"Corona macht keine Weihnachtspause." Mit diesen Worten kündigt Kanzler Scholz Maßnahmen gegen die Omikron-Variante an. Was nun beschlossen wurde.
BERLIN. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Bund-Länder-Beschlüsse zur Eindämmung des Coronavirus verteidigt, zugleich aber härtere Schritte nicht ausgeschlossen. Die für die Zeit nach Weihnachten beschlossenen Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens würden Wirkung erzielen, zeigte sich der SPD-Politiker am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen" sicher. "Aber wir schließen nichts aus. Also wenn tatsächlich die Fallzahlen sich so entwickeln würden, dass auch ein harter Lockdown diskutiert werden muss, dann gibt es da keine roten Linien."
Um die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus zu bremsen, haben Bund und Länder umfassende Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens beschlossen. Sie sollen aber erst nach Weihnachten gelten. Spätestens ab 28. Dezember soll generell eine Obergrenze von zehn Personen für Privattreffen gelten. Kanzler Olaf Scholz verständigte sich mit den Ministerpräsidenten der Länder am Dienstag zudem auf die Schließung von Clubs und Diskotheken und leere Ränge bei Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte deutlich weitreichendere Maßnahmen gefordert. Einen umfassenden Lockdown mit der Schließung von Restaurants und Geschäften wird es aber vorerst nicht geben.
"Corona macht keine Weihnachtspause", sagte Scholz bei der Vorstellung der Maßnahmen. Man habe zwar die vierte Corona-Welle derzeit gut im Griff. Die besonders ansteckende Omikron-Variante, die den Impfschutz unterlaufen könne, führe aber zu einer fünften Welle, auf die man sich jetzt vorbereiten müssen. "Wir können und dürfen nicht die Augen verschließen vor dieser nächsten Welle", sagte er.
"Nicht mehr die Zeit für Partys"
Ziel der neuen Maßnahmen ist es, die zwischenmenschlichen Kontakte massiv zurückzufahren - vor allem mit Blick auf Silvester. "Es ist derzeit nicht mehr die Zeit für Partys und gesellige Abende in großer Runde", sagte Scholz.
Neben den neuen Beschränkungen soll die Impfkampagne weiter vorangetrieben werden - auch während der Weihnachtstage und zwischen den Feiertagen. Bis Ende Januar werden 30 Millionen weitere Auffrischungsimpfungen angestrebt. Mindestens 32,6 Prozent der Gesamtbevölkerung haben bereits einen sogenannten Booster bekommen. Mindestens 70,4 Prozent sind bisher zweifach geimpft oder haben die Einmal-Impfung von Johnson & Johnson erhalten.
Scholz strebt als "Zwischenziel" eine Impfquote von 80 Prozent an. "Und wenn wir das erreicht haben, müssen wir das nächste Ziel in den Blick nehmen", sagte er. Er befürwortete auch erneut eine allgemeine Impfpflicht, über die im neuen Jahr der Bundestag abstimmen soll.
RKI schlägt Alarm
Vor der Konferenz hatte es Forderungen nach deutlich weitreichenderen Maßnahmen gegeben. Das RKI hatte Alarm geschlagen und die sofortige Schließung von Restaurants und eine Verlängerung der Weihnachtsferien für Schulen und Kitas gefordert. Es ging damit über die Stellungnahme des Expertenrats der Bundesregierung vom Sonntag hinaus, die Grundlage für die Ministerpräsidentenkonferenz war. Die größten Effekte auf die Dynamik der Omikron-Welle seien "von konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen" und von Maßnahmen zur Infektionsvorbeugung zu erwarten, erklärte das RKI.
Bei der Bundesregierung kam das nicht gut an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in der Schaltkonferenz, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung sei aber "nicht abgestimmt" gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Das dürfe nicht passieren. Scholz wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass das RKI mit seinem Chef Lothar Wieler im Expertengremium der Regierung vertreten sei. Dessen Empfehlung sei einstimmig getroffen worden.
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte deutlich vager "gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen" gefordert. Nach seiner Einschätzung kann Omikron auch zweifach Geimpfte sowie Genesene leicht anstecken. "Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen." Die Expertinnen und Experten warnten vor einer "neuen Dimension" der Pandemie. Kliniken stünden vor starker Überlastung. Ein Teil der Bevölkerung könnte wegen Krankheit oder Quarantäne auch als Beschäftigte ausfallen. Gefährdet sei das Funktionieren von Versorgungs- und Sicherheitssystemen.
Rheinland-Pfalz bereitet sich in Pandemie auf "schlimmsten Fall" vor
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) hat derweil vor einer beschleunigten Ausbreitung der Corona-Pandemie gewarnt. "Rheinland-Pfalz bereitet alles für den schlimmsten Fall vor", erklärte die Ministerpräsidentin am Dienstagabend in Mainz. Das Land rüste sich mit einer verstärkten Impfkampagne und Schutzmaßnahmen gegen die Virusvariante Omikron.
Dreyer rief alle dazu auf, "sich impfen zu lassen und getestet und im kleinen Kreis Weihnachten und Silvester zu feiern". Erste Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass Omikron "wesentlich resistenter gegen den Impfstoff" sei. Wer vollständig geimpft oder am besten auch geboostert sei, habe einen guten Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf.
"Wir handeln jetzt um zu verhindern, dass durch zu viele Infektionen und Quarantänefälle zu viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen und der kritischen Infrastruktur wie Polizei, Feuerwehr, Strom-, Wasser- und Lebensmittelversorgung ausfallen", sagte Dreyer. Die Impfungen würden in Rheinland-Pfalz auch an Weihnachten, den Tagen zwischen den Jahren und an Silvester auf Hochtouren weiterlaufen.
RKI ärgert Lauterbach
Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte kurz vor der Bund-Länder-Runde viel weitreichendere Maßnahmen gefordert, darunter sofortige maximale Kontaktbeschränkungen. Daran hatte sich bei den Beratungen Kritik entzündet. Lauterbach sagte in der Schalte, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung sei aber "nicht abgestimmt" gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Das dürfe nicht passieren.
In der ARD äußerte sich Lauterbach am Abend zurückhaltender. "Ich lege viel Wert auf die wissenschaftliche Beratung auch durch das RKI, wir arbeiten Hand in Hand. Aber im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit des RKI kann es auch schon mal eine Forderung geben, die wir nicht sofort umsetzen", sagte er. Zusammen mit RKI-Präsident Lothar Wieler will Lauterbach an diesem Mittwoch in Berlin erneut über die Corona-Lage in Deutschland informieren.
Von dpa