Deutschland stoppt Impfungen mit Astrazeneca

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An die 28 hessischen Impfzentren wurden mittlerweile 112.800 Dosen des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca geliefert.  Foto: dpa

Die Bundesregierung hat einen vorläufigen Stopp für den Impfstoff von Astrazeneca verhängt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat jetzt die Gründe erläutert.

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Berlin. Deutschland setzt die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aus. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung mit dem Präparat, teilte das Bundesgesundheitsministerium am Montag in Berlin mit. Es handele sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorangegangen sei, sagte ein Sprecher.

Das bestätigte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er sagte am Montag in Berlin: "Bis jetzt gibt es sieben berichtete Fälle, die im Zusammenhang mit einer solche Hirnvenenthrombose stehen bei mittlerweile über 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland. Es geht um ein sehr geringeres Risiko - aber falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko." Zuvor hatte sein Ministerium mitgeteilt, dass die Impfungen mit dem Vakzin vorerst aus Vorsicht gestoppt seien, weil es Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben habe.

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Laut dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut solle man sich in ärztliche Behandlung begeben, wenn man sich mehr als vier Tage nach der Impfung unwohl fühlen sollte, etwa mit starken oder anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen, sagte Spahn.

Schon 1,65 Millionen Dosen Astrazeneca-Impfstoff verabreicht

Bis Sonntag waren laut Robert Koch-Institut 1,65 Millionen Dosen Astrazeneca-Impfstoff in Deutschland verabreicht worden. Bis auf wenige hundert Fälle betreffen alle diese Impfungen die erste von zwei für den Impfschutz nötige Impfungen. Die Aussetzung betreffe nun auch alle Folgeimpfungen, sagte Spahn. Nun ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am Zug, denn dort wird an einer erneuerten Bewertung des Impfstoffs gearbeitet. Der Minister setzt darauf, dass die EMA "idealerweise noch im Laufe dieser Woche zu ihrer Entscheidung" kommt. Falls der Impfstoff weiter zugelassen wird, sollten auch die Impfungen wieder anlaufen.

Andere Länder setzen Impfungen aus

Auch die Niederlande hatte Impfungen mit dem Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca für zwei Wochen ausgesetzt. Dies geschehe auf der Grundlage "neuer Informationen", hatte Gesundheitsminister Hugo de Jonge am späten Sonntagabend mitgeteilt. Dabei bezog er sich auf sechs Fälle möglicher Nebenwirkungen in Dänemark und Norwegen an diesem Wochenende. "Wir müssen immer auf Nummer sicher gehen", sagte der Minister. "Daher ist es klug, nun auf die Pausetaste zu drücken."

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Die EMA erklärte allerdings, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe. Der Nutzen der Verabreichung des Astrazeneca-Mittels sei größer als die Risiken. Ausgesetzt worden waren die Impfungen mit dem Vakzin vorübergehend auch in Italien. Dort war eine geimpfte Lehrkraft gestorben. Man handle aus "extremer Vorsicht", bis man herausfinde, ob die Impfung mit dem Tod in Verbindung stehe, sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region, Luigi Genesio Icardi, laut einer Mitteilung vom Sonntag. Am Abend waren die Impfungen wieder aufgenommen worden. Generell hält die italienische Regierung an der Impfung mit Astrazeneca fest.

Auch Großbritannien nutzt den Astrazeneca-Impfstoff weiter. "Wir prüfen die Berichte genau, aber angesichts der großen Anzahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise auftreten können, deuten die verfügbaren Beweise nicht darauf hin, dass der Impfstoff die Ursache ist", sagte Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) einer Mitteilung zufolge.

Land Hessen setzt Impfungen mit Astrazeneca vorsorglich aus

Alle 28 hessischen Impfzentren seien angewiesen worden, die Impfungen mit dem Vakzin Astrazeneca umgehend einzustellen, so das Innenministerium am Montag in Wiesbaden. Alle Impftermine mit Astrazeneca im Land werden nach Angaben des Ministeriums storniert. Personen, die bereits eine Terminzusage zur Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff erhalten haben, würden sofort vom Land darüber informiert. Sobald für diese Impfberechtigten Ersatztermine angeboten werden können, sollen sie ebenfalls unterrichtet werden.

Bisher seien in Hessen 114.703 Personen mit dem Präparat des Herstellers Astrazeneca geimpft worden, erklärte das Innenministerium. 43 Menschen hätten bereits diese Corona-Zweitimpfung erhalten.

Hintergrund

Zuletzt hatte die irische Impfkommission sich für einen vorübergehenden Stopp der Impfungen mit dem Präparat ausgesprochen, das der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt hat. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Astrazeneca hatte nach einer Analyse von Impfdaten erneut Sorgen über die Sicherheit seines Corona-Impfstoffes zurückgewiesen. Eine sorgfältige Analyse der Sicherheitsdaten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritannien habe keine Belege für ein höheres Risiko für Lungenembolien, tiefen Venenthrombosen und Thrombozytopenie geliefert, wie der Konzern am Sonntag in London mitteilte. Damit bezieht sich das Unternehmen nun auf noch mehr Datensätze. Am Freitag hatte Astrazeneca sich bereits ebenso geäußert und dabei auf 10 Millionen Datensätze verwiesen.

Von dpa