Die Polizei hat am Mittwoch einen 13-jährigen Jungen tot am Waldrand bei Sinsheim-Eschelbach gefunden. Der 14-jährige Verdächtige sitzt nun wegen Verdachts des Mordes in U-Haft.
SINSHEIM. Nach dem gewaltsamen Tod eines 13-Jährigen in Sinsheim wird ein wegen eines früheren Messerangriffs polizeibekannter 14-Jähriger verdächtigt. Der 13-Jährige ist nach ersten Erkenntnissen der Ermittler aus Eifersucht umgebracht worden. Die Ermittlungen zum Motiv liefen aber weiter, sagte Siegfried Kollmar von der Kriminalpolizei Mannheim am Donnerstag. Ein 14-Jähriger steht unter Verdacht, den Jungen am Mittwoch mit mehreren Messerstichen ermordet zu haben, wie Kollmar sagte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kam der Tatverdächtige in Untersuchungshaft.
Dem Jugendlichen werde das Mordmerkmal der Heimtücke vorgeworfen, erläuterte Staatsanwalt Andreas Herrgen. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugendstrafe. Er habe bislang keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht.
Den Ermittlungen zufolge hatten beide Kontakt zu einem weiteren Kind, das auch am Tatort gewesen sein soll. Dieses sei auch Grund der mutmaßlichen Eifersuchtsstreitereien gewesen. Details dazu machten die Ermittler aber nicht, weil das Kind strafunmündig sei. Der 13-Jährige sei am Mittwoch zu einem Treffpunkt an einem Waldrand gelockt worden, sagte Kollmar. Nach einer "gewissen Wegstrecke" soll der 14-Jährige auf den Jungen eingestochen haben. Die Ermittler gehen von einer gezielten Tat aus, der 14-Jährige habe das Küchenmesser zu dem Treffen mitgenommen. Vermutlich habe es einen kurzen Kampf gegeben. Um wie viele Stiche es geht, sagte der Kripo-Beamte nicht. "Wir haben noch viel zu ermitteln", sagte Kollmar. Man warte noch auf das schriftliche Ergebnis der Obduktion, Handys würden ausgewertet.
"Trifft einen Ort ins Mark"
Der Sinsheimer Oberbürgermeister Jörg Albrecht (parteilos) zeigte sich bestürzt über die Tat. "Die Betroffenheit ist groß, das trifft einen Ort ins Mark", sagte der Rathauschef. In seinen neun Jahren an der Stadtspitze habe er so etwas Schlimmes noch nicht erlebt. Der mutmaßliche Täter soll im November 2020 an einer Realschule im nahe gelegenen Östringen einen damals 13-Jährigen mit einem Messer schwer verletzt hat.
Der Angreifer kam nach der Pause in das Klassenzimmer seines Opfers und fügte ihm mehrere Stichverletzungen am Oberkörper zu. Der schwer verletzte Schüler wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Hintergrund soll ein monatelanger Streit der damaligen Siebtklässler gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt war der Angreifer noch nicht strafmündig.
Im Stadtteil sitzt der Schock tief
Auch Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sind nach deutschem Recht nur "bedingt strafmündig". Für sie gilt das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Strafrechtlich verantwortlich ist ein Jugendlicher zudem nur, "wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln". Wer also noch auf dem Niveau eines Kindes ist, kann nicht bestraft werden. Die Einschätzung trifft in der Regel ein Sachverständiger. Wer dagegen jünger ist als 14, gilt nach dem Gesetz als Kind und kann nicht belangt werden.
Im Sinsheimer Stadtteil Eschelbach, wo der Tatort liegt, saß der Schock tief: Ortsvorsteher Wolfgang Maier sagte, dass sein Telefon nicht stillgestanden habe. "Die Leute machen sich Sorgen." Er fügte hinzu: "Wir sind ein kleines Dorf, es ist harmonisch, so soll es bleiben." Oberbürgermeister Albrecht sagte mit Blick auf etwaige Befürchtungen von Eltern von Schülern oder Kita-Kindern: "Es gibt keinen Anlass, in Panik zu geraten." Der tote Jugendliche war am Mittwochnachmittag in einem Feldgebiet gefunden worden. Der 14-Jährige wurde in unmittelbarer Nähe des Fundorts festgenommen.
Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) werden Eltern krimineller Kinder viel zu oft allein gelassen. Die Jugendämter verfügten nicht über genug qualifiziertes Personal, sagte der baden-württembergische DPolG-Landeschef Ralf Kusterer. Es fehle vor allem an erfahrenen Sozialarbeitern, die den psychischen Herausforderungen der Arbeit mit delinquenten Kindern und Jugendlichen gewachsen seien.
Derartige Gewaltausbrüche von Kindern sind selten
Etliche Täter hätten schon vor der bedingten Strafmündigkeit mit 14 Jahren eine Latte von Delikten auf dem Kerbholz. Viele Einrichtungen, in denen diese jungen Menschen unterkämen, ließen ihnen viele Freiheiten - dabei seien Strukturen viel wirksamer, betonte Kusterer. "Ich befürworte in solchen Fällen eine zwangsweise Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung." Dies diene nicht nur der Resozialisierung, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit. "Sollten die Gesetze das nicht zulassen, müssten sie in diesem Punkt angepasst werden."
Auch wenn derartige Gewaltausbrüche selten vorkommen, erregen sie immer wieder Aufsehen: In Duisburg gestand ein damals 14-Jähriger im vergangenen Oktober, seine gleichaltrige Freundin getötet zu haben. Und im April vergangenen Jahres soll ein 17-Jähriger bei einem Streit an einer Bushaltestelle in Essen einen 14-Jährigen umgebracht haben - Tatwaffe war erneut ein Messer. Auch bei einem aktuellen Fall in Berlin ist ein 17-Jähriger mit einem Messer schwer verletzt worden. Zugestochen haben soll nach einem Streit ein 15-Jähriger. Mögliche Ursachen für Jugendgewalt sind nach Ansicht der Polizei unter anderem das Erleben von Gewalt in der Familie als Mittel, um Konflikte zu lösen. Der Konsum entsprechender Medien, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit könnten weitere Faktoren sein.
Von dpa