Nach zwei Monaten kehren viele Kinder wieder in Kitas und Grundschulen zurück. Wie genau der Lernalltag nun aussehen wird, entscheiden die Schulen in Eigenregie.
WIESBADEN/MAINZ. Nach rund zweimonatiger Schließung und Notbetreuung öffnen an diesem Montag in weiteren zehn Bundesländern wieder Kindertagesstätten und Grundschulen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek unterstützt das: "Es ist gut, dass viele Schulen in Deutschland jetzt schrittweise wieder mit dem Präsenzunterricht beginnen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Präsenzunterricht sei durch nichts zu ersetzen. "Kinder, besonders jüngere, brauchen einander."
Wechselunterricht für hessische Schüler
Für die hessischen Schüler der Klassen eins bis sechs geht nach dem langen Corona-Lockdown wieder der Alltag in der Schule los. Zum Start an diesem Montag können jedoch nicht alle Kinder gleich wieder im Klassenzimmer sitzen. Durch das Modell des Wechselunterrichts werden die Schulklassen aufgeteilt: Eine Hälfte wird in der Schule unterrichtet, die andere Hälfte lernt zu Hause. Die Gruppen können tage- oder wochenweise tauschen.
Welches Modell des Wechselunterrichts dann konkret praktiziert wird, entscheiden die Schulen in Eigenregie. Mit diesem Vorgehen können die Kontakte reduziert und Corona-Abstände besser eingehalten werden. Für insgesamt über 359 000 Schüler der Klassen eins bis sechs ist die Rückkehr in den Unterricht in der Schule möglich.
Öffnung in Rheinland-Pfalz
Auch die Grundschulen in Rheinland-Pfalz öffnen nach monatelanger Schließung in an diesem Montag wieder für den Unterricht im Klassenraum. Für die meisten der 148.000 Kinder in der Primarstufe beginnt dann ein Wechsel zwischen dem Lernen in der Schule und dem daheim im Fernunterricht. Dafür werden die Klassen geteilt. Wo die Räumlichkeiten viel Platz lassen und den Mindestabstand von anderthalb Metern ermöglichen, können alle Kinder der ersten vier Klassen wieder in die Schule.
Angesichts steigender Infektionszahlen rief die CDU-Politikerin aber dazu auf, "alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Prävention einer Virenübertragung zu ergreifen", um den Schulbetrieb auch in den nächsten Wochen aufrecht erhalten zu können. Die jüngste Entwicklung der Infektionszahlen verdiene höchste Aufmerksamkeit, sagte Karliczek und verwies auch auf die befürchtete Ausbreitung neuer Virusvarianten. "Das muss auch beim Schulbetrieb bedacht werden. Ich bin mir aber sicher, dass die Länder dies bei ihren Öffnungsentscheidungen berücksichtigen."
Sie hatte sich auch bereits für eine höhere Priorisierung bei der Impfung von Grundschullehrkräften und Kita-Erzieherinnen ausgesprochen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will darüber am Nachmittag mit seinen Länderkollegen beraten. Und noch etwas steht in Sachen Corona-Bekämpfung auf der Agenda dieses Tages: Das sogenannte Corona-Kabinett der Bundesregierung berät über Schnelltests durch geschultes Personal für alle. Überlagert werden die anstehenden Entscheidungen dabei vom Anstieg der Infektionszahlen - und von einer nun wachsenden Kritik am Neuinfektionswert als Richtschnur politischen Handelns.
Worum also geht es an diesem Montag?
ÖFFNUNGEN VON SCHULEN UND KITAS: Nach Öffnungen in Niedersachsen und Sachsen nehmen in weiteren zehn Bundesländern Kitas und Grundschulen wieder ihren Betrieb auf oder weiten ihn aus. Unterricht soll entweder im Wechselbetrieb stattfinden mit halben Klassen, die abwechselnd zur Schule kommen, oder im Vollbetrieb mit festen Gruppen, die sich möglichst nicht begegnen sollen. In den Kitas werden wieder mehr oder alle Kinder betreut. Die Einzelheiten regelt jedes Bundesland für sich.
SCHNELLERE IMPFUNGEN FÜR ERZIEHER UND LEHRER: Mit Blick auf die Öffnungen von Grundschulen und Kitas hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsidenten Spahn beauftragt zu prüfen, ob Grundschullehrer und Kitaerzieher bei den Impfungen höher priorisiert werden können. Die Corona-Impfverordnung müsste geändert werden, damit die laut Statistischem Bundesamt rund eine Million Betroffenen aus der Gruppe drei (erhöhte Priorität) in die Gruppe zwei (hohe Priorität) aufrücken. Mehrere Länder und Spahn sind dafür. Das dauere eine gute Woche, bis Anfang März, sagte der Minister in der ARD. Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte dort für sein Land an, dass ab diesem Montag Erzieherinnen und Erzieher, Lehrer und Lehrerinnen sowie Ärzte und Ärztinnen "und alle aus dem medizinischen Bereich" geimpft werden sollten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz befürchtet, dass Schwerkranke aus der Gruppe drei dadurch ins Hintertreffen geraten. "Wenn jetzt Berufsgruppen noch weiter nach vorn gesetzt werden sollen, wird das Leben kosten", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der dpa. Auch die Gesundheitsexpertin der Unionsfraktion, Karin Maag, warnte in der "Süddeutschen Zeitung" (Montag): "Wir haben gut daran getan, dass wir die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission weitgehend übernommen haben." Sonst komme man "in ganz schwierige Abwägungen".
SCHNELLTESTS FÜR ALLE: Unter anderem damit befasst sich in seiner Montagsberatung das sogenannte Corona-Kabinett, ein Sondergremium von Merkel und wenigen Ministern. Spahn hatte angekündigt, dass ab 1. März alle Bürger kostenlos von geschultem Personal auf das Coronavirus getestet werden können. Das soll in Testzentren, Praxen oder Apotheken möglich sein. Details zur Umsetzung sind aber bisher nicht bekannt. Eine entsprechende Anpassung der Corona-Testverordnung muss noch beschlossen werden.
INFEKTIONSZAHLEN: Die Sorge vor einer dritten Corona-Welle wächst. Die Kurve der Neuinfektionen zeigte am Sonntag den vierten Tag in Folge nach oben - trotz des seit Mitte Dezember geltenden Lockdowns. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete 60,2 neue Ansteckungen pro 100 000 Einwohner und Woche. Rechnerisch stecken inzwischen 100 Infizierte 110 Menschen an (R-Wert 1,1). Das könnte darauf hindeuten, dass sich die ansteckenderen Virusvarianten rascher ausbreiten.
ÖFFNUNGSSTRATEGIE: Die Länderchefs und Merkel hatten bei ihrer letzten Beratung am 10. Februar vereinbart, dass eine Strategie für weitere Lockerungen erarbeitet werden soll und dass sie am 3. März weiter beraten. Der Stufenplan soll sich aber nicht nur an den Neuinfektionen orientieren, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag) sagte. "Auch ein R-Wert deutlich unter 1 und eine sinkende Auslastung der Intensivmedizin werden wichtige Kriterien für nächste Lockerungsschritte sein." Der Berliner Bürgermeister kündigte für die neue Woche einen Vorschlag an: Wenn Bundesländer "stabil über mehrere Wochen" unter den Inzidenzen 35 oder 50 blieben, "können weitere Schritte in der Kultur und der Gastronomie folgen".
Spahn sagte in der ARD: "Es macht Sinn, (...) Stufen zu definieren, ab wann der nächste Schritt gegangen werden kann. Aber die Wahrheit ist: Eine Inzidenz von unter 10, die ist jedenfalls in den allermeisten Regionen in Deutschland gerade ziemlich weit weg." Er erwähnte damit eine Ansteckungsrate, wie sie manche Virologen als Zielwert fordern, die einige Ministerpräsidenten aber für zu ambitioniert erachten. Der Chef des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, Ferdinand Gerlach, kritisierte die Orientierung an den Inzidenzen, weil sie auch von der Testfrequenz abhingen. Es sei besser, "repräsentative Kohorten" zu beobachten und zu testen, sagte er dem Nachrichtenportal "ThePioneer" (Montag). "Wenn wir wissen, wie groß das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz, in der Schule, beim Einkaufen, im Kino, im Museum oder im öffentlichen Verkehr ist, können wir gezielter reagieren und müssen nicht eine ganze Volkswirtschaft herunterfahren", erklärte der Spahn-Berater.
Von dpa