Die Zeugnisse – in vielen Familien Anlass für Streit und Stress. Fredrik Harkort, Gründer eines digitalen Bildungsunternehmens, empfiehlt, keine kurzfristigen Schlüsse zu ziehen.
Wiesbaden/Berlin. In Hessen gibt es am 3. Februar Halbjahreszeugnisse, Rheinland-Pfalz ist schon eine Woche früher dran. In manchen Familien fallen Eltern aus allen Wolken, es gibt Streit, Stress und Tränen. Warum ist das so – und was sollte man dagegen tun? Fragen an den Nachhilfe-Experten Fredrik Harkort. Er empfiehlt zunächst eine gewisse Gelassenheit und rät ab von kurzfristigen „Reparaturmaßnahmen”. Generell gebe es, grob gesagt, zwei Arten von Eltern: Die einen setzten ihre Kinder unter Druck – „für die ist eine 3 in Mathe in der Grundschule schon schlimm”. Die anderen interessierten sich nicht wirklich für die schulischen Leistungen und reagierten erst, wenn die Versetzung gefährdet ist – mit Panik. Harkorst hält beides für überzogen: „Überhöhter Druck ist nicht hilfreich”, sagt der gebürtige Wiesbadener.
Worauf es bei der Nachhilfe ankommt
Er empfehle durchaus, die Halbjahreszeugnisse schon wichtig zu nehmen, dort würden bestimmte Entwicklungen transparent und manifestierten sich in Noten. Wenn diese nicht stimmten, suchten viele Eltern nach einem Nachhilfeangebot, das schnell helfe – in Form von verbesserten Noten. „Es ist wie beim Abnehmen: In einem kurzen Sprint ist letztlich wenig zu erreichen.” Die Frage solle daher nicht sein: Was können wir bis zum Schuljahreszeugnis tun – besser sei es, längerfristig zu denken. Ein gutes Nachhilfe-Angebot erkenne man daran, dass es schulischen Problemen ganzheitlich auf den Grund gehe und nachhaltige Verbesserungen anstrebe. So sollten, berichtet Harkort aus der Praxis seines Unternehmens, auch Fragen wie Konzentrationsstörungen, Prüfungsangst und „Lernen lernen” in den Fokus genommen werden. „Eine zentrale Frage ist: Welcher Lerntyp ist mein Kind? Lernt es besser durch Sehen oder durch Hören?”
Ob die Nachhilfe online oder in physischer Form erfolgen sollte, hänge ebenfalls vom Kind ab. Die Variante am Bildschirm sei für manche Schüler besser, gerade wenn bestimmte digitale Tools verwendet würden, für andere Kinder und Jugendlichen sei dies eher ungeeignet. Und letztlich komme es auf die persönliche Verbindung, Harkort nennt es „Match”, an: „Das Persönlich-Menschliche ist fast wichtiger als das Fachliche.” Wenn der Nachhilfe-Lehrer dann mit gutem methodischen Plan und System vorgehe, gelinge eine tatsächliche Verbesserung, der Schüler gehe mit Freude und Motivation ans Lernen.
Generell werde zu viel Aufmerksamkeit auf die Zensuren gelegt: „Eltern sind auf Noten fixiert.” Das liege daran, dass andere Kompetenzen in der Schule nicht bewertet würden. Noten seien als einziges Mittel zum Messen und Bewerten nicht geeignet, kritisiert Harkort. Sie erzeugten zu viele Optimierungsdruck. „Die Kinder müssen nur noch funktionieren.”
Die Kinder müssen nur noch funktionieren.