Hausärzte fordern in Corona-Zeiten bessere Schutzkleidung und mehr Unterstützung. Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, protestieren sie (beinahe) nackt vor oder in ihren Praxen.
HAMBURG/WIESBADEN. Ohne ausreichende Schutzkleidung, ohne ausreichend viele Masken, ohne Desinfektionsmittel in ausreichender Menge stehen sie blank da im Kampf gegen das Coronavirus: die Mitarbeiter in den Kliniken, den Hausarztpraxen und den Pflegeheimen. Mehrere Dutzend Hausärzte aus ganz Deutschland prangern diesen Mangel nun sehr öffentlichkeitswirksam an – sie haben im Internet die Aktion „Blanke Bedenken“ gestartet. Ihr Ziel: Auf die täglichen Probleme vor Ort aufmerksam zu machen. Ihr Mittel: (Beinahe-)Nackfotos, die sie auf ihrer Webseite www.blankebedenken.org hochladen – „Blanke Bedenken“ eben, ganz wörtlich genommen.
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Anlass für die Aktion, deren Initiatoren im Harz ansässig sind – die aber inzwischen Zulauf aus ganz Deutschland haben – war der anfänglich eklatante Mangel an Schutzausrüstung und Einmal-Masken für den medizinischen Bereich.
Medizinische Masken weiterhin knappes Gut
„Die Nacktheit soll symbolisieren, dass wir ohne Schutz verletzlich sind“, sagt Hausarzt Ruben Bernau aus Hambergen (Niedersachsen). Inspiriert wurden er und seine Kolleginnen und Kollegen vom französischen Arzt Alain Colombié, der sich nackt in seiner Praxis fotografiert und als „Kanonenfutter“ bezeichnet habe. Inzwischen hat sich die Versorgung mit der Schutzausrüstung zwar verbessert, aber noch immer sind medizinische Masken auf einem eigentlich leer gefegten Markt ein sehr knappes Gut. Endgültiger Auslöser war dann die – inzwischen wieder rückgängig gemachte – Entscheidung, Krankschreibungen per Telefon nicht mehr zu erlauben. „Warum sollten wir potenziell infektiöse Patientinnen und Patienten, denen es gut genug geht, dass sie eigentlich keinen ärztlichen Rat brauchen, in der Praxis untersuchen?“, sagt Moritz Eckert aus Herzberg am Harz (Landkreis Göttingen), der als Initiator und Ansprechpartner für „Blanke Bedenken“ gilt. „Dort treffen sie auf teilweise ältere oder chronisch kranke Patientinnen und Patienten, aber auch Praxis-Teams. Unnötige Ansteckungen sind zu befürchten.“
Auch für die Hamburger Hausärztin Jana Husemann war dies die Initialzündung zum Protest. „Das wurde an einem Freitag verkündet und sollte am Montag darauf gelten. Da wurde ich wütend“, sagte sie dem „Spiegel“. Deshalb hält sie auf ihrem Foto auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in die Kamera. Aus ihrer Sicht muss diese Regel, die derzeit alle zwei Wochen auf dem Prüfstand steht, mindestens bis zum Ende der Pandemie verlängert werden. Nicht umsonst habe Gesundheitsminister Jens Spahn die Hausärzte als „Schutzwall“ bezeichnet; sechs von sieben Patienten mit Covid-19 würden von Hausärzten behandelt. „Wir sorgen dafür, dass nur solche Patienten ins Krankenhaus kommen, die stationäre Behandlung benötigen. Gäbe es uns nicht, dann hätten wir italienische Verhältnisse, weil alle ins Krankenhaus rennen würden“, sagt Husemann.
Über das Kontaktformular auf der Webseite können sich weitere Interessierte melden, die sich an der Aktion beteiligen wollen. „Wir verhindern Ansteckung, wo es geht. Wir sind an vorderster Front“, heißt es auf der Homepage. Die Namen der Einsender werden nicht veröffentlicht, Bedingung ist nur die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis – in welcher Funktion auch immer –, und: „Das Bild muss definitiv jugendfrei sein!“