Die Corona-Inzidenzen waren hoch, Ärzte und Pfleger an Kliniken in Südhessen gehen „mit gehöriger Erschöpfung“ in den Herbst. Die Hoffnungen ruhen auf den Impfungen.
SÜDHESSEN . Die Corona-Pandemie geht in den dritten Herbst. Erfahrungsgemäß steigen dann die Ansteckungsraten. Alles Routine inzwischen in den großen Krankenhäusern der Region? Nein, nach einem eingespielten Schema können Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger schon deswegen nicht in die kühle Jahreszeit starten, weil das sommerliche Absinken der Inzidenzen fast auf Null in diesem Jahr ausgefallen ist. Im Gegenteil wurden in ganz Südhessen Corona-Inzidenzen über 1000 erreicht.
Ist damit eine wichtige Erholungsphase für die Klinikmitarbeiter weggefallen? Was erwarten die Häuser für den Herbst, wie sehen sie sich gewappnet für den weiteren Kampf gegen Covid-19? Wir haben nachgefragt.
„Von abgebauten Überstunden können wir nicht sprechen“
Gleichbleibend hohe Belegungszahlen mit Corona-Patienten seien in diesem Sommer im Gesundheitszentrum Odenwaldkreis (GZO) registriert worden, erklären Pflegedirektor Michael Hotz und Direktor Medizin Roland Meier. Immerhin mussten etwas weniger Patienten auf der Intensivstation versorgt werden. Gleichwohl sei das Klinikpersonal in Erbach allein durch das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung sowie die hohen Hygieneanforderungen zum Schutz der nicht-infizierten Patienten nun schon im dritten Jahr enorm belastet.
„Von Erholung oder abgebauten Überstunden in den Sommermonaten können wir also nicht sprechen“, erklären Hotz und Meier. „Es sind gerade die dort tätigen Mitarbeitenden, die an vorderster Front stehen. Noch ohne Kenntnis des Infektionsstatus versorgen Ärzte, Pflegekräfte, Röntgenassistenten oder Hebammen die erkrankten Patienten direkt und unmittelbar. Daher sind sie es, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind.“ Eigene Sorgen und Ängste würden dabei zurückgestellt. „Erfrischt und gestärkt gehen wir somit nicht in den Herbst.“ Pflichtgefühl und Motivation des Teams sicherten im GZO gleichwohl eine medizinische und pflegerische Versorgung auf hohem Niveau.
Eine Pandemie-Pause habe es im Kreiskrankenhaus Bergstraße nicht gegeben, sagt dessen Sprecherin Anna Lumpp. „Die Belastung ist weiterhin hoch, auch wenn sich viele Abläufe über die Zeit eingespielt haben und Routinen sind. Unsere Mitarbeitenden machen einen großartigen Job, entlasten sich gegenseitig und wir bemühen uns sehr, die Überstunden und die Mehrbelastung gering zu halten.“ Erschwert werde die Belastungssituation durch den „allgegenwärtigen Fachkräftemangel“.
Ähnlich lauten die Auskünfte vom Klinikum Darmstadt und den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg. Ein Erholungseffekt sei in diesem Jahr „geringer ausgefallen oder gar weggefallen“, erklärt Klinikums-Sprecherin Eva Bredow-Cordier; „wir gehen nicht erholt, sondern mit gehöriger Erschöpfung in den Herbst“, sagt Pelin Meyer, Betriebsleiterin der Kreiskliniken. Zwar kämen die meisten Patienten nicht mehr mit schweren Covid-19-Verläufen, doch die Kombination einer Infektion mit anderen schweren Krankheiten sorge für besonders hohe Belastung der Ärzte und Pfleger.
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Übereinstimmend ist aus den Kliniken zu hören, dass sich der Krankenstand beim eigenen Personal seit etwa zwei Wochen normalisiert habe, nachdem im Sommer die allgemein hohen Inzidenzen für erhöhte Ausfälle gesorgt hatten. „Möglicherweise ist die seit fast drei Jahren anhaltende psychische und physische Belastung auch ein Grund für den insgesamt ansteigenden Krankenstand“, erklären Michael Hotz und Roland Meier vom Erbacher GZO im Rückblick auf den Sommer.
Die Vorausschau auf den Herbst komme einem „Blick in die Glaskugel“ gleich, erklären Hotz und Meier. „Wir halten an unserer bewährten Vorgehensweise fest und sind auf eine Verschärfung der Lage eingestellt.“
Auf Corona-Hygiene- und Schutzkonzepte zurückgreifen
„Eine Entwicklung ist schwierig vorherzusehen“, erklärt auch die Sprecherin des Darmstädter Klinikums. „Aber wir haben ja schon ausreichend Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Ausprägungen gemacht, sodass wir auf jede Situation schnell reagieren können.“
Man könne in der kühlen Jahreszeit auf die gegen Corona entwickelten Hygiene- und Schutzkonzepte zurückgreifen, erklärt Anna Lumpp vom Kreiskrankenhaus Bergstraße. „Diese haben sich in den vergangenen Jahren Pandemie als sehr wirksam erwiesen. Zudem haben wir seit Beginn der Pandemie verschiedene Szenarien entwickelt, um schnell und flexibel auf das Heranrollen einer neuen Welle reagieren zu können.“
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Man habe die Hoffnung, dass sich viele Menschen mit den neuen Impfstoffen gegen Corona impfen lassen, sagt Pelin Meyer von den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg. „Aber wir planen für den Worst Case. Das ist eine Situation, die wir bereits kennen.“
In den Krankenhäusern sind derzeit Patientenbesuche möglich, allerdings kann jeder Patient nur einen Besucher pro Tag empfangen. In Darmstadt sowie den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg und Bergstraße ist die Besuchszeit zudem auf eine Stunde pro Tag beschränkt, in Erbach gilt das Zeitfenster von 15 bis 17 Uhr. Besucher müssen eine tagesaktuellen negative Testbescheinigung eines Testzentrums vorweisen. Natürlich herrscht in den Kliniken Maskenpflicht. Bei stark ansteigenden Ansteckungsraten müsse gegebenenfalls wieder ein Besuchsverbot verhängt werden, erklärt Pelin Meyer.