Cybermobbing heißt das, wenn sich böswillige Schikane von der realen Welt aufs Internet verlagert. Genau damit beschäftigt sich die Mannheimer Sprachwissenschaftlerin...
MANNHEIM. Cybermobbing heißt das, wenn sich böswillige Schikane von der realen Welt aufs Internet verlagert. Genau damit beschäftigt sich die Mannheimer Sprachwissenschaftlerin Konstanze Marx. Sie forscht zum Thema Cyberlinguistik, digitaler Gewalt und Hasskommentaren (Hate Speech) im Internet. Ihre Erkenntnisse nutzt sie, um Schüler in Workshops für Cybermobbing zu sensibilisieren. Für ihre Arbeit wurde die Linguistikprofessorin nun ausgezeichnet: Sie gehört zu den „25 Frauen, deren Erfindungen unser Leben verändern“.
Die deutsche Sprache ist Konstanze Marx’ Forschungsinhalt, dabei interessiert sie vor allem Gewalt in der Sprache: „Ich will wissen, wie Gewalt funktioniert, um sie zu verhindern.“ In ihrer Habilitationsschrift untersuchte die 40-Jährige deshalb, wie sich das Phänomen sprachwissenschaftlich beschreiben lässt. Marx sammelte an mehreren Schulen in Brandenburg digitale Alltagskommunikation. Die Daten nutzte sie, um die Schnittstellen zu Cybermobbing zu untersuchen. Die Vergleichsproben holte sie sich von einschlägigen Internetplattformen wie „I Share Gossip“ oder Schüler-VZ. Manches wurde ihr auch von Schülern zur Verfügung gestellt.
Meist werden auf solchen Plattformen Gruppen gebildet, die nur dem Zweck dienen, eine bestimmte Person zu diffamieren. Das passiert, indem Gerüchte verbreitet und Fotocollagen geteilt werden, über das Aussehen gelästert und sich in Gewaltfantasien ergangen wird.
Zu der Gruppe erhalten nur Ausgewählte Zutritt, so dass die betroffene Person erst über Dritte erfährt, dass sie Ziel von Cybermobbing ist. Überraschend: Die Mobber sehen sich oft im Recht. „Sie legitimieren ihr Tun damit, dass es solche Plattformen gibt“, hat Marx festgestellt. In vielen Fällen fühlen sich die Initiatoren gegenüber der Zielperson benachteiligt oder ungerecht behandelt und konstruieren sie deshalb zum Täter. Eine andere Form des Cybermobbings sind digitale Kettenbriefe. Die Jugendlichen sollen sie an ihre Freunde weitersenden. Wenn sie das nicht tun, werden schreckliche Konsequenzen angedroht. Vor allem jüngeren Kindern machten solche Briefe Angst, weiß Marx. „Sie versenden sie deshalb weiter.“ Die Urheber bleiben meist im Dunkeln.
„Viele Experten äußern sich zum Thema Cybermobbing“, erklärt Konstanze Marx. Meist würden jedoch Psychologen oder Juristen befragt und kaum Sprachwissenschaftler. „Dabei handeln Menschen im Netz vor allem sprachlich.“ Konstanze Marx untersucht Wortwahl sowie Kommunikationskonstellationen, Kommunikationsstrategien und Kommunikationsdynamik. Den Preis will sie nutzen, um mehr Öffentlichkeit für das Thema herzustellen und damit auch Aufklärungsarbeit zu leisten. In Workshops in Schulen zeigt Marx Schülern, wie sichere Kommunikation gelingen kann. Mithilfe von Gruppendiskussionen und Rollenspielen, in denen sich die Schüler in Eltern, Lehrer oder Mitschüler hineinversetzen sollen, schafft sie zudem ein Bewusstsein für die Folgen, die Cybermobbing für die Betroffenen haben kann.
Denn noch immer gehen Eltern und Lehrer häufig zu unbedarft mit dem Thema um. Oft erklärten Eltern nur, wie das Gerät funktioniert und laden ein paar Sicherungsapps herunter: „Man stattet Kinder mit Smartphones aus, aber im sozialen Umgang damit werden sie oft allein gelassen.“ Auch dass einige Lehrer bewusst den Umgang mit sozialen Medien meiden und so keine Ahnung haben, was da vor sich geht, hält Marx für ein Problem. „So kapseln sie sich von der Lebenswelt ihrer Schüler ab.“ Der „25 Frauen Award“ würdigt 25 Wissenschaftlerinnen, Entwicklerinnen und Künstlerinnen, die mit ihren Erfindungen und Ideen entscheidend dazu beitragen, die Gesellschaft und den Planeten zum Positiven zu verändern. 2017 wurde er zum vierten Mal verliehen.