Nach Terror in Hanau: Lokal mit Pflastersteinen beworfen

Blumen und Kerzen sind am Marktplatz in Hanau im Februar nach dem rassistischen Anschlag aufgestellt worden. Jetzt wurde erneut ein Lokal Opfer von Vandalismus. Archivfoto: Nicolas Armer/dpa
© Nicolas Armer/dpa

Ein Hanauer Lokal, dass am 19. Februar Ziel des rechten Terroranschlags war, wurde erneut beschädigt. Auch in Darmstadt wurden Plakate, die an Opfer erinnern sollen, beschmiert.

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HANAU/DARMSTADT. Mit Pflastersteinen haben Unbekannte die Scheiben einer Bar in Hanau eingeworfen. Das Lokal im Stadtteil Kesselstadt war ein Tatort während des rassistischen Terroranschlags am 19. Februar. Heute wird dort der Opfer gedacht. Der Vorfall ereignete sich bereits am Osterwochenende. Die Polizei hat noch keine Hinweise auf die Täter und ermittelt nach eigenen Angaben in alle Richtungen.

Die Hanauer Landtagsabgeordnete Saadet Sönmez (Linke) kommentierte den Vorfall am Dienstag mit den Worten: "Bei solchen Taten handelt es sich nicht um Bagatelldelikte, denn sie bringen zum Ausdruck, dass die Täter den schrecklichen Terroranschlag vom 19. Februar gutheißen." Die Bereitschaft zu Mord und Terror in der rechten Szene könne nicht ernst genug genommen werden, fügte sie hinzu. In Darmstadt seien außerdem Plakate der Initiative #saytheirnames, die an die Opfer des Anschlags erinnert, übersprüht worden, sagte die Abgeordnete.

Täter mit rassistischen Ansichten

Ein 43 Jahre alter Deutscher, Tobias R., hatte in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Anschließend tötete er seine pflegebedürftige Mutter und sich selbst. Vor der Tat hatte der Mann Pamphlete und Videos mit abstrusen Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

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Anfang vergangener Woche hatten ebenfalls unbekannte Täter in Hanau-Kesselstadt zwei Autos niedergebrannt. Die Fahrzeuge gehörten dem Vater von Tobias R. Auch hier schließt die Polizei einen politischen Hintergrund nicht aus, wie ein Sprecher mitteilte. Das Feuer wurde den Ermittlungen zufolge an einem der beiden Wagen gelegt, die in einer kleinen Gasse abgestellt waren, und sprang von dort aus auf den anderen über.

In Darmstadt sind Plakate zerstört und unkenntlich gemacht worden, die dort seit einigen Wochen der Opfer des Attentats in Hanau gedenken und auf eine Spendenaktion für Hinterbliebene aufmerksam machen. Die unter dem Slogan „Say Their Names“ aufgelisteten Namen aller neun Ermordeten sind oft einzeln mit schwarzer Farbe übersprüht worden, auch wurde „Lüge“ darüber geschrieben. „Es handelt sich um den politisch motivierten Versuch, die Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt zu unterbinden“, kommentieren das auf Anfrage Darmstädter Vertreter der „Interventionistischen Linken“, die die Plakate laut eigenem Bekunden als Teil eines Netzwerks von antirassistischen Unterstützern für die Opfer in Hanau verteilt haben. Aufgehängt worden seien sie auch von anderen Aktivisten – auch in anderen deutschen Städten, wo sie teils ebenfalls zerstört worden seien.

"Nicht nur ein Verrückter"

„Wir beobachten ein immer selbstbewussteres Auftreten der rechten Szene“, konstatiert Roman Jeltsch von der hessischen Beratungsstelle Response für Opfer rechter Gewalt, die auch in Hanau vor Ort ist. „Die Stimmung ist aufgeheizt.“ Dazu gehöre auch, dass solche Plakate übersprüht oder zerstört werden. Aktivisten und Unterstützer der Aktion in Darmstadt sind mittlerweile dazu übergangen, die Plakate zum Schutz vor Zerstörung in die Fenster von Läden oder Wohnungen zu hängen.