Überfall auf Paketboten in Wiesbaden: Urteil gefällt

Zwei Brüder haben im Juli 2018 einen Paketzusteller in Nordenstadt in eine Falle gelockt und überfallen. Die Strafen fallen höchst unterschiedlich aus.

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Wiesbaden. Als die Halbbrüder Dany C. und Dominik R. am Freitag den Prozess im Landgericht verlassen, trägt der eine – bildhaft gesprochen –, leichtes Gepäck, der andere einen schwereren Rucksack. Leicht, zumindest im Vergleich, ist das Gepäck für Dominik, den Jüngeren der Halbbrüder, deswegen, weil er „nur“ wegen Raub verurteilt wird, zu einem Jahr und zehn Monaten, und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Freude über das leichte Gepäck ist so groß, dass der junge Mann dieses Urteil noch im Gerichtssaal rechtskräftig werden lässt. Gut gelaufen. Ungleich schwerer ist der Rucksack bei Dany – zwei Jahre und sechs Monate lautet das Urteil für ihn, und damit keine Bewährung. Verurteilt wird er für einen besonders schweren Raub, weil nach seiner Behauptung ein Messer im Spiel war, als die Halbbrüder am Vormittag des 28. Juli 2018 in der Pommernstraße in Nordenstadt einen DHL-Paketzusteller überfallen hatten.

Dany hatte den Plan ausgeheckt, und wie eine solche Tat ablaufen könnte, hatte er auf Notizzetteln festgehalten, die später bei einer Durchsuchung gefunden wurden. Dumm gelaufen. Dany war es auch, der einige Tage vor dem Raubüberfall eine Testbestellung unter anderem Namen aufgegeben hatte, um an einem Mehrfamilienhaus in der Pommernstraße das Verhalten des Paketzustellers im Falle einer Nichtzustellung beobachten zu können.

Für den geplanten Raub bestellte er unter falschem Namen mit fingierter Adresse ein hochwertiges Smartphone und einen Laptop für rund 5000 Euro, per Nachnahme. Die Geräte, so war der Plan, sollten verhökert werden. Halbbruder Dominik, finanziell klamm auch er, musste nicht groß überredet werden, mit von der Partie zu sein. Dass er unter Bewährung stand, hielt ihn nicht ab. Im Sommer 2016 war er wegen Körperverletzung, Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz zu acht Monaten Jugendstrafe verurteilt worden, es gab die Chance einer Bewährung.

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Zusteller hatte Angst um sein Leben

Maskiert überrumpelten die Halbbrüder den Paketzusteller, als der Mann an jenem Samstagmorgen wegen der Nichtzustellbarkeit mit der Ware auf dem Rückweg zum Lieferwagen war. Weil er Angst um sein Leben hatte, da einer der Täter ein Messer mit nach oben zeigender Klinge in der Hand hatte, warf der Zusteller die Pakete von sich und flüchtete. „Ich habe sofort gewusst, was sie wollten“, schildert das Opfer als Zeuge dem Gericht. „Ich war in Panik, ich wollte mich retten“.

Es zählt zu den Ungereimtheiten der Ermittlungen, dass die Kriminalpolizei das Opfer des besonders schweren Raubüberfalls erst vier Monate nach der Tat befragte. Details, die das Gericht gebraucht hätte, waren da schon verblasst. Wer von den beiden Tätern hatte das Messer? Das ließ und lässt sich zweifelsfrei nicht klären, auch nicht im Prozess, zumal der erst im Herbst 2022, und damit über vier Jahre nach dem Verbrechen, über die Bühne ging.

Zwei Jahre hatte es bis zur Anklage gedauert, dann war ein anberaumter Prozesstermin gescheitert, weil Dany C. geflüchtet war. „Wir konnten nicht feststellen, wer von beiden das Messer in der Hand hatte“, fasst Vorsitzende Richterin Honnef als Ergebnis in dem entscheidenden Punkt zusammen. Den schweren Rucksack von zwei Jahren und sechs Monaten hatte sich Dany selbst geschnürt: Durch sein Geständnis, dass er beim Raub in der Hand seines Bruders ein Messer gesehen haben will, und dass er ein Klappmesser in der Tasche dabei gehabt haben will. Sein Halbbruder bestreitet, ein Messer dabei gehabt zu haben, und er will auch nicht gesehen haben, dass überhaupt ein Messer im Spiel gewesen war. „Diese Version ließ sich nicht widerlegen“, so Honnef. Zwei Täter, eine Tat, aber zwei Versionen, und damit juristisch zwei Wertungen: Besonders schwerer Raub bei Dany, bei Halbbruder Dominik „nur“ ein normaler Raub“, bei dem der Täter zum Tatzeitpunkt wegen Drogensucht und einer depressiven Störung in der Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sein könnte.