufgerufen hatte das Bündnis "Leipzig nimmt Platz". Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf den "mittleren dreistelligen Bereich", wie eine Sprecherin sagte.

Ofarim war am Montag nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in dem Leipziger Hotel geworden. Der Sänger berichtete sichtlich bewegt in einem am Dienstag veröffentlichten Instagram-Video, ein Mitarbeiter des "Westin Leipzig" habe ihn am Empfang aufgefordert, seinen Davidstern einzupacken. Dann dürfe er einchecken. Ein Sprecher des "Westin Leipzig" sagte, dass man sehr besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme.

Irena Rudolph-Kokot von "Leipzig nimmt Platz" sagte bei der Kundgebung, dass der antisemitische Vorfall extrem wütend mache und nicht unwidersprochen bleiben dürfe. "Wir solidarisieren uns mit allen Jüdinnen und Juden, denen das in Deutschland immer noch viel zu häufig passiert", sagte sie. Neben den Hunderten Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft nahmen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels an der Kundgebung teil. Sie hielten vor dem Hoteleingang ein Transparent hoch, auf dem die Flagge Israels zu sehen war.

Von dpa