Krieg in der Ukraine: Zwei Demonstrationen in Worms

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„Wir sind eine Menschheitsfamilie“ – das hat Pia Paganotto auf ihr Schild geschrieben und fordert Friedensgespräche mit Russland.

Diskussionen auf dem Wormser Parmaplatz: Die einen sind für Verhandlungen mit Russland und gegen deutsche Waffenlieferungen, die anderen prangern den Angriffskrieg Russlands an.

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Worms. Es ist schneidend kalt an diesem Samstag. Trotzdem haben sich um die Mittagszeit überraschend viele Menschen auf dem Parmaplatz vor den beiden Verkehrshäuschen in der Innenstadt eingefunden: Ein Montagsspaziergänger hat zu einer Mahnwache für den Frieden aufgerufen, das Motto lautet nach Angaben der Polizei: „Frieden durch diplomatische Verhandlungen mit Russland“. Dies hat die „Omas gegen Rechts“, Vertreter der grünen Jugend und eine ganze Reihe von in Deutschland lebenden Ukrainern und Ukrainerinnen alarmiert und zu einer Gegendemonstration veranlasst. Schweigend will man den sogenannten Friedensdemonstranten Paroli bieten.

Es ist schwierig, eine Bezeichnung für diese heterogene Gruppe der Demonstranten zu finden. Laut der Polizei sind es etwa 50 Menschen. Einig sind sich die Teilnehmer in mindestens einem Punkt: Sie sind gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine und fordern Verhandlungen mit Russland. „Mit Waffen kann man keinen Frieden schaffen“, heißt es so oder ähnlich auf mehreren Transparenten, auf denen auch die früheren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt („Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“) und Helmut Schmidt („Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen“) zitiert werden. Unterschiedlich sind dagegen die Begründungen und Motive.

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„Die ganze Regierung gehört weg“, meint eine, die ihren Namen nicht nennen will, und bezieht sich damit auf die deutsche Regierung. Anita Hendrich hat indes kein Problem damit, ihren Namen zu nennen. Sie sei schon von Anfang an bei den Montagsspaziergängen dabei, sagt sie und holt erst einmal aus bei der Corona-Pandemie: Damit habe man die Menschen in die Angst treiben wollen. Das alles hänge zusammen; es sei immer die gleiche Methode. Man müsse sich nur einmal richtig informieren. Es sind Sätze, die aus der Querdenker-Szene kommen. Auch Verschwörungstheorien hört man in Gesprächen immer wieder, von der „Impfstoff-Lüge” ist die Rede, davon, dass jetzt gerade alles so weitergehe und man manipuliert werde.

„Waffenstillstand, Verhandlungen, Diplomatie“

Bei anderen stehen eher Sorgen und Ängste im Vordergrund; Überlegungen, geprägt vom Pazifismus. „Wir sind eine Menschheitsfamilie“, hat Pia Paganotto auf dem Schild stehen, das sie mitgebracht hat. Sie beklagt, dass die Gesellschaft schon lange gespalten sei und macht dafür Politik und Medien verantwortlich, weil die überwiegend in eine Richtung argumentierten. „Ich habe Angst um meine Kinder und Enkel“, sagt sie.

Auch Birgit Bachmann hält die atomare Bedrohung für sehr real. Sie ist überzeugt davon, dass Frieden nicht mit Waffen herzustellen sei. „Wir haben ja überhaupt keine Kontrolle, was in der Ukraine mit den Waffen geschieht“, gibt sie zu bedenken. Ihr sei auch nicht bekannt, dass derzeit Verhandlungen angestrebt würden: „Wo soll das denn hinführen?“

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Ute Plass hat einen Klage- und Trauerteppich aufgebaut und einen Spruch des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy mitgebracht: „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“ Sie ist enttäuscht von den Omas gegen Rechts, mit denen sie versucht habe, zu diskutieren. „Sie haben zu viel Feindbilddenken“, moniert sie. „Sie halten alle, die gegen Waffenlieferungen sind, für Putinversteher.” Was müsste ihrer Meinung nach geschehen? „Waffenstillstand, Verhandlungen, Diplomatie.“ Ansätze habe es ja schon gegeben, zählt sie auf. Im Grunde gehe es bei diesem Krieg um geostrategische Machtfragen, bei denen die Ukraine das Bauernopfer sei.

„Für den Frieden und gegen die Kriegspolitik Russlands”

Frieden wollen auch die Menschen, die sich auf der anderen Seite des Platzes positioniert haben. Nach Angaben der Polizei sind es in der Spitze 90 Personen, die sich unter dem Motto „Für den Frieden und gegen die Kriegspolitik Russlands” zusammengefunden haben. Sie glauben, dass mit Putin nicht zu verhandeln sei, und stimmen den Waffenlieferungen Deutschlands zu, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. „Ich stehe absolut dahinter“, sagt Maria Unterschütz, Co-Vorsitzende der Wormser SPD. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Wenn Russland aufhört, Krieg zu führen, gibt’s keinen Krieg mehr. Wenn die Ukraine aufhört, Krieg zu führen, gibt’s keine Ukraine mehr.“

„Tanke schön“ – diese Demonstrantin bedankt sich für die Entscheidung der deutschen Regierung, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern.
„Tanke schön“ – diese Demonstrantin bedankt sich für die Entscheidung der deutschen Regierung, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. (© Boris Korpak / pakalski-press)

Die Ukrainerinnen, die sich durch Fahnen und Kleidungsstücke in ihren Landesfarben kenntlich gemacht haben, tragen Schilder, die Putin als Verbrecher darstellen, auch mit Hitler-Bärtchen. Eine von ihnen, Anastasiia Zhylenko, fordert in rasantem Englisch, dass der Westen Waffen an die Ukraine liefern müsse, weil man die Ukraine im Budapester Memorandum von 1994 verpflichtet habe, ihre Nuklearwaffen abzugeben.

Maxim Juschak, Motor der Ukraine-Hilfe in Worms und Träger der Luthermedaille des evangelischen Dekanats Worms-Wonnegau, sucht das Gespräch mit den Demonstranten für den Frieden und trifft dabei auch auf Matthias Lehmann. Das Stadtratsmitglied wurde aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen und bildet nun mit Ursula Bieser die Fraktion der AfW („Alternative für Worms“) im Stadtrat. Bieser hatte sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf Twitter solidarisch mit Russlands Präsident Wladimir Putin gezeigt und unter anderem „I Stand with Putin” (zu Deutsch etwa: „Ich stehe auf der Seite Putins”) gepostet, danach war sie von der AfD-Fraktion im Stadtrat ausgeschlossen worden. Juschak, so erzählt er, habe Lehmann gefragt, wie man seinerzeit Nazi-Deutschland ohne die bewaffnete Hilfe der Alliierten hätte stoppen können. Verhandlungen mit Hitler seien doch nicht möglich gewesen.

"Mahnwache für den Frieden" vs. Demo der Ukraine-Hilfe und der Omas gegen Rechts Worms auf dem Parmaplatz.
Foto: pakalski-press / Boris Korpak
Maxim Juschak (r.) von der Ukraine-Hilfe in Worms geht auf die „Friedensdemonstranten” zu und spricht dabei auch mit Stadtratsmitglied Matthias Lehmann (AfW). (© pakalski-press/Boris Korpak)

Mehrfach, sagt Maxim Juschak, habe er auch am Samstag bei Gesprächen gehört, dass Präsident Selenskyj Tausende Russen in der Ostukraine getötet habe. Das Wort Genozid sei sogar gefallen. „Das ist völliger Unsinn, der im russischen Fernsehen verbreitet wird“, erklärt er kurz und bündig.

Nach zwei Stunden verlaufen sich die Demonstranten. Alles sei friedlich verlaufen, meldet die Ordnungsbehörde. Sie hat allenfalls mal durchgehenden Passanten den Weg bahnen müssen.