Corona und Krieg haben weltweit negative Auswirkungen auf die Situation von Frauen und Kindern. Auch in Deutschland ist Sexismus nach wie vor ein großes Problem.
LONDON/BERLIN. Die Rechte von Frauen und Mädchen haben nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Einschnitte erlitten. "Die Krisen der Welt haben keine gleichmäßigen oder gerechten Auswirkungen", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, am Dienstag, dem internationalen Frauentag, einer Mitteilung zufolge. "Die überproportionalen Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und Mädchen sind gut belegt, auch wenn sie noch immer vernachlässigt oder sogar ignoriert werden."
Als besonders einschneidendes Beispiel nennt die Organisation die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, wo Frauen und Mädchen trotz mutiger Proteste im ganzen Land nun als "Bürgerinnen zweiter Klasse" behandelt würden, denen etwa das Recht auf Bildung entzogen werde.
Auch die Corona-Pandemie habe sich negativ ausgewirkt: So seien die Fälle von häuslicher Gewalt angestiegen, und die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt habe Frauen überdurchschnittlich betroffen. Weitere Verschlechterungen habe es in den USA gegeben, wo es 2021 mehr Restriktionen bei Abtreibungsrechten gegeben habe als in jedem anderen Jahr zuvor. Auch der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen habe die Rechte von Frauen und Mädchen in der Türkei verschlechtert.
"Keine Gesellschaft kann es sich leisten oder es tolerieren, dass die Würde von mehr als der Hälfte der Bevölkerung beschnitten wird", sagte Callamard. "Es kann keine Entschuldigung dafür geben, keine gerechte und faire Politik für Frauen und Mädchen zu machen.
Warnung vor Gewalt an flüchtenden Frauen und Kindern
Bereits in den vergangenen Jahren habe Amnesty International in den Konfliktgebieten in der Ostukraine dokumentiert, dass es vermehrt Fälle von Gewalt gegen Frauen gegeben habe, hieß es. Man rechne damit, dass sich dieses Muster angesichts des Krieges nun auf das gesamte Land ausweiten werde.
Anlässlich des Internationalen Frauentags haben zahlreiche Organisationen zum besonderen Schutz für Frauen und Kinder aus der Ukraine aufgerufen. "Krieg und damit einhergehend Vertreibung und Flucht bedeuten für Frauen und Mädchen immer die Bedrohung durch sexualisierte Gewalt, die weltweit ein Phänomen aller bewaffneten Konflikte ist", hieß es in einer Erklärung von mehr als 40 Frauen- und Nichtregierungsorganisationen.
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Die unterzeichnenden Organisationen - darunter etwa der Deutsche Frauenrat, Pro Asyl und die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser - forderten Deutschland und die EU auf, die Arbeit von Frauenrechtsorganisationen und Schutzstellen zu unterstützen und auszuweiten.
Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR schon mehr als 1,7 Millionen Menschen geflohen. Aus der Ukraine fliehen hauptsächlich Frauen und Kinder. Die Regierung in Kiew hat ukrainischen Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise untersagt, sie unterliegen der Wehrpflicht.
Anne Spiegel: Im Kampf gegen Sexismus nicht nachlassen
"Putins Angriffskrieg richtet sich gegen Freiheit, Selbstbestimmtheit und Gleichberechtigung und damit gegen alle Demokratinnen und Demokraten", teilte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) mit. "Mit Blick auf den Internationalen Frauentag heißt das für mich, sich für die Freiheit unabhängig vom Geschlecht einzusetzen."
Zum Internationalen Frauentag ruft die Familien- und Frauenministerin dazu auf, nicht nachzulassen im Kampf gegen Sexismus und für die Gleichstellung der Geschlechter. Sexismus sei ein alltägliches Phänomen, das viele Frauen betreffe, gerade am Arbeitsplatz. "Ich bin seit über 20 Jahren in der Politik und habe dort leider auch Sexismus erfahren", sagte die Grünen-Politikerin der Funke-Mediengruppe (Dienstag).
Letztlich sei Sexismus Ausdruck ungleicher Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern, sagte die 41-Jährige. "Und er ist auch deshalb so gefährlich, weil Sexismus ein Nährboden für Gewalt gegen Frauen ist. Wenn wir es schaffen, Sexismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, dann bekämpfen wir auch Gewalt gegen Frauen und Mädchen."
In Sachen Gleichstellung sei die Gesellschaft noch nicht am Ziel, wie sich unter anderem an der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern zeige. Es gelte daher, entschlossen zu handeln. "Erstens: Wir entwickeln das Entgelttransparenzgesetz weiter, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Zweitens stärken wir Frauen den Rücken, indem wir ihre Erwerbsarbeit fördern." Wer sich phasenweise um sich, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmere, dürfe im Erwerbsleben nicht benachteiligt oder von Armut bedroht sein, sagte sie. Außerdem unterstütze ihre Regierung eine partnerschaftliche Verteilung von familiärer Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. "Dafür verbessern wir beispielsweise das Elterngeld und den Kündigungsschutz nach Elternzeit, treiben den Ausbau der Ganztagsbetreuung voran und setzen uns entschieden für mehr Frauen in Führungspositionen ein."
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Von dpa