Urlaub trotz Krieg: Darum sollten wir jetzt auf uns achten

aus Krieg in der Ukraine

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Ein Spaziergang im Frühling. Symbolfoto: dpa

Dr. Eva-Maria Hoffmann von den Wiesbadener HSK erklärt, wie wir seelisch gesund bleiben in einer Welt, die wegen Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie aus den Fugen zu sein scheint.

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WIESBADEN. Darf ich mich ausgelassen freuen? Darf ich ohne schlechtes Gewissen in Urlaub fahren? Wie kommen wir klar mit der Gleichzeitigkeit der Schrecken, die wir jeden Tag nicht nur, aber derzeit vor allem aus der Ukraine wahrnehmen, und unserem Alltag hier. Dazu sprechen wir mit Dr. Eva-Maria Hoffmann, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Helios-HSK.

Frau Dr. Hoffmann, der Krieg in der Ukraine und das Schicksal der Menschen dort und der vielen Geflüchteten, belasten auch hier viele Leute. Manche sind quasi nonstop am Handy oder verfolgen stundenlang das, was vom Kriegsgeschehen im Fernsehen zu sehen ist. Andere schalten ab und möchten so gut wie nichts über den Krieg hören und sehen. Wie können wir mit dem Kriegsgeschehen umgehen und dabei auch auf uns selbst achten? Der Angriffskrieg von Putin erzeugt viele Ängste und Sorgen. Das kommt nun zusätzlich zu den letzten beiden Corona-Jahren, in denen wir auf vieles haben verzichten müssen. Viele fühlen sich wie in einem „falschen Film“. Die mentale Robustheit, muss gestärkt werden, und das Erreichen wir nur mit ausreichender Bewegung, Ruhe- und Erholungszeiten und gesunder Ernährung. Wer sich dauerhaft mit negativen Themen und Gedanken beschäftigt, entwickelt negative und schlechte Gefühle, das macht krank. Selbstverständlich ist es notwendig, sich täglich zu informieren. Wir dürfen uns aber nicht pausenlos mit negativen Nachrichten beschäftigen, sondern sollten die Zeit begrenzen und die Aufmerksamkeit auf schöne Dinge richten. So können wir die Gedanken steuern und damit auch unsere Gefühle.

Dr. Eva-Maria Hoffmann ist Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Helios HSK. Foto: Helios
Dr. Eva-Maria Hoffmann ist Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Helios HSK. (© Helios)
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Es wird Frühling, die Osterferien stehen vor der Tür. Manche Menschen bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich jetzt auf eine Urlaubsreise begeben. Können Sie das nachvollziehen? Klar, da fragt man sich, „darf ich mir etwas Gutes tun“. Die Antwort lautet, dass der Mensch ein Gleichgewicht benötigt zwischen Stressoren (Krieg, Corona, andere Sorgen) und Entspannung wie Urlaub, ein Gleichgewicht zwischen negativen und positiven Gedanken, um gesund zu bleiben.

Eine Frau, die in den sozialen Medien ein Foto von Sonne, Strand und Meer gepostet hatte, wurde sehr heftig kritisiert dafür, wie sie ein solches Bild in diesen schlimmen Zeiten ins Netz stellen könne. Wie erleben Sie die Rolle von sozialen Medien heutzutage? Soziale Medien spiegeln in extremer Form Haltungen und Meinungen wieder, die nicht mit der Realität übereinstimmen. Daher sollte man negativen Kritiken sehr kritisch gegenüberstehen. Wenn wir jeden Krieg und jede Hungersnot zum Anlass nehmen würden, keine positiven Nachrichten mehr zu posten, dann dürften faktisch keine positiven Geschehnisse mehr verkündet werden.

Andere Menschen empfinden so viel Angst, dass sie ihren Alltag kaum bewältigen können. Wäre es nicht genau für diese Menschen wichtig, sich abzulenken, einen Spaziergang zu machen, ein schönes Essen zu kochen, einen kitschigen Liebesfilm zu schauen? Das ist sehr wichtig. Resilienz bedeutet die Anpassungsfähigkeit des Individuums, auf Stressoren zu reagieren. Dabei sind Ressourcen von zentraler Bedeutung, wie positive Lebenshaltung, eigene Charaktereigenschaften wie Selbstbewusstsein und ein stützendes soziales Umfeld, aber auch Konsequenzen, die man aus dem Leben zieht. Zum Beispiel Veränderungen im eigenen Verhalten, auch mal „fünfe grade sein zu lassen“.

Der Krieg jetzt ist nicht das einzig Negative, was uns beschäftigt. Corona ist nicht vorbei, auch der Klimawandel ist nicht verschwunden. Wie können wir Zuversicht behalten? Wegen der geografischen Nähe des Krieges erscheint es den Menschen, als gerate alles aus den Fugen. Uns in Europa ging es sehr gut, da es nach dem Kalten Krieg kaum direkte Bedrohungen gegeben hat. Das hat zu einem gewissen Wohlstand geführt, den es in anderen Kontinenten nicht gibt. Wir müssen anfangen, unseren Wohlstand zu schätzen. Wichtig ist, dass wir uns durch die ständige Beschäftigung mit Negativthemen nicht selbst traumatisieren, sonst verlieren wir unser grundlegendes Sicherheitsgefühl.

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Welche Rolle spielen diese Themen in Ihrer täglichen Arbeit? Sehen Sie vermehrt Patienten in der Klinik, die mit all den Herausforderungen nicht mehr zurechtkommen? Punktuell sehen wir in unserer Ambulanz, dass Patienten sich vermehrt mit Nachrichten aus der Ukraine beschäftigen und es zu einer Verschlechterung von Symptomen kommt, die aber bisher stabil im Griff waren. Wir bieten psychotherapeutische Interventionsgespräche an, um den Fokus zu verlegen. Dafür erarbeiten wir tagesstrukturierende Maßnahmen, Strategien zum Gedankenstopp und positive Aktivitäten.