Der drastische Preisanstieg zeigt sich in den Hochschulstädten der Region - von Darmstadt über Mainz bis Gießen. Was Studierende zum Wintersemester fürs Wohnen zahlen müssen.
MAINZ/WIESBADEN. Der Beginn des Wintersemesters naht. Und Studienanfänger, die schon wissen, in welcher Stadt sie künftig leben und lernen wollen, sind auf Wohnungssuche. Keine leichte Aufgabe und eine teure noch dazu. Seit 2013 analysiert das Moses-Mendelssohn-Institut (MMI) regelmäßig die Preise auf dem studentischen Wohnungsmarkt. Zum Semesterstart in diesem Jahr sind nach Einschätzung des geschäftsführenden Direktors die Preissteigerungen allerdings dramatisch: „Mit durchschnittlich 435 Euro zahlen junge Leute für ein übliches Zimmer in einer Wohngemeinschaft 44 Euro mehr als noch vor einem Jahr“, sagt Stefan Brauckmann. Im bundesweiten Durchschnitt liege die Mietsteigerung damit bei 11,4 Prozent.
Gemeinsam mit der Plattform wg-gesucht.de wertet das Institut seit 2013 die Wohnangebote in allen 95 deutschen Hochschulstädten mit mindestens 5000 Studierenden aus. „Diese Zeitreihe erlaubt einen langfristigen Vergleich über ein Jahrzehnt und belegt, dass es eine Preiserhöhung in dieser Form bisher nicht gegeben hat“, sagt Brauckmann. Der bisherige Spitzenwert von 2019 mit einem Plus von 7,1 Prozent wird aktuell deutlich übertroffen: „Diesmal toppt die Veränderung alles bisher Dagewesene“, sagt der MMI-Direktor und sieht in der aktuellen Entwicklung auch einen Nachholeffekt.
In fast allen Hochschul-Städten wird es teurer
Zwei Jahre habe die Corona-Pandemie bei Neuvermietungen eher für eine Seitwärtsbewegungen der Preise gesorgt. Damit sei es jetzt vorbei: In 89 von 95 Städten in der Hochschul-Liste sind Zimmer in einer WG jetzt teurer als noch 2021. Den heftigsten Anstieg gab es bundesweit in Erfurt mit einem Plus von fast 22 Prozent. Dort kostete ein WG-Zimmer vergangenes Jahr noch 275 Euro, jetzt sind es im Schnitt 335 Euro.
Corona hat dazu geführt, dass es auf dem Markt derzeit ungewohnt viel Bewegung herrscht: „Da aufgrund der Pandemie Vorlesungen, Seminare und Prüfungen ausfielen oder wenig ergiebig waren, verlängern viele junge Leute ihr Studium“, erläutert Brauckmann. Die Folge: Es werden weniger Zimmer frei. Zugleich suchen nicht nur Studienanfänger, sondern auch Studierende in höheren Semestern, die bislang – oft ebenfalls wegen Corona – weiterhin bei ihren Eltern oder Verwandten gewohnt haben. Ein dritter Aspekt, der die Situation auf dem studentischen Wohnungsmarkt verschärft: Internationale Studierende möchten nun ihr verschobenes Auslandssemester nachholen und sind ebenfalls auf Wohnungssuche.
Günstiger als ein WG-Zimmer auf dem freien Markt sind häufig Wohnheime für Studierende. Allerdings bekommt nur ein Bruchteil die Chance auf solch eine Unterkunft: In Mainz liegt die Quote der Wohnheimplätze im Vergleich zur Gesamtzahl der Studenten mit 14,5 Prozent (rund 5180 Plätze) noch relativ hoch, in Darmstadt hingegen nur bei 7,9 Prozent, in Gießen sogar nur bei 7,0 Prozent. Für Studierende, die BAföG bekommen, beträgt die Wohnkostenpauschale seit Juli 360 Euro, zuvor waren es 325 Euro. Das reicht laut MMI-Studie aber nur etwa bei einem Drittel der Hochschulstädte, um die Studentenbude zu bezahlen: „An 59 Standorten liegen die Preise, die wir ermittelt haben, bei mehr als 360 Euro“, sagt Brauckmann. Außerdem sei ein WG-Zimmer auf dem freien Markt noch die günstigste Wohnform, wer allein in einer kleinen Wohnung lebe, zahle meist noch mehr.
Und mit welchen Kosten müssen nun Studierende kalkulieren, die in der Region auf Zimmersuche sind? Auch hier ist Spanne immens. In Frankfurt liegt der Durchschnittspreis laut MMI-Daten bei 580 Euro Warmmiete. Das ist im Vergleich zu 2018 eine Steigerung um 100 Euro. In Mainz werden 450 Euro fällig – 75 Euro mehr als vor vier Jahren. Darmstadt liegt mit 445 Euro (370 Euro) auf einem ähnlichen Niveau.
Marburg und Gießen noch recht günstig
Hingegen fällt in Wiesbaden, wo ein WG-Zimmer aktuell für 423 Euro zu haben ist, der Preisanstieg im Vergleich zu 2018 moderat aus. Damals musste man im Schnitt 400 Euro bezahlen. Mannheim liegt mit 435 Euro aktuell auf einem ähnlichen Niveau wie Wiesbaden, allerdings war dort vor vier Jahren das Zimmer noch für 350 Euro zu haben. Vergleichsweise günstig kommen Studenten weg, die sich für Marburg entschieden haben: Dort werden im Moment 360 Euro aufgerufen, vor vier Jahren waren es 335 Euro. Auch in Gießen reicht die BAföG-Wohnkostenpauschale theoretisch exakt für das WG-Zimmer: 360 Euro kostet es aktuell, vor vier Jahren waren es 328 Euro.
Allerdings sorgen auch auf dem studentischen Wohnungsmarkt die derzeit nur schwer kalkulierbaren Energiepreise für große Unsicherheit: „Die Frage ist, was zum Sommersemester passiert, wenn die Abschlagszahlungen für Energie an das neue Preisniveau angepasst wurden“, sagt Brauckmann. Er gehe davon aus, dass die Preise weiter steigen werden. Die deutlichen Mietanstiege zum Wintersemester hätten ihn überrascht: „Eigentlich haben wir damit erst 2023 gerechnet.“