Gastkommentar von Friedrich Küppersbusch zur Union und zur AfD: Koalieren? Abwarten.
Heute ist eine Koalition mit der AfD noch kaum zu glauben, aber irgendwann wird die Union dieses Bündnis eingehen, meint Gastautor Friedrich Küppersbusch.
Von Friedrich Küppersbusch
Friedrich Küppersbusch
(Foto: probono)
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Sie werden koalieren. Union und AfD. Alexander Gauland und sein Bundespräsidentenkandidat Glaser waren 40 Jahre in der CDU – länger als die Vorsitzende Angela Merkel. Sie sind für die klassische Union so typisch wie Filbinger, Dregger, Kiesinger und Strauß es waren. Wie es Thilo Sarrazin für die frühere Law-and-order-SPD ist. Eine Zusammenarbeit mit der AfD brächte die Union mit den zigarreaschenden Schlechte-Laune-Opas aus den Ortsvereins-Hinterzimmern wieder zusammen. In und an der Modernisierung der Konservativen gescheitert, kämen sie jetzt reich ins Heim. Seehofer allein zu Haus kann es nicht richten und wird‘s nicht mehr schaffen.
Franz-Josef Strauß‘ Credo: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“ ist gebrochen. Angela Merkel, im Ruf viele Züge voraus zu berechnen, sagte dazu schon 2016: Der Strauß-Satz sei auch ihr Ziel, doch nur, wenn „keine Prinzipien aufgegeben werden müssten, die den Kern unserer Überzeugungen ausmachen“.
Es fällt schwer, sich eine Nach-Merkel-CDU vorzustellen. Das mag daran liegen, dass Merkel die CDU ist. Jedenfalls die aktuell gültige Auslegung dessen, was sich eh nie groß um Programmarbeit geschert hat. Heiner Geißler teilte das Spektrum in den 80ern mit seiner „Lagertheorie“: Hüben Union und FDP, drüben SPD und Grüne. Konsequenz: Die Union müsse sich ihrer Konservativen sicher bleiben und in der Mitte tüchtig wildern. Inzwischen scheint Mitte dort, wo die CDU sie behauptet; Mitte ist etwas, das entsteht, wenn Angela Merkel sich dort länger aufhält. Die SPD kam aus der Gegenrichtung, und nun haben beide dicke Ränder aufgegeben, in denen andere Parteien sich festgesetzt haben.
UNSER GASTAUTOR
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Autor und TV-Produzent. Er sitzt im Beirat des Grimme-Instituts. Er glaubt, dass die Union irgendwann mit der AfD koalieren wird.
Es wird knirschen. Noch wuchern AfD-Funktionäre mit Hitlergrüßern und randalierenden Hasskappen. Was bei den alten NS-Veteranen in der Union als „Mitläufertum“ weggeatmet wurde, würgt die AfD nun als tabuverletzende Popkultur wieder hoch. Als die Grünen sich in die Parlamente aufschwangen, erklang allenthalben das Mantra, die mögen doch bitte erstmal „ihr Verhältnis zur Gewalt“ klären. Von heute aus betrachtet ein Vogelschiss gegen Leute, die den Nationalsozialismus als Vogelschiss verharmlosen. Kotkehlchen Gauland wechselt Nazisprech ein und aus wie ein entfesselter Trainer: Höcke, Poggenburg, mal Parteifreund, mal böse getadelt. Und danach geht‘s weiter. Auch der streng kirchenkritische Kurs der AfD ist ein Beutestück, aus der Geschichte des deutschen Liberalismus heraus war der Kirchenkampf mal ein Kronjuwel der FDP. Das wird heiter bei einer Koalition von C- und Nicht-C. Wie ernst die Angst der Merkelianer vor einer AfD-Koalition ist, zeigten im Frühjahr Plädoyers führender Christdemokraten, eher noch mit der Linken reden zu wollen. Brandenburgs CDU-Chef Senftleben, Schleswig-Holsteins MP Günther.
Aus Sicht der österreichischen ÖVP half gegen die Haiderkonkurrenz Ausgrenzung wenig, der Nazi-Vorwurf kaum; ignorieren verfing nicht und nachäffen stärkte das Original. Die dunkelste Stunde der FPÖ schlug – mit Spaltung und Krakeel und Abgang ihres Posterboys Haider –, als Kanzler Schüssel sie in die Koalition des Verderbens lud. Lang geholfen hat das, siehe heute, auch nicht.
Gilt Geißlers Lagertheorie noch heute? Dann stehen rechts Union, FDP und eben AfD, links SPD, Grüne, Linke. Man kann es modern, europaweit üblich und eine neue Unübersichtlichkeit finden, wenn die Parteienlandschaft sich so auffächert. Fünf dieser sechs Parteien beanspruchen für sich, die Mitte zu besiedeln. Da muss es ja hoch hergehen in dieser Mitte. Wer die AfD nicht dabei haben möchte, wird eine Union und auch eine nationalliberale FDP der 50er, 60er Jahre herbeibeten müssen. Und selbst dann wird der braune Bodensatz, einmal ausgewildert, seine fünf Prozent behaupten. Also – die Union wird es irgendwann tun. Glauben Sie nicht? Nach der Bayernwahl werden dort CSU und Grüne über eine Koalition reden. Nur Geduld.