Um den Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung in der Grundschule und im Hort umzusetzen, braucht es laut der Bertelsmann-Stiftung deutlich mehr Fachkräfte.
MAINZ/WIESBADEN/GÜTERSLOH. Für die flächendeckende Umsetzung des Rechtsanspruches auf Ganztagsförderung in der Grundschule und im Hort sind nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung rund 100.000 Fachkräfte mehr nötig, als bis 2030 zur Verfügung stehen. In westdeutschen Ländern würden rund 76.000 Fachkräfte fehlen, wenn bis Ende des Jahrzehnts für jedes Kind ein Platz mit einer Förderung von 40 Wochenstunden vorhanden sein soll, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Dienstag in Gütersloh bei der Veröffentlichung ihres "Fachkräfte-Radars für Kita und Grundschule 2022".
Die Umsetzung des Rechtsanspruches lasse sich nur mit einem deutlich erhöhten Angebot an Fachkräften bewältigen, erklärte die Direktorin im Programm "Bildung und Next Generation" der Bertelsmann Stiftung, Anette Stein. Daher müssten die Bundesländer gemeinsam mit allen Verantwortlichen schon jetzt differenzierte Maßnahmen ergreifen, um dem steigenden Personalmangel in Grundschulen und Horten vorzubeugen.
Wie aus dem "Fachkräfte-Radar" hervorgeht, besteht in Hessen und Rheinland-Pfalz zwischen dem prognostizierten Bedarf und dem voraussichtlichen Angebot an Fachkräften eine Lücke von rund 5.000 Personen, wenn bis Ende des Jahrzehnts für jedes Kind ein Platz mit einer Förderung von 40 Wochenstunden vorhanden sein soll.
In westlichen Bundesländern liegt Quote bei 18 Prozent
In beiden Bundesländern nutzen laut Stiftung 53 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Ganztagsangebot. Damit liegt die Teilhabequote im Ganztag etwas über dem westdeutschen Schnitt von 47 Prozent. Zudem besuchen in Hessen 18 Prozent der Kinder und in Rheinland-Pfalz 21 Prozent der Kinder ein Übermittagsangebot, das bis etwa 14.30 Uhr zur Verfügung steht. Im Durchschnitt aller westdeutschen Bundesländer sind es 18 Prozent.
Die ostdeutschen Bundesländer erfüllen laut Stiftung für die Mehrheit der Grundschulkinder bereits den Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung: Durchschnittlich 83 Prozent nutzen ein Ganztagsangebot und 3,5 Prozent ein Übermittagsangebot, das zwischen 14 Uhr und 15 Uhr zur Verfügung steht. In den westdeutschen Bundesländern liege die Teilhabequote im Schnitt lediglich bei 47 Prozent. Ein Übermittagsangebot nähmen dort 18 Prozent der Kinder im Grundschulalter wahr.
Rechtsanspruch greift ab 2029 bei allen Grundschulklassen
Die westdeutschen Bundesländer sollten bis 2030 alle Anstrengungen darauf konzentrieren, das Platz- und das Personalangebot auszubauen, erklärte die Stiftung. Die ostdeutschen Länder wiederum könnten einen Teil der Bundesmittel aus dem Ganztagsförderungsgesetz dazu einsetzen, eine Personalausstattung wie im Westen zu erreichen. Zentrale Herausforderung seien weniger fehlende Mittel als fehlende Mitarbeitende.
Der Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder wurde im Jahr 2021 im Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) geregelt. Dieser umfasst 40 Wochenstunden inklusive Unterricht. Er gilt für Kinder von der 1. bis zur 4. Schulklasse und wird gestaffelt nach der Klassenstufe eingeführt. Ab dem Schuljahr 2026/2027 greift er bei Schülern der 1. Klasse, ab 2029/2030 bei allen Grundschulklassen.
Grundlage für den "Fachkräfte-Radar" sind den Angaben zufolge Daten der Statistischen Bundes- und Länderämter (Stichtag 1. März 2021), der Kultusministerkonferenz sowie weitere amtliche Statistiken. Die Berechnungen führte die "Economix Research & Consulting" im Auftrag der Stiftung durch.
Von epd