Streik im Personenverkehr der Deutschen Bahn in vollem Gange

23.08.2021, Berlin: Passagiere warten während dem bundesweiten Lokführer-Streik am Hauptbahnhof auf einen ICE nach Hamburg. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihren Streik bei der Deutschen Bahn am frühen Montagmorgen auch auf den Personenverkehr ausgeweitet. Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Seit dem frühen Morgen steht ein Großteil der Züge in Deutschland still: Die Lokführergewerkschaft GDL fordert mehr Geld und eine Corona-Prämie.

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REGION. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihren Streik bei der Deutschen Bahn am frühen Montagmorgen auch auf den Personenverkehr ausgeweitet. „Pünktlich um zwei Uhr morgens sind wir in den Streik gegangen“, sagte ein Mitarbeiter der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am frühen Montagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Bis Mittwochfrüh, 2 Uhr, müssen sich Millionen Reisende auf massive Einschränkungen vor allem im Fernverkehr einstellen. Neben den Lokführerinnen und Lokführern sind erneut auch Beschäftigte in der Infrastruktur - etwa in den Stellwerken - aufgerufen, die Arbeit ruhen zu lassen.

Die Bahn scheiterte am Sonntag mit dem Versuch, den Streik im Personenverkehr noch abzuwenden. Sie erklärte sich bereit, über eine Corona-Prämie für die Beschäftigten, eine der GDL-Forderungen, zu verhandeln. Die GDL sah darin jedoch ein „Scheinangebot“ und hielt an den Streikplänen fest.

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Viele Pendler rund um Wiesbaden betroffen

Seit dem heutigen Montag sind rund um Wiesbaden viele Bahnreisende und Pendler vom Streik betroffen, zu dem die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) aufgerufen hatte. Er wirkt sich auch auf viele Regionalverbindungen aus. Wie die Deutsche Bahn bestätigt, fahren die S1 und S8 von und nach Wiesbaden-Ost stündlich. Die S9 hingegen entfällt. Reisende werden aufgerufen, stattdessen die S8 zu nutzen. Wer von Wiesbaden aus nach Kastel fahren möchte, sollte den Schienenersatzverkehr der Linie S1 nutzen. Wer aus Richtung Frankfurt nach Kastel reist, kann die Linie S8 bis Bischofsheim und danach die Buslinie 56 nach Kastel nutzen.

Alles sei so angelaufen, wie geplant, berichtet eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Die Reisenden seien gut vorbereitet und informiert. Vom Frankfurter Hauptbahnhof beispielsweise, habe sie die Rückmeldung bekommen, dass es heute Morgen sehr ruhig war. Nicht betroffen vom Streik sind die Hessische Landesbahn, Vias und Vlexx. Auch die RE9/RB10 von Biebrich nach Frankfurt verkehrt normal nach Fahrplan.

Eine genaue Einschätzung der Auswirkungen sei erst nach dem Betriebsstart am Morgen möglich, teilte die Deutsche Bahn in der Nacht mit. Im Regional- und S-Bahnverkehr wird ein Fahraufkommen von etwa 40 Prozent der Bahnen erwartet. Das Unternehmen will rund ein Viertel der Fernzüge fahren lassen. Vor allem auf einigen Hauptachsen soll alle zwei Stunden ein Zug fahren. Doch das Angebot werde regional sehr unterschiedlich verteilt sein, hieß es. Zugausfälle und Verspätungen werden zur Regel.

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Starke Einschränkungen in Hessen

Der Streik bei der Deutschen Bahn hat am Montagmorgen auch für zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen in Hessen gesorgt. Der Ausstand im Personenverkehr habe um 2 Uhr begonnen, bestätigte eine Bahn-Sprecherin am Montagmorgen in Frankfurt.

Stark betroffen ist unter anderem der S-Bahn-Verkehr im Rhein-Main-Gebiet. So fahren die meisten Linien im Bereich des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) nur alle 60 Minuten. Auf den Linien S7 und S9 sind nach Angaben der Deutschen Bahn gar keine Züge unterwegs.

Kapazität der U-Bahn-Züge ausweiten

Alternativ fahren auf dieser Linie demnach Regionalzüge. Die Frankfurter Verkehrsgesellschaft hatte angekündigt, die Kapazität der U-Bahn-Züge in Frankfurt auszuweiten. So werden auf einigen Linien die Züge verlängert.

Bei manchen Linien wird der Takt stark ausgedünnt oder sie entfallen an den Streiktagen komplett. Nicht vom Streik betroffen sind dagegen Linien, die von anderen Bahngesellschaften bedient werden, etwa die Hessische Landesbahn, Vias oder Vlexx.

Bundesweit hat die Deutsche Bahn 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen und rechnet auch im Regionalverkehr mit zahlreichen Ausfällen und Verspätungen. Am Freitag hatte die GDL angekündigt, den Fern- und Regionalverkehr ab Montag, 2 Uhr, für 48 Stunden bundesweit zu bestreiken.

Weiterer Tarifvorschlag

Ein Versuch der Bahn, den Streik mit einem weiteren Tarifvorschlag am Sonntag abzuwenden, war gescheitert. Der Konzern stellte unter anderem Verhandlungen über eine von der GDL geforderte Corona-Prämie für die Beschäftigten in Aussicht. Noch am Nachmittag lehnte Gewerkschaftschef Claus Weselsky das Angebot ab.

"Man muss doch wenigstens eine Zahl nennen", sagte er am Montagmorgen im ZDF-"Morgenmagazin. "Ich schicke meine Leute auf die Züge, um anschließend festzustellen, dass das Angebot für eine Corona-Prämie bei Eins ist? Das fällt aus." Die GDL fordert neben 3,2 Prozent mehr Geld unter anderem auch eine Corona-Prämie in Höhe von 600 Euro. Weselsky betonte erneut, dass ein verbessertes Angebot der Deutschen Bahn Voraussetzung für weitere Verhandlungen sei.

GDL gehe es um einen politischen Kampf

Bahnsprecher Achim Stauß kritisierte am Montagmorgen die Absage der Gewerkschaft. "Das zeigt, der GDL geht es um einen politischen Kampf und nicht um eine Lösung am Verhandlungstisch." Die GDL-Spitze richte Schaden an, "ohne Rücksicht auf die Fahrgäste, ohne Rücksicht auf den Großteil unserer Beschäftigten und ohne Rücksicht auf das Unternehmen DB. Das ist verantwortungslos."

Die Bahn will bis zum Ende der Streikwelle erneut ein Grundangebot von rund einem Viertel der Fernzüge garantieren. Im Regional- und S-Bahnverkehr wird ein Fahraufkommen von etwa 40 Prozent der Bahnen erwartet. Der Notfahrplan sei am Morgen "stabil angelaufen", teilte der Konzern am Montag mit. "Trotz des verlässlichen Grundangebots kann die DB nicht garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen", hieß es weiter. Wer könne, solle seine Reise auf die Zeit nach dem Streik verschieben. Bereits am Samstag hatte die GDL mit dem Streik im Güterverkehr begonnen.

Informationen im Internet oder über Hotline

Bahnreisende sollten sich vor Fahrtantritt auf der Internetseite bahn.de über ihre Verbindungen informieren. Die Deutsche Bahn hat außerdem eine kostenfreie Hotline eingerichtet: 08000-996633. Die Bahn hat dazu aufgerufen, nicht unbedingt notwendige Reisen mit Fernverkehrszügen zu verschieben.

Der Konzern geht davon aus, dass sich der Fernverkehr im Laufe des Mittwochs wieder normalisieren wird. Es ist bereits die zweite Streikwelle im laufenden Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der GDL. Vor rund zwei Wochen hat die Gewerkschaft bereits zwei Tage lang große Teile des Personenverkehrs lahmgelegt. Dieses Mal hatten die Reisenden allerdings länger Zeit, sich auf den Arbeitskampf einzustellen. GDL-Chef Claus Weselsky hatte bereits am Freitag die Streikaktionen angekündigt.

„Es ist nicht das Ziel der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in Deutschland, den Eisenbahnverkehr lahm zu legen“, sagte er am Freitag. „Sondern es ist das Ziel, bessere Einkommen zu erreichen, die Kleinstrente zu schützen.“

In dem Tarifstreit geht es unter anderem um mehr Geld für die Beschäftigten. Über die Höhe der künftigen Löhne und Gehälter sind sich beide Seiten einig: 3,2 Prozent mehr soll es geben. Aber über den Zeitpunkt der Auszahlung besteht Uneinigkeit. Offen sind außerdem Fragen zur Betriebsrente, die Höhe einer möglichen Corona-Prämie für die Beschäftigten sowie zum Einflussbereich der GDL.

Scheuer fordert Rückkehr an Verhandlungstisch

Denn nicht zuletzt geht es der Gewerkschaft in der Auseinandersetzung auch um den eigenen Einfluss im Konzern, den sie durch das sogenannte Tarifeinheitsgesetz gefährdet sieht. Das Gesetz sieht vor, dass in einem Betrieb mit zwei konkurrierenden Gewerkschaften nur die Tarifverträge der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung zur Anwendung kommen. Bei den Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).

Zuletzt hatte auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) beide Seiten dazu aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Machen Sie die gute Entwicklung nach der langen Covid-Durststrecke nicht durch einen langwierigen #Tarifkonflikt wieder zunichte! Die Lage ist besorgniserregend“, schrieb er auf Twitter mit Blick auf den sich nach der Corona-Krise langsam wieder erholenden Fernverkehr.

Der Ersatzfahrplan ist in der Fahrplanauskunft auf bahn.de und in der App DB Navigator abrufbar.

Von dpa und unseren Reportern