FRANKFURT - Wie kann man das Bahnpersonal besser schützen? Wir sprachen mit Marco Rafolt, Experte für Sicherheit bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Frankfurt.
Herr Rafolt, haben wir eine neue Qualität der Attacken auf Bahnpersonal?
Beleidigungen, das weiß ich noch aus meiner Zeit als Zugbegleiter, gehörten immer zum beruflichen Alltag hinzu. Doch mittlerweile wird das Personal nicht mehr nur beleidigt, sondern auch bedroht. Das geht bis hin zu Morddrohungen. Die Zahl der Körperverletzungen ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Angegriffen werden auch Lokführer, Fahrdienstleiter oder Servicepersonal an den Bahnhöfen. Lokführer berichten, dass sie bespuckt werden. Bei technischen Mängeln, Störungen oder Unwettern sind die Zugbegleiter einer Situation von Jetzt auf Gleich ausgesetzt. Die Züge sind gerade im Fernverkehr teils marode und die Strecken völlig überlastet.
Wer sind die Angreifer und Täter?
Das zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. Das reicht vom „einfachen“ Fahrgast bis hin zum Menschen in der Ersten Klasse, der meint, mit seinem Ticket den ganzen Zug gekauft zu haben. Die Gefahr ist nicht mehr klar zu erkennen. Angriffe kommen teilweise aus dem Nichts. Nach unseren Informationen kommen die meisten Attacken von Schwarzfahrern. Gefolgt von Menschen mit psychischen Erkrankungen, was uns selbst überrascht hat. Ein Beispiel aus Hamburg: Eine psychisch labile 17-Jährige tritt einen 40-jährigen Mann, der auf der Treppe sitzt, unvermittelt ins Gesicht. Das fragt man sich: Was ist da draußen denn los?
Müsste wieder mehr Polizei an den Bahnhöfen sein?
Durch die Verlagerung von Bundespolizei an die Grenzen in Folge der Flüchtlingskrise fehlt das Personal an den Bahnhöfen. Wir haben Rückmeldungen aus der Bundespolizei, dass diese die Sicherheit des Schienenverkehrs überhaupt nicht mehr sicherstellen kann. Das betrifft sowohl die Terrorgefahr als auch die „Alltags“-Kriminalität.
Wie kann man Zugbegleiter und anderes Personal besser schützen?
Zuerst einmal bräuchten wir Daten. Die Deutsche Bahn ist im Vergleich mit anderen Unternehmen fast schon vorbildlich. Die privaten Unternehmen verschweigen das Thema lieber. Wir müssen wissen, wo die Problembereiche sind – Strecken, Zeiten – um reagieren zu können. Unser Vorschlag wäre, die Dienstpläne so zu gestalten, dass in der eher unproblematischen Zeit, etwa zur Rush Hour morgens, Zugbegleiter runtergenommen werden und beispielsweise abends Züge doppelt besetzt werden. „Pfefferspray“ – oder besser Tierabwehrgel – können Zugbegleiter bei der DB Regio AG bereits bei sich führen, wenn diese das wollen und rechtlich geschult sind. Wir fordern auch den Einsatz von Bodycams. Wir brauchen definitiv mehr Sicherheitspersonal. Das muss schon bei der Ausschreibung von Verkehrsleistungen berücksichtigt werden.
Das Interview führte Markus Lachmann.