Gefälschte Impfpässe boomen: Schon mehr als 12.000 Verfahren

Das Landeskriminalamt stellt einen sprunghaften Anstieg von gefälschten Impfpässen fest. Foto: dpa

Im Dezember ist bundesweit die Zahl der mutmaßlichen Impfpass-Fälschungen nochmal in die Höhe geschossen. So ist die Lage in Hessen und Rheinland-Pfalz.

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DÜSSELDORF. Was haben die Ex-Dschungelcamp-Kandidatin Christin Okpara und der Ex-Werder-Bremen-Trainer Markus Anfang gemeinsam? Beide verloren ihren Job, weil sie gefälschte Impfausweise vorgelegt haben sollen. Die Polizei geht solchen Verdachtsfällen bundesweit inzwischen mit weit mehr als 12.000 Verfahren nach. Die Zahl sei vor allem im vergangenen Dezember in die Höhe geschnellt, berichteten Polizeibehörden der Bundesländer bei einer bundesweiten Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Spitzenreiter ist demnach Bayern mit mehr als 4000 Verfahren und 5500 sichergestellten Impfpässen und -zertifikaten, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3500 Verfahren. "Wir müssen leider von einem großen Dunkelfeld ausgehen", berichtete die Landesregierung in München.

Fälschungen in Hessen und Rheinland-Pfalz

In Hessen sind dem Landeskriminalamt (LKA) bisher Verfahren in niedriger vierstelliger Anzahl bekannt. Um Fälscher effektiver zu entlarven wurde im LKA eine "Arbeitsgruppe Impfpässe" eingerichtet, die alle in Hessen bekanntgewordenen Fälle erfasst, wie ein Ministeriumssprecher erklärte. "Dort werden die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Fälscher zentral analysiert, um alle Polizeidienststellen aktuell über neue Entwicklungen bei diesem vergleichsweise neuen Phänomen zu informieren."

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Die rheinland-pfälzische Polizei ermittelt indes in gut 1000 Fällen wegen des Verdachts auf gefälschte Corona-Impfnachweise. Die Zahl der Ermittlungen sei seit Ende September angestiegen, meldet das dortige LKA. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden nur vereinzelte Fälle registriert. Auch in Rheinland-Pfalz wird die Lage intensiv beobachtet. Neben der Polizeiarbeit soll durch Aufklärung - zum Beispiel in Form von Pressemitteilungen gegen den Handel mit den gefälschten Ausweisen vorgegangen werden.

Die 3G-Regelung kurbelt den illegalen Handel nochmals an

Ende November hatte der Gesetzgeber die Strafbarkeit noch einmal klargestellt. Abschreckende Wirkung hatte dies anscheinend nicht: Die 3G-Pflicht in vielen Bereichen hat das Geschäft der Fälscher wohl erst richtig angekurbelt.

Im Internet stießen Ermittler bei Social-Media-Kanälen und Messenger-Diensten wie Telegram auf einschlägige Angebote, die bei Impfskeptikern und Impfgegnern auf zahlungswillige Kundschaft treffen, obwohl es die Originale samt echtem Impfschutz umsonst gibt.

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800 Blanko-Ausweise in Kassel sichergestellt

Nutzern falscher Impfausweise droht dabei im Extremfall noch mehr als Jobverlust und eine Geld- oder Bewährungsstrafe wegen "Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse": Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine fristlos entlassene Mitarbeiterin der Einrichtung sogar wegen Totschlags. Die Frau soll mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet haben, obwohl bei ihr zu Hause Familienmitglieder an Covid-19 erkrankt waren.

Anfang Dezember 2021 wurden bei einer Durchsuchung in Kassel insgesamt 800 Blanko-Impfausweise, Impfstoffaufkleber, verschiedene Stempel und weitere Fälscherutensilien sichergestellt. Einen Monat zuvor wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung in Frankfurt/Main insgesamt 146 Blanko-Impfausweise gefunden.

Auch Ärzte mit im Spiel

Auch wurden Fälle von Ärzten bekannt, die ihren Patienten auf Wunsch nur den Aufkleber der Impfdosen in den Impfpass klebten, ohne den Impfstoff zu spritzen. Ihnen drohen inzwischen sogar bis zu fünf Jahre Haft.

Im Oktober machten Ermittler mutmaßliche Betrüger in München dingfest, die mithilfe der IT-Infrastruktur einer Apotheke gefälschte Impfzertifikate hergestellt haben sollen - allein innerhalb eines Monats mehr als 500 Stück.

Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren. Das Heftchen kann im Internet für wenige Euro bestellt werden. Die Stempel von Arztpraxen können ebenfalls leicht besorgt werden. Die Impfdosenaufkleber mit der Chargennummer sind inzwischen immerhin mit einem Wasserzeichen versehen - vor kurzem war das noch nicht der Fall.

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Fälschungen für etwa 300 Euro zu haben

Impfpass-Fälscher bieten bei Telegram inzwischen ein Komplett-Paket an: Das ausgefüllte Impfbuch kostet inklusive QR-Code 200 bis 300 Euro. Die betrügerischen Impf-Unwilligen, die sich eine Fälschung im Netz bestellen, haben aber keine Garantie, dass tatsächlich ein falscher Impfpass geliefert wird.

In den Apotheken, die den QR-Code für den digitalen Impfnachweis erstellen, kann inzwischen überprüft werden, ob Ort und Zeitpunkt der Impfung zu der Chargennummer im Impfpass passen. Das ist vielen Besitzern von Impfpässen offenbar noch nicht klar. Im Ruhrgebiet türmte eine 30-Jährige am Montag, als ihr vorgelegter Impfpass als gefälscht entlarvt wurde, aus der Apotheke - und ließ dabei ihren Personalausweis liegen. Gleiches Spiel wenige Kilometer entfernt in Unna: Der Mann mit falschem Impfpass verschwand eilig, ließ aber Kopien seiner Krankenkassenkarte und seines Personalausweises zurück.

Von dpa