Im baden-württembergischen Walldorf wurden zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen. Kann das auch bei uns passieren?
WALLDORF/MAINZ. Einen Lockdown für Katzen gibt es derzeit im baden-württembergischen Walldorf. In der 15.000-Einwohner-Stadt südlich von Heidelberg dürfen Hauskatzen bis Ende August nicht mehr auf die Straße. Zum Schutz der Haubenlerche wurde diese Maßnahme von der Unteren Naturschutzbehörde des zuständigen Landratsamtes verhängt. Etwa 3000 Haushalte und mehrere hundert Katzen sollen laut einem Bericht in den „Stuttgarter Nachrichten“ betroffen sein.
Die sehr selten gewordene Haubenlerche kommt laut Landesamt für Umwelt (LFU) auch in Rheinland-Pfalz und Hessen vor – aktuell aber nur noch bei Worms-Rheindürkheim, im Rhein-Pfalzkreis und auf der Linie Landau bis Bellheim. Im Jahr 2020 gab es in Rheinland-Pfalz noch circa zwölf bis 18 Brutpaare. In Hessen kommt die Haubenlerche in den südhessischen Landkreisen Groß-Gerau und Bergstraße sowie in der Westspitze des Landkreises Darmstadt-Dieburg vor. Hier gab es 2018 noch etwa 40 bis 50 Brutpaare.
Erschließung neuer Baugebiete ist ein Problem
Tendenz abnehmend, denn die Haubenlerche ist vom Aussterben bedroht, da ihre bevorzugten Lebensräume immer knapper werden: Die Haubenlerche mag es laut Naturschutzbund (Nabu) gerne ruhig und sonnig. Und sie besiedelt gerne Brachland. Das ist vor allem bei der Erschließung neuer Baugebiete ein Problem, so das LFU. Bei den naturschutzfachlichen Untersuchungen sei sie meist noch nicht anwesend, denn sie besiedelt das zukünftige Bauland in der Regel erst nachdem es brach gefallen ist. Die Art werde deshalb meist übersehen. Sie trete dann sozusagen „plötzlich“ auf, wenn die Baumaßnahmen starten, was zu planerischen und artenschutzfachlichen Problemen führe.
Auch der in den meisten Siedlungsräumen herrschende Freizeitbetrieb durch Spaziergänger, Hobbysportler und Hunde mindert den Bruterfolg. Bruten in Ackerflächen fallen in der Regel landwirtschaftlichen Arbeiten zum Opfer. Zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Vogelart werden während der Fortpflanzungszeit Maßnahmen wie Absperrungen von Teilflächen und Einzäunung der Nester durchgeführt. Bei Bruten auf Baustellen sei manchmal auch ein vorübergehender Baustopp erforderlich.
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Weil die Haubenlerche ein sogenannter Bodenbrüter ist, fallen ihre flugunfähigen Jungvögel auch immer wieder Katzen zum Opfer. Es sei aber nur in Zusammenarbeit mit den Kommunen und der Bevölkerung, beziehungsweise den Bauherren möglich die Verluste durch Katzen zu minimieren, so das LFU. Hier könnten Infokampagnen zur Aufklärung und Auslaufverbotszeiten für Katzen in der Brutzeit eingesetzt werden.
Katzen ein ernstzunehmender Faktor
Und diese sind jetzt im baden-württembergischen Walldorf notwendig geworden, nachdem die lokale Population trotz Maßnahmen wie Flächenberuhigung und Einzäunung der Neststandorte nicht ausreichend geschützt werden konnte. Im Siedlungsbereich seien Katzen ein ernstzunehmender Faktor, der teilweise zum Rückgang von Vogelpopulationen führen könne, heißt es beim Nabu.
Das größte Problem für Vögel im Allgemeinen seien hierbei allerdings verwilderte Hauskatzen, weil diese ihren Nahrungsbedarf praktisch komplett durch die Jagd auf Kleintiere decken. Schätzungen zufolge streunen in Deutschland fast zwei Millionen Katzen herrenlos umher. Aber auch Freigänger-Katzen jagen – wenn auch oft nur zum Zeitvertreib. Ein Nabu-Vogelexperte rät deshalb, viel mit seiner Katze zu spielen, das könne deren Jagdambitionen reduzieren. Zudem würden kastrierte Katzen deutlich weniger „Jagdfieber“ zeigen. Den Vögeln wäre auch sehr geholfen, wenn Katzenbesitzer konsequent dafür sorgen würden, dass sich ihre Katze von Mitte Mai bis Mitte Juli in den Morgenstunden nicht im Freien aufhält, denn dann sind die meisten gerade flüggen Jungvögel unterwegs.