Dirigent Heribert Beissel im Gespräch über Konzert in Wiesbaden

Dirigent Heribert Beissel und Konzertmeisterin Ervis Gega beim Gespräch im Pressehaus. Foto: Volker Milch

Der Gründer der Reihe „Wiener Klassik“ dirigiert im Kurhaus nicht nur Mozart, Haydn und Beethoven – und verrät, warum er sich nun auch Richard Strauss widmet.

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WIESBADEN. Heribert Beissel, Jahrgang 1933, ist ein Botschafter der „Wiener Klassik“. Nach dieser musikalischen Epoche hat er seine in zwölf deutschen Städten etablierte Konzertreihe benannt. Seit 1996 ist Wiesbaden mit von der Partie. Und im Thiersch-Saal des Kurhauses dirigiert Beissel, der für einen Besuch in der Redaktion aus Bonn angereist ist, seine „Klassische Philharmonie Bonn“ auch in der aktuellen Saison in fünf Sinfoniekonzerten.

Von Hessens Landeshauptstadt schwärmt der Musiker aus Wesel in den höchsten Tönen. „Nur mit dem Fußball ist das nicht so doll“, kommt als eher unerwartetes Statement. „Ich bin selbst Fußballer gewesen in meiner Jugend“, schiebt der auch im hohen Alter noch vital wirkende Dirigent als Erklärung dafür nach, dass er sogar die Situation des SV Wehen Wiesbaden im Blick hat.

Unerwartetes kommt von dem Dirigenten, der an der Oper Bonn die „Ochsentour“ vom Korrepetitor bis zum 1. Kapellmeister durchgemacht hat, auch über Beethoven, den großen, 1770 in Bonn geborenen Jubilar des Jahres 2020, der in der Reihe „Wiener Klassik“ sozusagen Programm ist. Beissel holt Beethoven verbal vom Sockel und beschreibt ihn ziemlich drastisch als Schürzenjäger. Was den Dirigenten freilich nicht daran hindert, im ersten Saisonkonzert am 18. Oktober sein wunderbares Klavierkonzert Nr. 5 mit der „Eroica“ zu kombinieren und schon mal einen Vorgeschmack auf das Jubiläumsjahr zu bieten.

Bröckelnde Abonnentenzahlen

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„Das größte und erfolgreichste Tourneeorchester in Deutschland“, sagt Heribert Beissel über seinen Klangkörper, den er vor allem als Instrument der Nachwuchsförderung sieht. Junge Musikerinnen und Musiker bekämen so die Chance, sinfonische Praxiserfahrung zu sammeln. Diese sei an Hochschulen Mangelware. Sie werden nicht fest angestellt, sondern bekommen ihr Honorar direkt nach den Konzerten ausgezahlt. Für das „erfolgreichste Tourneeorchester“ wird es indes nicht leichter, Erfolg zu haben. Wie in anderen Konzertreihen auch bröckelt die Abonnentenzahl: „Es ist schwer, und es wird immer schwerer. Wir haben große Mühe, über die Runden zu kommen.“ Rund 500 Abonnenten habe „Wiener Klassik“ momentan. Die Reihe müsse sich selbst finanzieren, „mit wenigen Mitteln von außen“.

Die Stadt Bonn gibt immerhin einen Zuschuss, und auch vom Förderverein kommt Unterstützung. „Wir haben viele Spender“, ergänzt Konzertmeisterin Ervis Gega, die mit zum Gespräch gekommen ist. Die Geigerin ist Professorin an der Mainzer Musikhochschule, sitzt seit 15 Jahren auch mit pädagogischer Begeisterung am ersten Pult der Violinen der „Klassischen Philharmonie Bonn“ und ist zudem 1. Vorsitzende des Orchester-Fördervereins.

Nicht nur Wiener Klassik steht auf dem Programm von „Wiener Klassik“: „Wir machen Strauss, weil er frei geworden ist“, sagt Beissel über das Oboenkonzert D-Dur, das am 23. Januar im Kurhaus erklingen soll. Richard Strauss ist 1949 gestorben. 70 Jahre nach seinem Tod enden die Urheberschutzrechte an den Werken: Strauss wird 2020 „gemeinfrei“. Damit kann sich auch die Klassische Philharmonie Bonn eine Komposition leisten, bei der sonst pro Konzert eine vierstellige Summe Tantiemen fällig gewesen wäre. An nachklassischen Werken bietet die Reihe übrigens im „Festlichen Weihnachtskonzert“ am 21. Dezember auch das berühmte Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie: „Da schmelzen die Leute dahin“, hat Heribert Beissel auch als Gastdirigent und langjähriger Chef der Hamburger Symphoniker erfahren: „Ich liebe das Stück.“