Die Winzerin Shanna Reis ist bei ihrem Arbeitsaufenthalt auf einem Weingut am anderen Ende der Welt von der Corona-Pandemie überrascht worden. Was sie erlebt hat, berichtet sie.
ASPISHEIM. Ursprünglich war es als kombinierter Arbeitsaufenthalt und Reise geplant. Auf dem Neuseeländer Weingut Seifried Estate wollte die junge Aspisheimer Winzerin Shanna Reis neue Erfahrungen sammeln und die beiden neuseeländischen Hauptinseln erkunden. Stattdessen gehörte die 28-Jährige zu den etwa 12 000 in Neuseeland gestrandeten Deutschen, von denen die meisten schließlich mit zahlreichen Sonderflügen aus dem Land geflogen wurden.
Immerhin: Der erste Teil der Reise verlief noch problemlos, und außerdem gewann Reis so eine interessante Außenperspektive auf den deutschen Umgang mit der Corona-Pandemie. „Ich war insgesamt etwa zwei Monate dort und konnte zum Glück auch bis zum Schluss noch auf dem Weingut mitarbeiten“, erzählt die Neuseeland-Reisende. „Denn der Weinbau wurde, wie die gesamte Landwirtschaft, als systemrelevant eingestuft. Nicht, weil die Neuseeländer so viel trinken, sondern weil ein Ernteausfall die Betriebe gefährden würde.“ Ansonsten habe Neuseeland sehr viel rascher und strenger auf die Pandemie reagiert als Deutschland.
Sorge wegen lockerem Umgang mit Corona in Deutschland
„Nach wenigen 100 Fällen gab es bereits einen kompletten Shutdown. Bis auf systemwichtige Industrie wurde alles stillgelegt, und wir mussten bis auf kleinere Wege zu Hause bleiben. Und wir, die weiter arbeiten durften, wurden jeden Morgen zu Arbeitsbeginn nach unseren Kontakten und unserem Befinden befragt, sodass im Fall einer Infektion alles zurückverfolgt werden konnte.“ Der lockere Umgang mit der Pandemie in Deutschland habe ihr anfangs Sorgen bereitet, sagt Reis. „Immerhin habe ich hier Familie, die auch gefährdete Personen umfasst.“ In Neuseeland gab es bis zu 150 Fälle am Tag, derzeit sind es noch acht. Dem durch seine Insellage begünstigten Staat könnte ein vollständiges Eindämmen der Ausbrüche im Land gelingen.
Für die deutschen Bemühungen, Bürger aus Neuseeland auszufliegen, sei sie dankbar, sagt Reis, obwohl die Abreise sich chaotisch angefühlt habe. „Wir hatten Standby-Tickets, jederzeit konnte also der Anruf kommen: sechs Stunden bis zum Abflug. Als es dann endlich losging, wurden einige Leute mitgenommen, die noch gar kein Ticket hatten. Eine Bekannte, die schon lang auf der Warteliste stand, musste dagegen am Flughafen bleiben.“
Infos am Flughafen eher sporadisch
Seit ihrer Ankunft in Bingen hat sich die 28-Jährige in häusliche Quarantäne zurückgezogen, wie es seit der zweiten Aprilwoche angeordnet ist. Allerdings: Auch darüber gab es ganz unterschiedliche Informationen. „Ein Hinweis-Zettel zur Quarantäne lag am Flughafen aus, es war aber nicht so, dass jeder Reisende den auch wirklich bekam. Und dann rief ich dienstags beim Gesundheitsamt an, wo man mir sagte, eine Quarantäne sei nicht nötig. Jetzt bin ich natürlich etwas verwirrt, werde aber trotzdem zu Hause bleiben. Mittlerweile haben ja in Bingen viele Restaurants Lieferservices eingerichtet, und meine Eltern versorgen mich mit Dingen des alltäglichen Bedarfs.“
Von ebenfalls unklaren Signalen seitens der Behörden berichtet eine andere junge Bingerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie sei kürzlich aus der USA zurückgekommen und habe sich auch auf strenge Quarantäne eingestellt. Es sei schon schwierig gewesen, beim Gesundheitsamt überhaupt jemanden zu erreichen. Und jetzt dürfe sie wohl durchaus spazieren gehen, allerdings nicht einkaufen. Eine absurde Situation, besonders, weil die US-Reisende in einer WG wohnt und die Mitbewohner sich allem Anschein nach genau so frei bewegen dürfen wie alle anderen Binger auch.
„Mit den Quarantänebestimmungen ist es nicht so einfach“, bestätigt auch der Pressesprecher der Kreisverwaltung, Bardo Faust. Ja, eigentlich seien alle Einreisenden dieser Bestimmung unterworfen. Sie müssten sich aber nicht extra noch mal beim Gesundheitsamt melden. Daher seien der Verwaltung auch keine genauen Zahlen zu häuslicher Quarantäne bekannt.