Aus der Redaktion (6): Alles nur gekauft und gelogen?

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Verschwörungstheorien, Hass, Rassismus - all das erleben wir tagtäglich auch unter den Beiträgen der VRM. Doch solche Beiträge duldet die Redaktion nicht. Foto: dpa

Hunderte Hasskommentare haben wir für die jüngste Folge "dasbewegt!" erhalten. Wir würden lügen und Protagonisten kaufen - weil wir mit einer Frau geredet haben, die Corona hatte.

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MAINZ. „Sie lügt. Was habt Ihr bezahlt? Die ist gekauft. Gleich ab in die Schrottkiste.“ Der Umgang im Internet ist rau, die Filterblase oftmals undurchdringlich. Wehe, wenn jemand es wagt, in das Biotop aus Vorurteilen, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien einzudringen. Bitte nicht missverstehen. Hier unternehmen wir nicht den Versuch, die Blase aufzustechen oder gar Querköpfen eine andere Richtung vorzugeben. In dieser Rubrik geben wir Einblick in unsere Arbeit. Zum Beispiel in die von Adriana Heide und ihre Reihe „dasbewegt!“. Die zehnminütigen Beiträge werden als Videoreportage auf den Portalen der VRM ausgespielt.

Die Kollegin stellt Fragen. Wie lebt es sich mit Lipödem oder als Transvestit? Warum lässt sich eine junge Frau sterilisieren und will keine Kinder zur Welt bringen? Sie berichtet über sexuell Missbrauchte, geistig Behinderte und eine Frau, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden hat. In den bald 24 Lebensbildern, die in etwas mehr als einem Jahr entstanden sind, steckt manchmal Sprengstoff für Debatten. „Ihr seid auch nicht besser als die Boulevardpresse“, heißt es da. Die Geschichten seien erfunden, Fakenews, mit gekauften Schauspielern inszeniert.

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Wie groß ist also der Geldkoffer, den die Reporterin mit sich herumträgt, damit sie Schauspieler und Protagonisten einkaufen kann? „Null Euro“, sagt Heide. Im Gegenteil. Viele der Gesprächspartner meldeten sich inzwischen aus eigenem Antrieb und wollten ihre Geschichte erzählen. Woher weiß aber die Lokaljournalistin, dass ihr keine Märchen aufgetischt werden? Schließlich kann man jeden Nachmittag im Privatfernsehen Menschen zugucken, die Seelenstriptease auf Bestellung betreiben.

„Ich verbringe Wochen, wenn nicht Monate in Foren von Selbsthilfegruppen bei Facebook. Dort beobachte ich, was die Menschen bewegt und wer bereit wäre, über sich öffentlich zu reden.“ Diese Personen spricht Adriana Heide an. Sie erntet kaum Absagen. Fehler im Bericht, gefälschte Aussagen, Übertreibungen würden als erstes in den Selbsthilfegruppen aufgedeckt, in die Heide ihre Beiträge einspielt. Inzwischen muss sie das gar nicht immer selbst tun, weil Nutzer das Video verlinken.

Hetze wird von der Redaktion gelöscht

Klassisch am Format ist, dass sich die Journalistin im Hintergrund hält. Den weitaus größten Redeanteil besitzt der Gesprächspartner. Redet der oder die sich nicht manchmal um Kopf und Kragen? Höchstens ein Drittel der Aufnahmen verwerte sie. Sie achte darauf, dass missverständliche Äußerungen oder Beiträge, die triggern könnten, verschwinden oder entsprechend eingebettet würden. Triggern heißt, dass bei Themen wie Missbrauch oder Drogenkonsum Zuschauer zur Nachahmung angeregt werden könnten. Davor wird in diesen Fällen von der Redaktion gewarnt.

Die Corona-Patientin sorgte bei den Leugnern der Seuche für die größte Aufregung. Panikmache sei das. Propaganda für Dumme. Die Krönung: „Die zionistische Impfung wird dich retten, lass es Dir schmecken.“ Solche Beiträge, so hat die Redaktion entschieden, bereichern nicht die Diskussion, sondern sind Hetze und verbreiten Hass. Daher werden sie gelöscht.

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Von Stefan Schröder